Priscians Darstellung der lateinischen Präpositionen (Monographie)

Lateinischer Text und kommentierte deutsche Übersetzung des 14. Buches der Institutiones Grammaticae


Allgemeine Angaben

Autor(en)

Axel Schönberger

Verlag
Valentia
Stadt
Frankfurt am Main
Publikationsdatum
2008
Auflage
1
Reihe
Bibliotheca Romanica et Latina, Band 5
ISBN
978-3-936132-18-2 ( im KVK suchen )
Thematik nach Sprachen
Sprachübergreifend, Latein
Disziplin(en)
Sprachwissenschaft, Latinistik
Schlagwörter
Grammatikographie

Exposé

Im deutschen Sprachraum ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit der lateinischen Sprache auf mehrere akademische Disziplinen verteilt. Die Indogermanistik untersucht insbesondere die ältesten Zeugnisse des Lateinischen im Vergleich zu anderen altindogermanischen Sprachen, die in Deutschland im Bereich der Altphilologie institutionell bisher kaum betriebene sprachwissenschaftliche Latinistik hat sowohl die Geschichte der lateinischen Sprache als lebendiger Volkssprache vom sechsten vorchristlichen bis etwa zum sechsten und siebten nachchristlichen Jahrhundert als auch Struktur und Funktion des schriftsprachlichen Lateins in Antike, Mittelalter und Neuzeit zum Untersuchungsgegenstand, die Romanistik interessiert sich in erster Linie für das Spätlateinische des sechsten und siebten nachchristlichen Jahrhunderts (1), aus dem – in Italien weitaus später als etwa in Nordfrankreich – circa vom achten bis zehnten Jahrhundert die romanischen Sprachen zu entstehen begannen, für das als lebendige Kommunikationssprache in bestimmten gesellschaftlichen Schichten fortlebende Latein des Mittelalters und der Neuzeit bis zur Aufklärung und Romantik, das parallel zu den romanischen Sprachen in Gebrauch war und diese bis zur Aufklärung enorm beeinflußte, sowie für die Rezeption des antiken Schriftlateins im ausgehenden Mittelalter und in der frühen Neuzeit, das seinerzeit im Zuge einer tiefgreifenden Relatinisierung großen Einfluß auf die Ausgestaltung der schriftsprachlichen Diskurstraditionen, Grammatik und Lexik der meisten romanischen Sprachen und auch anderer Sprachen wie beispielsweise des Deutschen nahm, und die Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft nähert sich dem Lateinischen in vielfältiger Weise, unter anderem mit typologischen Untersuchungen. Hinzu kommen Fachwissenschaften, die ihre eigene Tradition aufarbeiten und hierzu die Latinität des fachwissenschaftlichen Schrifttums vergangener Jahrhunderte erschließen müssen, sowie Disziplinen wie Theologie, Philosophie oder Jurisprudenz, die an eigenständiger sprachwissenschaftlicher Erforschung der Latinität aus methodischen und hermeneutischen Gründen nicht vorbeigehen können. Dies alles, so sollte man meinen, hätte doch sicherlich dazu führen müssen, daß das Lateinische eine der besterforschten Sprachen der Welt sei, zumal hinzukommt, daß es unter den altindogermanischen Sprachen eine Großcorpussprache mit einer geradezu überwältigenden Überlieferung an Textmaterial ist, darunter auch eine Vielzahl vor allem kaiserzeitlicher Inschriften, die als originale Textzeugen ihrer jeweiligen Zeit von besonderem dokumentarischem Wert sind.

