Zwischen Genres und Medien: Formen moderner Prosa in Frankreich (Veranstaltungsprojekt)
Sektion beim Frankoromanistentag 2016 in Saarbrücken. Leitung: Nanette Rißler-Pipka und Christof Schöch
Allgemeine Angaben
- Projektbeginn
- Donnerstag, 29. September 2016
- Projektende
- Samstag, 01. Oktober 2016
- Status
- abgeschlossen
- Weiterführender Link
- http://www.uni-saarland.de/page/frankoromanistentag/programm/sektionen/sektionen-mit-literatur-und-kulturwissenschaftl-ausrichtung/9-zwischen-genres-und-medien-formen-moderner-prosa-in-frankreich.html
- Thematik nach Sprachen
- Französisch
- Disziplin(en)
- Literaturwissenschaft
- Schlagwörter
- Genres, Gattungen, Medien, Digitale Methoden
Aktiv beteiligte Person(en)
(z.B. Kooperation, Mitarbeiter, Fellows)
Nanette Rißler-Pipka, Christof SchöchExposé
Sektionsbeschreibung, Bibliographie und Programm
Sektionsbeschreibung
Ein entscheidendes Merkmal moderner französischer Literatur seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts ist die Transgression im Sinne einer Überschreitung oder Entgrenzung von Vorgaben, die von Genres und Medien bestimmt werden. Die aus dieser zugespitzten Formel entspringende Fragestellung ist die nach dem neuen Verhältnis von Gattungen und Medien unter den Bedingungen einer solchen Transgression. In der Anordnung unseres Versuchs fokussieren wir uns dabei auf eine Gattung, die wir gerade nicht den “Roman”, das “Prosagedicht” oder die “Erzählung” nennen, sondern schlicht “Prosa”. Wir fragen nach jenen Formen moderner Prosa, die ihr angestammtes Genre über-schreiten, sich mit anderen Genres oder Medien vermischen und dabei neue, hybride oder intermediale Formen entdecken.
Dieses theoretisch und inhaltlich immer noch sehr breit gefächerte Gebiet berührt aktuelle Debatten der Narratologie, Gattungspoetik, Intermedialität und Hybridisierung (Rabatel, Genette, Nünning, Combe, Rajewsky, Spielmann). Wir möchten mit der Sektion an diese Debatten anschließen und an konkreten Beispielen zeigen, welches Erkenntnispotential die entsprechende Theoriebildung haben kann. Dabei möchten wir auch zu einer methodischen Grenzüberschreitung einladen: Wie tragen etablierte Methoden einer präzisen, exemplarischen, theoretisch fundierten Lektüre einerseits, und neuere, quantitative Verfahren der literarischen Textanalyse (Jannidis, Ramsay, Jockers) andererseits, zur Untersuchung der generisch und/oder medial transgressiven modernen Prosa bei? Wo liegen ihre jeweiligen Beschränkungen? Wir werden dabei von der Überzeugung geleitet, dass beide Ansätze unterschiedliche Perspektiven auf die zahlreichen Facetten der Fragestellung anbieten können, die sich ergänzen bzw. gemeinsam eine Hypothese belegen können.
Bestimmte Fragestellungen sind möglicherweise besonders dazu geeignet, anhand größerer Text-sammlungen und mit den Mitteln der quantitativen Textanalyse exploriert zu werden. Können wir mit solchen Verfahren neue Gruppen moderner Prosatexte mit gemeinsamen Merkmalen erkennen? Ergeben sich Muster, die zu einer Neubestimmung einer Gattung im Verhältnis zu anderen Medien befähigen? Oder liegt der Charakter moderner Prosa gerade in der Verweigerung von Gemeinsamkeiten und identifizierbarer Kennzeichen, was quantitative Verfahren herausfordert? Umgekehrt ist es unabdingbar, gerade solche Einzelfälle qualitativ zu untersuchen, die aus übergeordneten Mustern heraus fallen und sich Regelmäßigkeiten entziehen. Wie schaffen es diese Einzelstücke moderner Prosa, nicht nur aufzufallen, wahrgenommen zu werden, sondern in vielen Fällen Vorbildfunktion zu sein und ein eigenes Subgenre zu begründen? Bilden die Texte, die unter Subgenres wie Avantgarde-Roman, Prosa-Gedicht, Nouveau Roman, Postavantgarde-Roman, Erinnerungsroman, Kriminalroman, etc. firmieren, tatsächlich kohärente Ensembles, oder überwiegen ihre singulären Eigenschaften? Wie kann eine methodische Dialektik zwischen quantitativem Überblick und qualitativer Einzelanalyse produktiv werden? Das Spannungsfeld zwischen auf statistischer Basis gewonnenen Textgruppen und vorliegenden literaturgeschichtlichen Einordnungen ergibt in dieser Hinsicht ohne Zweifel Stoff für anregende Diskussionen.
Als Untersuchungsgegenstände für die genannten und weitere Fragestellungen und ihre Bearbeitung aus beiden Perspektiven bieten sich zum einen die Prosawerke von AutorInnen an, die den Roman als Gattung in eine neue oder individuelle Richtung gelenkt haben. Das Spektrum kann hier-bei von Gide, Proust über Sarraute, Robbe-Grillet, Simon, Duras, Butor, Perec bis hin zu Manchette, Daeninckx, Bon, Echenoz, Toussaint, NDiaye, etc. reichen. Zum anderen denken wir an Texte von AutorInnen, die andere Formen der Prosa genutzt oder weiterentwickelt haben oder ganz neue Formen erfunden haben, und die zum Beispiel aus dem Kontext der Avantgarden stammen, wie Leiris, Picasso, Duchamp, Cahun, Ponge etc. Diese Liste ließe sich verlängern und wir sind gespannt auf neue Vorschläge, die idealerweise ein großes Spektrum an Subgenres der modernen französischen Prosa abdecken und die Transgression von Medien und Genres exemplarisch darstellen.
