Der Erwerb des Subjekts in (Nicht-)Nullsubjektsprachen (Dissertation)

Die Rolle des Spracheneinflusses und der Sprachdominanz bei bilingual deutsch-italienisch, deutsch-spanisch und französisch-italienisch aufwachsenden Kindern


Allgemeine Angaben

Autor(en)

Marisa Patuto

Verlag
Narr
Stadt
Tübingen
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Stadt der Hochschule
Wuppertal, Deutschland
Publikationsdatum
2012
Abgabedatum
Dezember 2011
Reihe
Tübinger Beiträge zur Linguistik 534
Weiterführender Link
http://www.narr-shop.de/index.php/catalogsearch/result/?q=patuto
ISBN
978-3-8233-6750-5 ( im KVK suchen )
Thematik nach Sprachen
Französisch, Italienisch, Spanisch, Deutsch
Disziplin(en)
Sprachwissenschaft
Schlagwörter
Generative Grammatik, Bilingualer Erstspracherwerb, (Nicht-)Nullsubjektsprachen, Spracheneinfluss, Sprachdominanz

Betreuer

Prof. Dr. Aafke HulkProf. Dr. Natascha Müller


Exposé

Die Dissertation beschäftigt sich mit dem Subjekterwerb bei zweisprachig aufwachsenden Kindern, die von Geburt an simultan zwei Erstsprachen erwerben. Die Arbeit behandelt ein sehr komplexes und in der einschlägigen Literatur kontrovers diskutiertes Thema und geht insbesondere der Fragestellung nach, inwieweit bilinguale Kinder zwei separate Kompetenzen aufbauen und zwischen sprachspezifischen Strukturen unterscheiden können.
Vor diesem Hintergrund wird der Erwerb eines bestimmten grammatischen Phänomens, des grammatischen (Null-)Subjekts, in den Sprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Spanisch diskutiert. Die empirische Untersuchung basiert auf einem Vergleich unterschiedlicher Sprachkombinationen (Deutsch-Italienisch, Deutsch-Spanisch und Französisch-Italienisch) und setzt sich mit spontan geäußertem Sprachmaterial von jeweils zwölf monolingualen und bilingualen Longitudinalstudien auseinander. Die monolingualen und bilingualen Individuen sind zwischen einem Alter von eineinhalb und fünf Jahren analysiert worden, wobei die Datenbasis auf insgesamt 94.076 analysierten Äußerungen beruht.
Im Hinblick auf die Fragestellung, inwieweit bilingual aufwachsende Kinder zwischen ihren beiden Erstsprachen unterscheiden können, sind vordergründig der Spracheneinfluss, die Sprachdominanz und die Sprachkombination thematisiert worden. In Anlehnung an die linguistische Literatur werden Hypothesen entwickelt, die es anhand einer sowohl quantitativ als auch qualitativ ausgerichteten Studie zu überprüfen gilt. Die Arbeit vertritt den Standpunkt, dass rein linguistische Faktoren den Erwerb eines grammatischen Phänomens steuern und dass die Beeinflussung der koexistierenden Sprachsysteme unabhängig von der individuellen Sprachdominanz erfolgt. In der Mehrsprachigkeitsforschung wird unter dem Dominanzbegriff der Umstand verstanden, dass bilingual aufwachsende Kinder eine stärkere, eine sich schneller entwickelnde bzw. eine schwächere, eine sich langsamer entwickelnde Sprache erwerben und somit eine sprachliche Unausgeglichenheit aufweisen. Da die bilingualen Individuen simultan eine Nullsubjekt- (Italienisch, Spanisch) und eine Nicht-Nullsubjektsprache (Deutsch, Französisch) erwerben, kann überprüft werden, inwieweit bilinguale Kinder zwischen affinen bzw. typologisch divergenten syntaktischen Analysen unterscheiden können. Da die bilingualen Kinderdaten nicht nur mit der jeweiligen monolingualen Kontrollgruppe, sondern auch im gesamten bilingualen Korpus untereinander verglichen werden, können robuste Aussagen über die Einflussanfälligkeit der jeweiligen Sprachkombination formuliert werden.
Die Forschungsarbeit kommt zu dem Ergebnis, dass nicht die Sprachdominanz, sondern die Sprachkombination für den Erwerb des grammatischen (Null-)Subjekts relevant ist. Diese Beobachtung ist insofern interessant und unerwartet, als im Rahmen der Mehrsprachigkeitsforschung aus einer traditionellen Perspektive für einen beschleunigten Erwerb in der starken Sprache des bilingualen Kindes argumentiert wird. Unter der Fragestellung einer potenziellen Korrelation zwischen dem Subjekterwerb und der Sprachdominanz werden die erhobenen Kinderdaten statistisch evaluiert. Die Berechnungen belegen, dass der Subjekterwerb nicht mit der individuellen sprachlichen Balance korreliert. Darüber hinaus verarbeiten bilinguale Kinder syntaktische Strukturen statistisch signifikant schneller als monolinguale Kinder, da sie aufgrund ihrer Bilingualität über ein größeres Repertoire an kognitiven Verarbeitungsressourcen verfügen. Diese Feststellung ist ebenfalls unerwartet und bringt ein gesellschaftsrelevantes Ergebnis hervor, da die in der Gesellschaft häufig negativ konnotierte Mehrsprachigkeit auch positive Effekte auf den Erwerb bestimmter grammatischer Strukturen auszulösen scheint. Schließlich hat die vorliegende Dissertation mit der Erforschung der französisch-italienischen Sprachkombination – wenn auch nur für einen bestimmten grammatischen Bereich – auf nationaler und internationaler Ebene dazu beigetragen, eine wissenschaftliche Lücke im Rahmen der sprachwissenschaftlichen Forschung zu schließen.