Dennoch sind die meisten modernen Grammatiken des Lateinischen, auf die Neuphilologen wie Romanisten, Anglisten oder Germanisten zumeist vertrauensvoll zurückgreifen, für sprachwissenschaftliche Zwecke nicht ausreichend, teilweise sogar mangelhaft, und erfassen die komplexe Datenlage, die sich über mehr als ein Jahrtausend erstreckt, nicht hinreichend, weil ihre Verfasser oft keine Darstellung der lateinischen Sprache in ihrer diachronen (2), diatopischen und diastratischen (im Sinne von bildungs- und schichtspezifischen) Ausprägung anstreben, sondern in der Regel lediglich die rhetorisch durchformte Kunstsprache weniger Autoren der Schriftsprache, die sich zudem noch wie Marcus Tullius Cicero in ursprünglich griechische Diskurstraditionen konzeptionell schriftlicher Sprache einschrieben, zum Gegenstand haben und die in deren Texten enthaltene, teilweise kunstvoll-spielerisch manierierte Latinität als vermeintlich gültige Sprachnorm des Lateinischen par excellence ansetzen. Diese den Stand moderner Sprachwissenschaft ignorierende Sichtweise geht sogar so weit, daß in einem im Jahr 2000 erschienenen Lehrbuch der lateinischen Syntax und Semantik (3) als Corpus ausschließlich die erhaltenen Werke Caesars und Ciceros zugrundegelegt wurden, somit zweier Autoren, die gerade kein normales Latein schrieben, insofern Caesar als Autor einer grammatischen Schrift über die Analogie theoretische Grundsätze zur gestaltenden analogischen Umformung des sprachlichen Ausdrucks aufgestellt hatte, die er in seinen Werken auch teilweise umgesetzt zu haben scheint, und Cicero alleine durch seine überaus häufige Verwendung von in ursprünglich griechischer rhetorischer Tradition stehenden Prosaklauseln, Tropen und Figuren gerade nicht als typischer Sprecher des ‘normalen’ Lateinischen gelten darf, auch wenn freilich seine Werke, keineswegs diejenigen Caesars, durch den Einfluß Quintilians bestimmte schriftsprachliche Diskurstraditionen – allerdings nicht die Fachsprache der Lehrbücher (artes) und insbesondere nicht die lebendige Umgangssprache – des Lateinischen in den folgenden Jahrhunderten stark beeinflußten (4). In Gerhard Meisers Historische® Laut- und Formenlehre der lateinischen Sprache (5) wird etwa auf S. 2 faute de mieux eine gängige Periodisierung der lateinischen Sprache gegeben, die eine Periode der lateinischen Sprachgeschichte mit dem ersten Auftreten Ciceros als Redners im Jahre 81 vor Christus beginnen und mit dem Tode des Augustus im Jahre 14 nach Christus enden läßt. Daß derartige sprachexterne Daten keinerlei Aussagewert für eine Periodisierung der Geschichte einer Sprache haben, liegt auf der Hand. Daten für eine Periodisierung anhand innerer Merkmale der lateinischen Sprachentwicklung sind zur Genüge vorhanden, sie werden nur bisher nicht dafür genutzt. Im Umgang mit verschiedenen Nachschlagewerken der Klassischen Philologie ist somit für den sprachwissenschaftlich orientierten Neuphilologen eine gewisse Skepsis angebracht.

Aus der Antike sind nun auch eine Vielzahl lateinischer und griechischer Grammatiktraktate erhalten, die nicht nur für die sprachwissenschaftliche Latinistik, sondern vor allem auch für die romanische Sprachwissenschaft von größtem Interesse sind. Die meisten der lateinischen Grammatiker sind in der monumentalen Ausgabe der Grammatici Latini von Heinrich Keil versammelt. Als diese in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts veröffentlicht wurde, gehörte der lateinische Aufsatz noch zum Abitur und wurde das Lateinsprechen noch in lebendiger Tradition gepflegt, so daß die präzise und im Gegensatz etwa zum elaborierten Stile Ciceros zumeist unprätentiös schlicht, dafür aber terminologisch genau und leicht verständlich formulierten, fachsprachlichen Texte interessierten Lesern der Bildungsschicht unmittelbar im lateinischen Original zugänglich waren und keiner Übersetzung oder Erläuterung bedurften. Dies ist heute vielfach nicht mehr gegeben, da seit einigen Jahrzehnten auch Studenten ohne oder mit nur geringen Lateinkenntnissen geisteswissenschaftliche Studiengänge wählen, obgleich solide Lateinkenntnisse in den meisten von ihnen ebenso wichtig sind wie etwa Mathematikkenntnisse für die Naturwissenschaften. In einer Reihe universitärer Lehrveranstaltungen habe ich, als ich im Bereich der Romanischen Philologie an der Universität Bremen immer wieder auf die lateinischen Grammatiker zurückgriff, festgestellt, daß zum einen die heutzutage an Gymnasien nach der im Ergebnis geradezu katastrophalen ‘didaktischen Wende’ der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts vermittelten Lateinkenntnisse oft zu dürftig sind, um diese oder andere Texte im Original verstehend lesen zu können (6), und zum anderen offenbar die ‘trivialen’ Kenntnisse – also die Grundkenntnisse in Grammatik (einschließlich der Metrik), Rhetorik und Dialektik, die jahrhundertelang an den humanistischen Gymnasien erfolgreich vermittelt wurden –, anscheinend nicht mehr zum Lehrplan zählen und insofern auch die den Texten der antiken Sprachwissenschaftler zugrundeliegende Methodik zunächst einmal einer hinführenden Erklärung oder rekonstruktiven Kommentierung (7) bedarf (8).