Bibliographie:
Combe, Dominique. “La stylistique des genres.” Langue française 135/1, 2002, 33-49.
Genette, Gérard. Discours du récit, éditions Points, coll. « Essais », Paris, 2007 [1972, 1983].
Hempfer, Klaus W. (Hg.). Sprachen der Lyrik. Von der Antike bis zur digitalen Poesie. Stuttgart 2008.
Jannidis, Fotis. “Methoden der computergestützten Textanalyse.” In Methoden der literatur-und kulturwissenschaftlichen Textanalyse, hg. von Ansgar Nünning & Vera Nünning. Stuttgart & Weimar: Metzler, 2010, 109-32.
Jockers, Matthew L. Macroanalysis. Digital Methods and Literary History. Champaign, IL: University of Illinois Press, 2013.
Matzat, Wolfgang. Perspektiven des Romans: Raum, Zeit, Gesellschaft : ein romanistischer Beitrag zur Gattungstheorie. Stuttgart: Metzler, 2014.
Rabatel, Alain. La Construction textuelle du point de vue. Lausanne-Paris: Delachaux & Niestlé, 1998.
Rajewski, Irina, O. Intermedialität, Tübingen 2002.
Ramsay, Stephen. Reading Machines : Toward an Algorithmic Criticism. Urbana Ill.: University of Illinois Press, 2011.
Spielmann, Yvonne. „Intermedialität und Hybridisierung“ In Roger Lüdeke/ Erika Greber (Hgg.): Intermedium Literatur. Beiträge zu einer Medientheorie der Literaturwissenschaft. Göttingen: Wallstein, 2004, S. 78-102.
Zeitplan (zuletzt aktualisiert am 24.9.2016)
Raum: Campus Saarbrücken, Bereich E, Gebäude E2.6, Raum 1.06
Karte: http://osm.org/go/0DYAWTL2I-?way=40555101
Donnerstag, 29.09.2016
9.00 – 9.45 Nanette Rißler-Pipka/ Christof Schöch: Einleitende Vorbemerkungen zur Sektion
9.45 – 10.30 Volker Roloff: Neue Formen autobiographischer und automedialer Prosa (mit Anmerkungen zu Barthes, Robbe-Grillet und zum Surrealismus)
10.30 – 11.00 Kaffeepause
11.00 – 12.00 Plenarvortrag (Hörsaal)
12.30 – 14.30 Mittagspause
14.30 – 15.15 Eberhard Geisler: Auf dem Weg zum Action Painting. Die Kurzprosa von Henri Michaux
15.15 – 16.00 Robert Lukenda: „Le roman vrai de la société d’aujourd’hui“ – das Literaturprojekt Raconter la vie
16.00 – 16.30 Kaffeepause
16.30 – 17.15 Wolfgang Asholt: Transgressionen von Subgattungen in den Romanen von Yves Ravey
17.15 – 18.00 Susanne Schlünder: Genre- und Medienspiele bei Tanguy Viel
18.00 – 20.00 Mitgliederversammlung (Hörsaal)
ab 20.00 Lesung mit Jean-Philippe Toussaint (Rathaus Sankt Johann; Karte: http://osm.org/go/0DSqk9tQ~?way=125594313 )
ab 21.15 Treffen bei Tapas und Wein im “Viva Zapata”, Mainzer Straße 8; Karte: http://osm.org/go/0DSqmF6bC?node=833406972 und Webseite: http://www.vivazapata.info/ )
Freitag, 30.09.2016
9.00 – 9.45 Angelika Groß: La zone grise de L’Art français de la guerre (2011) d’Alexis Jenni : Transgressions de limites formelles et thématiques
9.45 – 10.30 Isabel Maurer Queipo: Les jeux narratifs d’Amélie Nothomb
10.30 – 11.00 Kaffeepause
11.00 – 12.00 Plenarvortrag (Hörsaal)
12.30 – 14.30 Mittagspause
14.30 – 15.15 Alexandre Gefen: Ce que le numérique fait à la littérature
15.15 – 16.00 Christof Schöch: La différentiation des genres romanesques chez Georges Simenon (Folien: https://christofs.github.io/simenon-frt/#/)
16.00 – 16.30 Kaffeepause
16.30 – 17.15 Astrid Ruffa: Le surréalisme, entre récit et fantasme du récit : les proses de Breton et Dalí
17.15 – 18.00 Nanette Rißler-Pipka: Picasso et son esthétique numérique
ab 18.00: Abschlussdiskussion und Sektionsende
Samstag, 01.10.2016
(Am Samstag findet kein Sektionsprogramm mehr statt.)
Die folgenden Beiträge müssen leider ausfallen
- Lars Schneider: This is hardcore: zum Medien- und Genremix in Virginie Despentes’ Baise-moi
- Andreas Gelz: La relation entre récit et roman selon et après Blanchot
- Sabine Friedrich: Transmediale Erzählformate und “Les nouvelles écritures” als Herausforderung für die Narratologieforschung
Verbundene Projekte / Publikationen
Verbundene Meldungen
Anmerkungen
keine
- Ersteller des Eintrags
- Christof Schöch
- Erstellungsdatum
- Freitag, 30. September 2016, 10:22 Uhr
- Letzte Änderung
- Freitag, 30. September 2016, 10:22 Uhr