Priscians Darstellung des silbisch gebundenen Tonhöhenmorenakzents des Lateinischen (Monographie)

Lateinischer Text und kommentierte deutsche Übersetzung


Allgemeine Angaben

Autor(en)

Axel Schönberger

Verlag
Valentia
Stadt
Frankfurt am Main
Publikationsdatum
2010
Auflage
1
Reihe
Bibliotheca Romanica et Latina; 13
ISBN
978-3-936132-11-3 ( im KVK suchen )
Thematik nach Sprachen
Sprachübergreifend, Latein
Disziplin(en)
Sprachwissenschaft
Schlagwörter
Prosodie, Diomedes, Servius, Archaisches Latein, Quintilianus, Aulus Gellius, Aelius Donatus, Maximus Victorinus, Sergius, Martianus Capella, Cledonius, Pompeius, Codex Bernensis 83, Klassisches Latein

Exposé

Das deutsch- und englischsprachige Schrifttum des 20. Jahrhunderts über den lateinischen Akzent ist zum großen Teil fehlerbehaftet und bedarf der Korrektur. Dies gilt sowohl für latinistische als auch für romanistische Darstellungen. Demgegenüber ist Priscians Abhandlung über den Wortakzent des klassischen Lateins – einen triftigen Grund, ihm die Urheberschaft, von der man jahrhundertelang ausging, abzusprechen, vermag ich trotz aller bisher vorgebrachten Einwände nicht zu erkennen – präzise und zutreffend, sie stimmt mit einer Vielzahl weiterer Belege aus der Antike überein, von denen ich eine Auswahl – darunter auch Stellen aus weiteren Werken Priscians – in den Anhang aufnehme und jeweils kommentierend übersetze. Im Vergleich erweist sich, daß der in vorliegender Abhandlung erstmals in eine moderne Sprache übersetzte Traktat zwar einerseits Beispiele und Regeln aus einer älteren Grammatikertradition der Beschreibung des lateinischen Akzentes übernimmt, andererseits aber die wissenschaftliche Systematik des Herodianos, des Sohnes des Apollonios Dyskolos, konsequent auf seinen Beschreibungsgegenstand anwendet; hierin unterscheidet sich der Traktat wesentlich von den Darstellungen der anderen lateinischen Artigraphen. Auch wenn der Text an einigen Stellen, insbesondere am Ende, durchaus teilweise verstümmelt oder gekürzt wirkt, ist er somit insgesamt so aufgebaut, wie man es in der Tradition der beiden großen griechischen Grammatiker von Priscian erwarten darf, deren Methoden er bekanntlich als erster in die lateinische Grammatikographie einbrachte. Man kann zwar nicht ausschließen, daß der Traktat auf Grundlage einer entsprechenden Abhandlung Priscians von einem späteren Bearbeiter verfaßt worden sein könnte; Inhalt und Methode weisen jedoch auf Priscan hin.

Die unzureichende Behandlung des lateinischen Akzentes etwa in W. Sidney Allens einflußreichem, aber hinsichtlich der lateinischen Akzentuierung fehlerhaftem Büchlein Vox Latina: a Guide to the Pronunciation of Classical Latin (2. Auflage 1978) und anderen Darstellungen hatte und hat weitreichende Konsequenzen für mehrere Fachgebiete: Latinistische Untersuchungen zum Verhältnis eines vermeintlichen lateinischen Versakzentes zu einem falsch verstandenen Wortakzent sind großenteils zu revidieren, diachrone lautliche Entwicklungen des lateinischen Vokalismus teilweise anders als bisher zu erklären; viele vor allem deutsch- und englischsprachige romanistische Darstellungen verkennen die wahre Natur des Akzents des klassischen Lateins und beschreiben ihn unzutreffend als einen Silbenakzent, der lediglich auf der vor- oder drittletzten Silbe eines jeden Wortes vorgekommen sei; sogar indogermanistische Studien berücksichtigen meist nicht, daß das Lateinische noch bis mindestens ins erste nachchristliche Jahrhundert einen dem Sanskrit wie dem Griechischen sehr ähnlichen silbisch gebundenen Tonhöhenmorenakzent aufwies.

Zum lateinischen Akzent sind aus der Antike viele Beschreibungen überliefert, die im Kern allesamt übereinstimmen. Keineswegs wird dabei der lateinische Akzent, wie oft fälschlich behauptet (1), nach Regeln der griechischen Akzentuierung beschrieben, sondern er wird bei aller Ähnlichkeit, die sich aus der Sprachverwandtschaft der beiden altindogermanischen Sprachen ergibt, gerade im Unterschied zu dem anderen, weitaus komplexeren Regeln folgenden Betonungssystem des Griechischen analysiert. Zum Vergleich mit dem hier hauptsächlich zur Rede stehenden Traktat wähle ich entsprechende Stellen aus weiteren Werken Priscians sowie von Marcus Fabius Quintilianus (ca. 35-100 n. Chr.), Aulus Gellius (2. Jahrhundert n. Chr.), Diomedes (wahrscheinlich 4. Jahrhundert n. Chr.), Aelius Donatus (4. Jahrhundert n. Chr.), Marius Victorinus / Aelius Festus Asmonius (2) (4. Jahrhundert n. Chr.), Sergius/Servius (4./5. Jahrhundert n. Chr.), Martianus Capella (vermutlich 5. Jahrhundert n. Chr.), Cledonius (5. Jahrhundert n. Chr.), Pompeiius (5. Jahrhundert n. Chr.) sowie aus dem Codex Bernensis 83 (10. Jahrhundert n. Chr.) aus, anhand derer sich jeder interessierte Leser – die kommentierten Studienausgaben dieser Reihe sind in erster Linie für Romanistikstudenten mit geringen oder keinen Lateinkenntnissen gedacht und daher entsprechend aufbereitet – selbst ein Bild von der sich über Jahrhunderte erstreckenden antiken Lehre der lateinischen Akzentregeln machen mag (3).