Vor diesem Hintergrund entstand der Plan, für Studenten und Lehrende insbesondere der Romanischen Philologie alle zentralen Texte der antiken Grammatiker zu übersetzen und zu erläutern, damit einerseits Studierende mit Grundkenntnissen des Lateinischen und Altgriechischen – beide Sprachen sind nach wie vor unerläßliches Rüstzeug für eine tiefergehende wissenschaftliche Beschäftigung mit der Sprachgeschichte der romanischen Sprachen (9) – den Zugang zu ihnen finden, andererseits aber auch Studenten ohne Kenntnisse der klassischen Bildungssprachen nicht gänzlich von der Kenntnisnahme der antiken Fachliteratur ausgeschlossen bleiben. Ein solches Vorhaben ist notwendigerweise weit davon entfernt, das zu unternehmen, was zunächst einmal in philologischer Hinsicht erforderlich wäre, nämlich die Erstellung einer modernen textkritischen Ausgabe unter Heranziehung der wichtigsten Textzeugen zu besorgen.

Vorliegender Band macht mit dem vierzehnten Buch der monumentalen, insgesamt achtzehn Bücher umfassenden spätantiken Grammatik Priscians (um die Wende vom fünften zum sechsten Jahrhundert) den Anfang (10). Es gibt über achthundert Manuskripte allein dieser Grammatik Priscians mit gewissen Varianten; die hier von Vertretern der Latinistik noch zu leistende textkritische Arbeit wird ein einzelner kaum zu erbringen vermögen. Der Grundgedanke, der dieser Darstellung und allen weiteren, die folgen werden, zugrundeliegt, ist daher pragmatisch: Die Textausgaben der lateinischen Grammatiker, im vorliegenden Fall die der Institūtiones Grammaticae Priscians, welche von Vertretern der modernen Philologien rezipiert werden, sind gewöhnlich die in der von Heinrich Keil besorgten Ausgabe der Grammatici Latini versammelten Corpora; im Falle von Priscians Institūtiones Grammaticae ist es der Text in der von Martin(us) Hertz(ius) besorgten Edition, welche beinahe zwei Bände der Grammatici Latini einnimmt. Soweit ich es überblicke, wird dabei auch von Fachvertretern der Romanischen Philologie zumeist nur der Haupttext wahrgenommen und zitiert, die im textkritischen Apparat angegebenen Varianten werden von Romanisten bei Zitaten aus Priscians Grammatik kaum beachtet. Dies gilt auch, mit wenigen Ausnahmen (vor allem im Falle von Donat und von Terentianus Maurus), für die anderen in Keils Ausgabe versammelten Grammatikertexte. Ich habe mich daher dafür entschieden, in dieser Darstellung lediglich den Text der von Hertzius besorgten und 1858 veröffentlichten Ausgabe abzudrucken, ihn typographisch allerdings etwas anders zu gestalten, um eine (bisweilen des Verständnisses wegen freie) kommentierte deutsche Übersetzung zu ergänzen und all das, was meiner Erfahrung nach für Studenten der Romanischen Philologie mit durchschnittlichen oder nur sehr geringen Lateinkenntnissen Verständnisschwierigkeiten in sich bergen kann, in Anmerkungen zu kommentieren (11). Auf die Frage der Abhängigkeit – Priscian hat ältere, auf griechisch verfaßte Werke, deren Autoren, hauptsächlich Apollonios Dyskolos (2. Jahrhundert nach Christus) und dessen Sohn Herodianos, er auch explizit als seine Vorbilder, denen er meist gefolgt sei, benennt, zu großen Teilen wörtlich übersetzt oder paraphrasiert und, soweit erforderlich, an das Lateinische adaptiert, wobei er durchaus auch das Modell seiner Vorgänger verbessert und weiterentwickelt, wo ihm dies angezeigt erscheint (12), aber auch aus älteren lateinischen Grammatikern, vor allem aus den Werken des Flavius Caper (2. Jahrhundert nach Christus), geschöpft – wird hier nicht näher eingegangen.

