Kultureller Kannibalismus. Übersetzungen der Anthropophagie (Monographie)


Allgemeine Angaben

Autor(en)

Melanie Strasser

Verlag
Königshausen & Neumann
Stadt
Würzburg
Stadt der Hochschule
Wien
Publikationsdatum
2023
Weiterführender Link
https://verlag.koenigshausen-neumann.de/product/9783826077289-kultureller-kannibalismus/
ISBN
978-3-8260-7728-9 ( im KVK suchen )
Thematik nach Sprachen
Portugiesisch
Disziplin(en)
Medien-/Kulturwissenschaft
Schlagwörter
Modernismus, Anthropologie, Brasilien, Übersetzungstheorie, Haroldo de Campos, Kannibalismus, Anthropophagie

Exposé

Die Studie mit dem Titel Kultureller Kannibalismus. Übersetzungen der Anthropophagie sucht die Entwicklung der Anthropophagie – als Metapher für die Einverleibung und Transformation des Anderen – von ihren Anfängen bis zur Gegenwart nachzuzeichnen und dabei insbesondere im Hinblick auf ihr Verhältnis zum Prozess des Übersetzens zu reflektieren. Im brasilianischen Modernismus der 1920er Jahre steht der proklamierte kulturelle Kannibalismus – ein Jahrhundert nach der Unabhängigkeit von Portugal – vornehmlich im Dienst der Konstruktion einer eigenen kulturellen und nationalen Identität als Reaktion auf die jahrhundertelange Kolonialisierung; die Einverleibung europäischer kultureller Güter wird als Medium des Widerstands gegen die nach wie vor wirksame europäische Vorherrschaft in Kunst, Literatur und Kultur zelebriert. In Oswald de Andrades «Anthropophagem Manifest» (1928) wird der ‹böse Wilde›, der widerspenstige, aufsässige Menschenfresser und Verschlinger des Europäers – in gezieltem Gegensatz zu Rousseaus ‹bon sauvage› und der romantischen Idealisierung des edlen und unterwürfigen Indios – zum Symbol für Transkulturation schlechthin. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird Anthropophagie zum Paradigma brasilianischer Kultur und Theorie. Vornehmlich durch die Arbeiten von Haroldo de Campos hält die Metapher der Anthropophagie als poetologisches Modell kultureller Aneignung Einzug in den akademischen Diskurs, und ab den 1990er Jahren findet das Schlagwort eines ‹kannibalischen Übersetzens› auch Eingang in die Translationswissenschaft. Der kannibalische Tabubruch in seinem Zugleich von Liebe und Hass, vom Tod des Objekts und dessen Wiederauferstehung in anderer Form, fordert nicht nur psychoanalytische Reflexionen geradezu heraus, sondern erweist sich als paradigmatisch für eine Reflexion des Verhältnisses von Original und Übersetzung. Die Fragen, denen das vorliegende Dissertationsprojekt nachgeht, sind folgende: Lässt sich das Lesen und Übersetzen des Anderen als Akt des Verschlingens denken? Welche Möglichkeiten, etwa in Bezug auf die Überwindung der traditionellen Hierarchie von Original und Übersetzung, aber auch welche Probleme birgt der Begriff eines kannibalischen Übersetzens? Welche ethischen und politischen Implikationen ergeben sich in Bezug auf das Verhältnis von Identität und Differenz? Steht Kannibalismus aufgrund der ihm inhärenten Gewalt nicht auch stets im Zeichen des Verlusts – des Eigenen wie des Fremden –, des Scheiterns an der Aufgabe des Übersetzers, letztlich im Zeichen der Sprachlosigkeit? Lässt sich die Aporie, in die die Einverleibung des Anderen letzten Endes mündet, mithilfe der anthropologischen Dimension eines indigenen Denkens auflösen?


Anmerkungen

keine

Ersteller des Eintrags
Melanie Strasser
Erstellungsdatum
Freitag, 12. Mai 2023, 09:31 Uhr
Letzte Änderung
Sonntag, 14. Mai 2023, 22:09 Uhr