Vom Imaginieren eines Raumes (Promotionsprojekt)

Das postkoloniale Indochina als literarisches Konstrukt


Allgemeine Angaben

Projektbeginn
Samstag, 01. Dezember 2007
Projektende
Dienstag, 31. Juli 2012
Status
abgeschlossen
Hochschule
Universität Erfurt; Université de Paris Ouest Nanterre La Défense
Stadt der Hochschule
Erfurt; Paris
Thematik nach Sprachen
Französisch
Disziplin(en)
Literaturwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft
Schlagwörter
Indochina, Laos, Kambodscha, Vietnam, Kolonialismus, Film, Literatur, Raum, Topographie

Aktiv beteiligte Person(en)

(z.B. Kooperation, Mitarbeiter, Fellows)

Ninon Franziska Frank

Passiv beteiligte Person(en)

(z.B. Betreuer, Berater)

Jörg DünneJean-Marc Moura


Exposé

„Außer auf der Leinwand in Paris habe ich kein Land gesehen, das Indochina heißt.“ (Yoko Tawada: Das nackte Auge)

Bereits der Begriff Indochina ist mehrdeutig. Der Text, aus dem das Mottozitat dieses Projekts stammt, greift dies auf, indem die „wirkliche“ Existenz eines Land mit diesem Namen in Frage gestellt wird und
stattdessen eine Verortung in einem medialen Raum, der nur von einem Land – Frankreich – aus wahrnehmbar
ist. Den medialen Transpositionen des ehemals realen politischen Konstrukts Indochina in den Film und in die Literatur in Frankreich will dieses Promotionsprojekt nachgehen.

Der Name Indochina, um den die hier untersuchten Texte kreisen, verweist zunächst auf die geographische Zuordnung der Halbinsel zwischen Indien und China, was gleichzeitig die Etymologie des Begriffes erklärt. Ein Teil dieses Gebietes, nämlich die heutigen Länder Laos, Kambodscha und Vietnam, gehörte zwischen 1858 und 1954 zum französischen Kolonialreich und trug die Bezeichnung Indochine française.

Das hinzugefügte und der Differenzierung dienende Attribut wird meist weggelassen, so dass ein Oszillieren zwischen einem geographischen, bis heute bestehenden Raum und einer vergangenen kolonialpolitischen Topographie, folglich zwischen einem Signifikanten und zwei Signifikaten entsteht.

Bezieht man beide Ideen nun auf das Zitat aus Yoko Tawadas Erzählung „Das nackte Auge“, so wird deutlich, dass die Halbinsel, auf der mehrere Staaten zu finden sind, nicht das Indochina ist, von dem hier gesprochen wird. Vielmehr wird die Kolonialisierung an ihren Ausgangspunkt zurückgeführt. Tawada verortet ein indochinesisches Land, welches neben der Lokalisierung auch politische und kulturelle Ebenen in sich birgt, aber heute nicht mehr existiert, in Frankreich. Indochina wird zu einer französischen Konstruktion.

Dabei wird deutlich, dass sich das dort genannte Indochine weder auf das naturräumliche Territorium noch auf den kolonialen politischen Raum bezieht, der zu Frankreich gehört, sondern dass es zu Beginn des 21. Jahrhunderts offensichtlich als ein imaginäres Konstrukt ausgewiesen ist, das bestimmter Medien bedarf, um sich überhaupt zu konstituieren – Medien, die ein Erscheinen des imaginären Territoriums Indochina ermöglichen, wie z.B. der hier genannte Film, aber auch Medien, die diese Konstruktion beobachten, wie Yoko Tawadas Erzählerin im Rahmen eines fiktionalen Textes.

Die Frage, der hier nachgegangen werden soll, dass die literarischen Texte, die in diesem Projekt untersucht werden, ist, ob bzw. in welcher Form nach Ende der politischen Realität der Indochine française diese im Kino oder in der Literatur der Gegenwart weiter existiert – inwiefern sich also die genannten Medien an der Perpetuierung kolonialer französischer Ideologie in einem imaginären Erinnerungsraum beteiligen bzw. inwiefern sie die imaginäre Konstruktion des kolonialen Indochina hinterfragbar machen bzw. dekonstruieren.

Das Zitat aus Tawadas Erzählung steht hier exemplarisch für die Imagination, in der eine Aneignung von Fremdheit erfolgt. Diese kann gelingen, ist aber fraglich. Genau darin findet sich der Ansatzpunkt für dieses Projekt.


Anmerkungen

Gefördert durch ein Stipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung
Projekt der Plattform “Weltregionen und Interaktionen – Area Studies Transregional” an der Universität Erfurt
Promotion im Cotutelle-Verfahren

Ersteller des Eintrags
Ninon Franziska Frank
Erstellungsdatum
Donnerstag, 18. November 2010, 16:35 Uhr
Letzte Änderung
Donnerstag, 18. November 2010, 16:35 Uhr