Angestrebt ist somit eine Erschließung des Textes für Studenten neuerer Philologien, die von vorneherein nur den Anspruch erhebt, diejenige Fassung des Haupttextes, die in den Grammatici Latini publiziert steht und von ihren akademischen Lehrern zitiert zu werden pflegt, eben auch Interessenten mit nur geringen Lateinkenntnissen zugänglich zu machen, wobei sicherlich manche komplexe Sachverhalte auch mit allen Erläuterungshilfen für Leser mit nicht tiefgehenden Lateinkenntnissen wohl immer noch schwer verständlich bleiben werden. Latinisten indes benötigen ohnehin keine Übersetzung für die dem Kenner des Lateinischen unmittelbar zugänglichen, da sprachlich einfachen wie methodisch leicht verständlichen Texte. Vorliegende Übersetzung dürfte wohl eben aus diesem Grunde die erste Übertragung des 14. Buches von Priscians Grammatik ins Deutsche sein, die je veröffentlicht wurde. Übersetzungen in andere moderne Sprachen scheint es auch nicht zu geben, sie sind mir jedenfalls nicht bekannt.

[…]

Wenn ich mit diesem und folgenden Büchlein dieser Art – neben den einzelnen Bänden des «Priscianus Theodiscus» sollen auch die übrigen Texte der antiken Grammatiker in entsprechender Aufmachung erscheinen; die Vorarbeiten sind zu einem guten Teil abgeschlossen […] – dazu beitragen kann, daß vor allem Studierende der Romanischen Philologie und anderer moderner Philologien, die aus verschiedenen Gründen einen Zugang zu den antiken Grammatikern suchen, Sprache und Inhalt der alten Texte besser verstehen können, so ist es mir genug. Auch diejenigen Kollegen, die aus eigener Erfahrung wissen, wie verloren Studenten der Romanischen Philologie trotz formaler Latinumsbescheinigung oft wirken, wenn ihnen etwa Priscian-Exzerpte als zu lesendes und zu verstehendes Quellenmaterial vorgesetzt werden, werden es danken, daß nunmehr der Zugang zu zunächst einem der achtzehn Bücher seiner wissenschaftlichen Grammatik erleichtert ist. Wer mehr, etwa eine moderne textkritische Ausgabe Priscians, einfordert, mag ein solches Unterfangen selbst angehen.

Axel Schönberger


Erläuterungen zu Besonderheiten der Textgestaltung

Martin Hertz hat in seiner Textausgabe bei eindeutig metasprachlichem Gebrauch oft, aber nicht an allen Stellen, wo es angebracht gewesen wäre, einfache Anführungszeichen gebraucht. Entsprechende Beispiele erscheinen im neu gesetzten lateinischen Text kursiv. Belege oder zu einer Belegkette gehörende Ausdrücke werden kursiv, eingerückt und durchnumeriert angegeben. Im lateinischen Text werden der Übersichtlichkeit halber Autorangaben einfach, Werktitel doppelt unterstrichen. Im deutschen Text erfolgt keine besondere Hervorhebung für Autorangaben, Werktitel werden kursiv gesetzt. Der Text ist teilweise anders gegliedert (Hervorhebungen von Belegstellen, andere Absätze), die deutsche Übertragung hat der Übersichtlichkeit halber im Original nicht vorhandene Überschriften, die als Zusätze in eckigen Klammern erscheinen. Wie heute allgemein üblich, werden, wo dies unterschieden werden soll, mit Schrägstrichen Schreibungen, die Aussprache mit eckigen Klammern angegeben, z. B. graphisch /mihi/, phonetisch [mi:].