Inhalt

Danksagung

0 Einleitung

1 Bilinguismus
1.1 Definitionen des Bilinguismus
1.2 Bilinguismus und native competence
1.3 Bilinguismus, Bilingualität und Diglossie
1.4 Kindlicher Bilinguismus
1.5 Studien zum kindlichen Bilinguismus
1.5.1 Die Hamburger und Wuppertaler Forschungsprojekte
1.5.2 Der Subjekterwerb im Hamburger und Wuppertaler Forschungsprojekt
1.6 Spracherwerbstheorien im generativen Grammatikmodell
1.6.1 Computational Complexity Hypothesis
1.6.2 Truncation Approach
1.6.3 Unique Checking Constraint

2 Sprachentrennung und Spracheneinfluss
2.1 Spracheneinfluss im bilingualen Erstspracherwerb
2.1.1 Kriterien für Spracheneinfluss
2.1.2 Komplexitätskriterien
2.1.3 Formen von Spracheneinfluss
2.2 Sprachmischungen und Sprachdifferenzierung
2.3 Sprachentrennung ohne Spracheneinfluss
2.4 Sprachentrennung mit Spracheneinfluss
2.5 Das Konzept der Kompetenz und Performanz
2.6 Spracheneinfluss: Performanz- oder kompetenzbasiert?
2.7 Vorhersagen für den bilingualen Erstspracherwerb

3 Das Phänomen der Sprachdominanz
3.1 Sprachdominanz und der bilinguale Erstspracherwerb
3.1.1 Sprachdominanz und Sprachmischungen
3.1.2 Sprachdominanz und der sukzessive Spracherwerb
3.2 Kriterien zur Bestimmung der Sprachdominanz
3.3 Sprachdominanz und Spracheneinfluss
3.4 Die Korrelation zwischen Input, Unbalanciertheit und Spracherwerb
3.5 Vorhersagen für den bilingualen Erstspracherwerb

4 Theoretischer Rahmen: Grammatiktheorien und Zielsysteme
4.1 Die generative Grammatik
4.2 Das Prinzipien- und Parametermodell
4.2.1 Der Spracherwerb und die Universalgrammatik
4.2.2 Pro-drop in der generativen Grammatik
4.3 Das Minimalistische Programm
4.4 Beschreibung der Zielsysteme
4.4.1 Das Subjekt im Italienischen
4.4.2 Das Subjekt im Spanischen
4.4.3 Das Subjekt im Französischen
4.4.4 Das Subjekt im Deutschen
4.4.5 Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Zielsysteme
4.5 Subjektauslassungen und -realisierungen im Erwachsenensystem
4.6 Vorhersagen für den bilingualen Erstspracherwerb

