Erzählwege. Literarische und filmische Szenarien der Migration nach und in Italien (Habilitationsprojekt)


Allgemeine Angaben

Projektbeginn
Mittwoch, 20. April 2016
Status
laufend
Hochschule
Universität Augsburg
Stadt der Hochschule
Universität Augsburg
Thematik nach Sprachen
Italienisch
Disziplin(en)
Literaturwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft
Schlagwörter
Migration, Narratologie, Imagologie, Filmnarratologie

Aktiv beteiligte Person(en)

(z.B. Kooperation, Mitarbeiter, Fellows)

Maximilian Gröne

Passiv beteiligte Person(en)

(z.B. Betreuer, Berater)

Prof. Dr. Günter ButzerProf. Dr. Christiane FäckeProf. Dr. Rotraud v. Kulessa


Exposé

Aus der transkulturellen Grundsituation der ‚letteratura della migrazione‘ – der Delokalisierung der Migranten aus ihrem kulturellen Kontext im Rahmen der versuchten Übersiedelung nach Italien – speist sich eine ständige Inbezugsetzung von Selbst- und Fremdwahrnehmung, sei es aus der Perspektive der Migranten, sei es aus der Sicht der sich als Gemeinschaft verstehenden Italiener. Dabei wird der ‚fremde Blick‘ der Migranten zu einem diagnostischen Instrument im Sinne der Aufklärung: aus der distanzierten Perspektive des Fremden kann das Eigene gespiegelt und der selbstkritischen Reflexion unterbreitet werden. Die italienische bzw. europäische Gesellschaft und Kultur werden auf ihre Werte, Institutionen und Praktiken sondiert, deren Eigenwahrnehmung in Frage gestellt. Da es sich im Gegensatz zur Aufklärungsepoche oftmals jedoch weniger um eine fingiert-vordergründige als um eine reale kulturelle Diskrepanz zwischen Betrachtenden und Betrachteten handelt, muss in theoretischer Hinsicht verstärkt der interkulturelle Rahmen künstlerischer Produktionen berücksichtigt werden.
Besonders ausgeprägt findet ein solcher interkulturell fundierter ‚fremder Blick‘ im Kontext narrativer Erzählliteratur. Seine Analysefähigkeit zur Aufdeckung von Projektionen, Stereotypen, Auto- und Heteroimages u.ä. wird im weiteren Verlauf der Untersuchung auf eine mögliche transkulturelle Vermittlung der Gegensätze zu überdenken sein. Solche Konfrontationslinien werden in Erzähltext und Film wiederum in Form von Figurenkonstellationen, Zeitstrukturen, Handlungselementen und Schauplätzen narrativ dargestellt, in konfliktgeladenen oder symbolischen Szenarien vermittelt.
Während in den literarischen Darstellungen sich die Migranten der ersten oder nachfolgenden Generation i.d.R. direkt positionieren (unabhängig vom jeweiligen homo- oder heterodiegetischen Erzählerstandpunkt), ist im Medium Film nur in einem Teilbereich von entsprechenden Produktionen auszugehen, die als ‚Sprachrohr‘ den Betroffenen selbst zur Artikulation dienen. Obwohl es durchaus eine größere Anzahl von Filmen immigrierter Regisseure und Regisseurinnen gibt, so wird das Feld doch von Produktionen unter italienischer Regie bestimmt. Letztere, so kann gezeigt werden, setzen nicht nur auf eine zumeist intensive konzeptionelle Begleitung der Produktion durch die unmittelbaren Erfahrungsträger der Migration, sondern übernehmen im fertiggestellten Film eine Erzählhaltung, die das Publikum für die Migrationsproblematik sensibilisieren und Empathie-lenkend auf die Migranten orientieren soll. Die Fokalisierung auf Migrantinnen und Migranten als Protagonisten, die Entwicklung des Plots entlang ihrer Itinerarien und den damit verbundenen Erlebnissen, der Einsatz subjektivierender Erzähltechniken (Point of view shot, Assoziationsmontage etc.) werden in diesem Zusammenhang als Verfahren zu untersuchen sein, mit denen zur literarischen Perspektivierung analoge Sichtweisen erzeugt werden.
Die Untersuchung zur Darstellung von Migrationsproblematiken in italienischsprachigen literarischen Texten und Filmproduktionen verfolgt eine mehrfache Zielsetzung. Zum einen soll das interkulturelle Potential dieser Werke im Sinne des in ihnen aufscheinenden ‚fremden Blicks‘ ausgelotet werden. Hierbei geht es ebenso um die Nachzeichnung konfrontativer ‚images‘ und der hinter ihnen wirksamen Stereotype, die sich in Teilen bis auf die Kolonialgeschichte Italiens zurückverfolgen lassen oder über tradierte Gender-Rollen verankert sind, wie auch um die Tendenzen zur Hybridisierung kultureller Elemente. Letztere können in einer transkulturellen Perspektive auf der Ebene der künstlerischen Gestaltung (Gattungsmischung, Plurilinguismus, multiple Perspektivierung u.a.) oder gar auf einer metapoetischen Ebene nachverfolgt werden. ‚Fremder Blick‘ und Hybridisierung erscheinen dabei als zwei vorrangige Möglichkeiten innerhalb der ‚dritten Raums‘ die interkulturelle Begegnung zu verhandeln. Dies kann auch an der räumlich-zeitlichen Struktur der Texte aufgedeckt werden, die über das Reisemotiv oder die Konfrontation von Einst und Jetzt Spannungsmomente freisetzt oder aber periphere Orte zu symbolträchtigen Schauplätzen der Handlung werden lässt (das Boot, das Lager, der Vorort) und Marginalisierung ausdrückt (Klandestinität, wirtschaftliche Ausbeutung, Prostitution).
Eine Betrachtung der inter- bzw. transkulturellen Relevanz kann zum anderen nur dann dem künstlerischen Aspekt der Darstellung gerecht werden, wenn sie die spezifische Gestaltung in Literatur und Film zu berücksichtigen weiß. Zwischen Faktualität und Fiktionalität changierend, liegen motivisch und strukturell effektvoll aufgebaute Erzählungen vor, welche die Erfahrungen oder Problematiken der Migration mit den narrativen Techniken der Literatur oder des Films in Szene setzen und auf diese Weise Lebenswegen im Text eine Form geben.


Anmerkungen

keine

Ersteller des Eintrags
Maximilian Gröne
Erstellungsdatum
Samstag, 09. März 2024, 23:45 Uhr
Letzte Änderung
Samstag, 09. März 2024, 23:45 Uhr