Bei griechischen Zitaten und Wörtern wird auch eine Umschrift angegeben; in dieser erscheint der Buchstabe «chi» seiner ursprünglichen attischen Aussprache gemäß als «kh» und nicht, wie meist üblich, als «ch» transkribiert. Zwar meint die auf antiken lateinischen Gebrauch zurückgehende Transkription von χ mit /ch/ eben die Aussprache als [kh], im deutschen Sprachraum wird diese Schreibung aber oft deutschen Aussprachegewohnheiten entsprechend falsch gelesen.

Lateinischer Text und deutsche Übersetzung werden im Druck parallel dargestellt. Dies führt, da auf den deutschen Text abgestellt wird, im Umbruch allerdings dazu, daß einerseits im lateinischen Text größere Abstände eingeschoben werden müssen, weil die deutsche Formulierung notgedrungen länger ausfällt, und andererseits in beiden Sprachen am Seitenende bisweilen auch dann ein Absatz entsteht, wenn ein solcher inhaltlich nicht beabsichtigt ist.

Die typographischen Abweichungen von Hertzens Textgestaltung sind in der Regel nicht eigens vermerkt; auch Hertz hat in seiner Ausgabe diesbezüglich eigene Akzente gesetzt. Die von ihm besorgte, zugrundeliegende textkritische Edition des 14. Buches kann im Anhang als Facsimile nachgelesen werden.

Die lateinische Sprache war zur Zeit Priscians in vielerlei Hinsicht weit von dem Lateinischen der Republik und der frühen Kaiserzeit entfernt, dessen Weiterentwicklung freilich in schriftsprachlicher Tradition und als mit höherem Prestige versehene Sprache der Gelehrten weiterhin in lebendiger Tradition schriftlich wie mündlich gepflegt wurde. Insbesondere im Vokalismus der gesprochenen Sprache hatten tiefgreifende Veränderungen dazu geführt, daß wohl niemand mehr mit ‘muttersprachlicher’ Kompetenz die in früheren Sprachstufen des Lateins phonologisch relevanten Vokalquantitäten sicher zu unterscheiden wußte; anhand des Studiums von Vergil und anderer Dichter pflegte man allerdings die Quantitäten der älteren Sprache zu erlernen. Insofern ist es keineswegs anachronistisch, bei Priscians Belegen und Beispielwörtern sowie den Präpositionen selbst die Vokalquantitäten der älteren Sprache anzugeben, obgleich sie zu seiner Zeit nur noch im Grammatik-, Rhetorik- und Metrikunterricht erlernt werden konnten, in der muttersprachlich gesprochenen Umgangssprache, dem vielfach ausdifferenzierten und weiterentwickelten Spätlatein, aber ohne Bedeutung waren. In geschlossenen (‘positionslangen’) Silben (13) ist es freilich nicht immer zweifelsfrei möglich, die Vokalquantität zu bestimmen, hier mußte in einigen Fällen eine Entscheidung getroffen werden. In anderen Fällen wurden ältere Langvokale im Laufe der Sprachgeschichte gekürzt, so daß bisweilen auch eine Wahl zwischen dem älteren und dem jüngeren Zustand erforderlich war. Gleichwohl scheint mir die Angabe der Vokalquantitäten – Diphthonge sind immer lang und müssen daher nicht mit einem diakritischen Zeichen versehen werden, Langvokale erhalten einen Längsstrich, Kurzvokale werden normalerweise nicht eigens markiert – unerläßlich, da ich eben aus Erfahrung weiß, daß Studenten mit einer Latinumsbescheinigung die lateinischen Vokalquantitäten oft nicht sicher beherrschen, obgleich sie deren Kenntnis für die historische romanische Sprachwissenschaft unbedingt benötigen und es aus Sicht der Universität unverantwortlich ist, daß viele Schullehrer hierauf keinen Wert legen. Bereits Hans Rheinfelder hat diesen Zustand beklagt, den der schulische Lateinunterricht in Deutschland zu verantworten hat (14) und der dazu führt, daß auch Abiturienten, die neun Jahre lang Latein auf der Schule gelernt haben, oft wesentliche Grundkenntnisse des Lateinischen für das Studium der romanischen Sprachwissenschaft in erschreckender Weise fehlen. Dafür sind jedoch nicht die Studenten verantwortlich zu machen, welche Romanische Philologie oder eine Einzeldisziplin der Romanistik studieren möchten und eben aufgrund der ihnen vorenthaltenen notwendigen Voraussetzungen vieles zunächst nicht verstehen können; sie werden es vielleicht zu danken wissen, wenn Darstellungen wie vorliegendes Büchlein auf ihre Bedürfnisse Rücksicht nehmen.