5 Methodik: Vorstellung und Auswahl der Daten
5.1 Vorstellung der monolingualen Studie
5.1.1 Monolingual italienisch aufwachsende Kinder
5.1.2 Monolingual spanisch aufwachsende Kinder
5.1.3 Monolingual französisch aufwachsende Kinder
5.1.4 Monolingual deutsch aufwachsende Kinder
5.2 Vorstellung der bilingualen Studie
5.2.1 Sprachdominanz im bilingualen Erstspracherwerb
5.2.2 Bilingual deutsch-italienisch aufwachsende Kinder
5.2.3 Bilingual deutsch-spanisch aufwachsende Kinder
5.2.4 Bilingual französisch-italienisch aufwachsende Kinder

6 Quantitative Untersuchung der Longitudinalstudien: Die Realisierung der Subjektposition im monolingualen und bilingualen Erstspracherwerb
6.1 Der Subjekterwerb der monolingual italienischen Kinder
6.1.1 Realisierung der Subjektposition der italienischen Kinder
6.1.2 Subjektauslassungen der italienischen Kinder
6.2 Der Subjekterwerb der monolingual spanischen Kinder
6.2.1 Realisierung der Subjektposition der spanischen Kinder
6.2.2 Subjektauslassungen der spanischen Kinder
6.3 Der Subjekterwerb der monolingual französischen Kinder
6.3.1 Realisierung der Subjektposition der französischen Kinder
6.3.2 Subjektauslassungen der französischen Kinder
6.4 Der Subjekterwerb der monolingual deutschen Kinder
6.4.1 Realisierung der Subjektposition der deutschen Kinder
6.4.2 Subjektauslassungen der deutschen Kinder
6.5 Ergebnisse der monolingualen Studie
6.6 Der Subjekterwerb der deutsch-italienischen Kinder
6.6.1 Realisierung der Subjektposition der deutsch-italienischen Kinder
6.6.2 Subjektrealisierungen der deutsch-italienischen Kinder
6.6.3 Subjektauslassungen der deutsch-italienischen Kinder
6.7 Der Subjekterwerb der deutsch-spanischen Kinder
6.7.1 Realisierung der Subjektposition der deutsch-spanischen Kinder
6.7.2 Subjektrealisierungen der deutsch-spanischen Kinder
6.7.3 Subjektauslassungen der deutsch-spanischen Kinder
6.8 Der Subjekterwerb der französisch-italienischen Kinder
6.8.1 Realisierung der Subjektposition der französisch-italienischen Kinder
6.8.2 Subjektrealisierungen der französisch-italienischen Kinder
6.8.3 Subjektauslassungen der französisch-italienischen Kinder
6.9 Ergebnisse der bilingualen Studie

7 Qualitative Untersuchung der Longitudinalstudien: Der personenspezifische Subjekterwerb im monolingualen und bilingualen Individuum
7.1 Monolingual italienisch aufwachsende Kinder
7.2 Monolingual spanisch aufwachsende Kinder
7.3 Monolingual französisch aufwachsende Kinder
7.4 Monolingual deutsch aufwachsende Kinder
7.5 Ergebnisse der monolingualen Studie
7.6 Auslassungen der bilingualen Kinder in den Nullsubjektsprachen
7.7 Auslassungen der bilingualen Kinder in den Nicht-Nullsubjektsprachen
7.8 Ergebnisse der bilingualen Studie

8 Diskussion der Untersuchungsergebnisse: Der Subjekterwerb in den Zielprachen
8.1 Realisierung der Subjektposition im monolingualen und bilingualen Individuum
8.1.1 Die Trunkations-Hypothese
8.1.2 Priming im Deutschen der bilingualen Kinder
8.2 Personenspezifischer Subjekterwerb im monolingualen und bilingualen Individuum
8.2.1 Der Informationsgehalt der grammatischen Person
8.2.2 Die Natur der Subjektpronomina im syntaktischen Rahmen
8.2.3 Subjektpronomina und agreement
8.3 Relevanz der Ergebnisse für die Diskussion von Spracheneinfluss und Sprachdominanz

9 Zusammenfassung und Ausblick

10 Literatur

Anhang


Anmerkungen

keine

Ersteller des Eintrags
Marisa Patuto
Erstellungsdatum
Mittwoch, 06. Februar 2013, 12:31 Uhr
Letzte Änderung
Mittwoch, 06. Februar 2013, 12:31 Uhr