Die Kenntnis der Akzentregeln des klassischen Lateins erklärt eine Reihe lautlicher Phänomene in der Entwicklung des Lateinischen und ist auch eine wesentliche Grundlage für die Erschließung des älteren Sprachzustands, bei dem der Akzent bei Vorliegen der Morenstruktur eines Choriambus, eines ersten oder vierten Päons oder eines Proceleumaticus wie im Sanskrit bis auf die viertletzte Silbe eines Wortes zurücktreten konnte. Eine Kenntnisnahme der in vorliegendem Buch versammelten und kommentierten Texte der antiken Grammatiker wird zu einer grundlegenden Neubewertung des lateinischen Akzents in der latinistischen, romanistischen und indogermanistischen Forschung und Lehre führen, auch wenn dies, wie in Geisteswissenschaften üblich, eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen dürfte.

Bremen und Frankfurt am Main, im September 2010
Axel Schönberger

Anmerkungen:

(1) Eindeutig falsch ist etwa der zweite Teil folgender Behauptung: «But in inspection it becomes clear that the Latin terminology is translated directly from the Greek […]; and more than this, in the grammarians’ accounts generally the whole detailed system of Greek accentuation is taken over and applied to Latin» (Allen, 2. Auflage 1978: 83-84).

(2) Die Grammatiken beider Autoren wurden vermutlich in ein Werk kompiliert und unter dem prestigeträchtigeren Namen des Marius Victorinus überliefert.

(3) Da insbesondere im deutschen Schulunterricht sowohl das Lateinische als auch das Griechische zumeist mit unhistorischen Aussprachen gelehrt und zudem mit deutscher Akzentuierung der ursprünglichen Betonungsstellen gesprochen werden (bisweilen werden noch nicht einmal diese bewahrt; es gibt sogar studierte Latinisten, die das erste Wort des ersten Verses der ersten Horaz-Ode mit falscher paroxytonaler Betonung Maecénās statt mit richtiger zirkumflektierter Endbetonung Maecēnâs lesen), ist es gerade für Studenten der Romanischen Philologie unerläßlich, sich von den im deutschen Lateinunterricht meist vermittelten falschen Vorstellungen bezüglich des Lateinischen zu lösen und zumindest in Annäherung zu verstehen zu versuchen, wie das klassische Latein tatsächlich ausgesprochen und betont wurde. Romanistische Darstellungen, die etwa eine fiktive Aussprache und Betonung des klassischen Lateins einem vermeintlich bereits frühen ‘Vulgärlatein’ gegenüberstellen, weisen in der Regel nicht wenige sachliche und methodische Fehler auf.

Inhalt

Vorwort: 7

Allgemeine Vorbemerkungen: 11

Text des Buches über den lateinischen Akzent (lateinisch und deutsch) nebst Erläuterungen: 23

Ergänztes Inhaltsverzeichnis zur deutschen Übertragung: 139

Zur Frage der Urheberschaft und Methodik des Traktats über den lateinischen Akzent: 147

Zum silbisch gebundenen Tonhöhenmorenakzent des Lateinischen: 157

Zur Behandlung des lateinischen Akzentes in ausgewählten Werken der deutschen Tradition: 171

Literaturverzeichnis in Auswahl: 179

Anhang 1: Lateinischer Text des Buches über den Akzent (Faksimile): 203

Anhang 2: Weitere Ausführungen Priscians zum lateinischen Akzent: 217

Anhang 3: Die Darstellung des lateinischen Akzents bei Quintilian: 317

Anhang 4: Bemerkungen zum lateinischen Akzent von Aulus Gellius: 329

Anhang 5: Die Darstellung des lateinischen Akzents bei Diomedes: 341

Anhang 6: Die Darstellung des lateinischen Akzents bei Donat: 379

Anhang 7: Die Darstellung des lateinischen Akzents bei Pseudo-Victorinus: 399

Anhang 8: Die Darstellung des lateinischen Akzents bei Sergius (Servius): 413

Anhang 9: Die Darstellung des lateinischen Akzents bei Martianus Capella: 447

Anhang 10: Die Darstellung des lateinischen Akzents bei Cledonius: 465

Anhang 11: Die Darstellung des lateinischen Akzents bei Pompeiius: 477

Anhang 12: Ein Akzentuierungsproblem aus dem Codex Bernensis 83: 503


Anmerkungen

Erste Übersetzung dieses Textes in eine moderne Sprache; fünfter Band der Gesamtausgabe der kommentierten deutschen Übersetzung Priscians; enthält auch weitere Originaltexte von Quintilian, Aulus Gellius, Diomedes, Donat, “Maximus Victorinus”, Sergius/Servius, Martianus Capella, Cledonius und Pompeius zur Prosodie des klassischen Lateins in kommentierter deutscher Übersetzung

Ersteller des Eintrags
Axel Schönberger
Erstellungsdatum
Mittwoch, 26. Januar 2011, 11:35 Uhr
Letzte Änderung
Mittwoch, 26. Januar 2011, 11:35 Uhr