Anmerkungen:

(1) Von Unkenntnis der komplexen, bisher noch nicht hinreichend aufgearbeiteten Datenlage zeugt die bisweilen simplizifierend vereinfachende Behandlung eines vermeintlich relativ einheitlichen «Vulgärlateins» in manchen romanistischen Darstellungen. Angesichts des mittlerweile erreichten Kenntnisstandes der internationalen Forschung zum Spätlatein sind diesbezügliche ältere Vorstellungen etwa der Romanischen Philologie inzwischen ebensowenig haltbar wie neuere Ansätze, bereits für die ersten nachchristlichen Jahrhunderte ein «Proto-Romanisch» anzusetzen. Vgl. hierzu etwa József Herman: Du latin aux langues romanes II: nouvelles études de linguistique historique, réunies par Sándor Kiss avec une préface d’Alberto Varvaro, Tübingen: Niemeyer, 2006, S. 75: «[…] alors que le fantôme d’un ‘latin vulgaire’ considéré comme une langue autonome et véritable continue encore de hanter la recherche sous la plume de demi-lettrés de nos jours. Je souhaiterais mettre en évidence, plutôt, l’infinie complexité de ce latin ‘global’, tissu de variétés qui s’enchevêtrent et que nous commençons seulement à entrevoir.»
(2) Gerade der sprachgeschichtlichen Entwicklung waren sich indes in der Antike die Grammatiker und Rhetoren wohl bewußt; vgl. z. B. Quint. I, 6, 43: «Superest igitur consuetudo: nam fuerit paene ridiculum malle sermonem, quo locuti sunt homines, quam quo loquantur. et sane quid est aliud vetus sermo quam vetus loquendi consuetudo?» «Es bleibt also der Sprachgebrauch übrig: Es wäre daher beinahe lächerlich, lieber eine Sprache zu wollen, welche die Menschen sprachen, als diejenige, welche sie [jetzt] sprechen. Denn was ist eine alte Sprache anderes als ein alter Sprachgebrauch?» (siehe auch den bei Quintilian unmittelbar vorangehenden Abschnitt!). Oft hatte man in der Antike eine synchrone Sicht und zog das Latein der jeweiligen Zeit dem – teilweise als veraltet empfundenen – Sprachgebrauch früherer Autoren vor.
(3) Hermann Menge: Lehrbuch der lateinischen Syntax und Semantik, völlig neu bearbeitet von Thorsten Burkard und Markus Schauer, wissenschaftliche Beratung: Friedrich Maier, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2000; die ursprünglichen, tatsächlich von Hermann Menge verfaßten Auflagen des Repetitoriums der lateinischen Syntax und Stilistik, insbesondere die von Andreas Thierfelder besorgte Ausgabe, sind auch heute noch für Unterrichtszwecke brauchbare Materialsammlungen.
(4) Dennoch gibt es eine Vielzahl von Zeugnissen, daß man sich der Weiterentwicklung des Lateinischen nicht nur bewußt war, sondern das jeweils zeitgenössische Latein auch dem als altertümlich empfundenen Stil etwa Ciceros vorzog. Auch in methodischer Hinsicht gilt Priscians Diktum: «[…] grammatica ars […], cuius auctores, quanto sunt iuniores, tanto perspicaciores […]» «[…] die Grammatik […] deren Autoren desto scharfsinniger sind, je jünger sie sind […]» (aus dem ersten Satz des Vorworts zu den Institutiones Grammaticae). In der Tat gab es in der Sprachwissenschaft der römischen Kaiserzeit keinen Stillstand, wie in modernem Schrifttum bisweilen offenbar ohne genaue Quellenkenntnis behauptet wird, sondern eine stete Weiterentwicklung der sprachwissenschaftlichen Forschung. Priscian überblickt am Ende der Antike die relevante frühere Forschungsliteratur zur lateinischen Sprache von Varro bis zu seiner Zeit und entschließt sich aus guten Gründen, der wissenschaftlichen Methodik des Apollonios Dyskolos und des Herodianos Vorrang vor älteren Beschreibungsweisen der lateinischen Grammatiker einzuräumen.
(5) Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1998.
(6) Das Versagen des schulischen Lateinunterrichts im Zuge der Einführung neuer Lehrpläne und Lehrbücher nehmen seit Ende der achtziger Jahre viele Hochschullehrer mit wachsender Sorge zur Kenntnis (zur neuen «Lateinarmut» siehe Ludwig 1991), ist doch die Existenzberechtigung für schulischen Lateinunterricht nicht etwa dilettantisches Reden über das Altertum als ‘gymnasiale Altertumskunde’, sondern zuvörderst die Vermittlung möglichst guter Lateinkenntnisse, wie sie in sehr vielen geisteswissenschaftlichen Studiengängen nun einmal aus sachlichen Gründen erforderlich sind (vgl. Kramer 1998b). Mit der sogenannten ‘didaktischen Wende’ der achtziger Jahre scheint es sich so zu verhalten wie mit des Kaisers neuen Kleidern: Kaum jemand traut sich, die Wahrheit zu sagen, obgleich viele durchaus sehen, was Sache ist: Die neuen und vermeintlich effizienteren Methoden, denen die Lateinschüler derzeit bundesweit ausgesetzt sind, führen in Kombination mit reduzierten Stundentafeln im Ergebnis dazu, daß am Ende der Untersekunda (10. Klasse) nur wenige Schüler ein ausreichendes Textverständnis aufweisen und im Durchschnitt mindestens 80 % eines Jahrgangs das Fach Latein mit dem Ende der Mittelstufe abwählen. Einer der größten didaktischen Fehler liegt dabei in der vermeintlich modernen Konzeption, das Lateinische von Anfang an in Form zusammenhängender Texte unterrichten zu wollen.
(7) Siehe Schlieben-Lange (1989).
(8) Ganz anders war dagegen meine Lehrerfahrung am Fachbereich 9 der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main, wo ich auf Einladung des Indogermanisten und Allgemeinen Sprachwissenschaftlers Jost Gippert eine Reihe von Vorlesungen und Seminaren (zum Teil auch in lateinischer Sprache) über die Grammatici Latini hielt; die Frankfurter Studenten bewältigten auch große, anspruchsvolle Lektürepensen und verfügten über sehr gute Lateinkenntnisse, so daß es in manchen Seminaren sogar keiner Übersetzung bedurfte, weil die Texte – auch im Falle aller achtzehn Bücher Priscians – sogleich im Original verstanden wurden.
(9) Noch immer gilt unverändert das Diktum Heinrich Lausbergs: «Das Studium der romanischen Sprachwissenschaft setzt eine gute humanistische Schulbildung in den Bereichen der Sprache (Kenntnis des Griechischen, Lateinischen, Neufranzösischen, Englischen, Deutschen), der Geschichte und der Literatur sowie ein an der Mathematik geschultes Denkvermögen voraus.» (Heinrich Lausberg: Romanische Sprachwissenschaft, Band 1: Einleitung und Vokalismus, Berlin: de Gruyter & Co., 31969, S. 9).
(10) Priscians Tätigkeit als Professor für lateinische Grammatik fiel zumindest teilweise in die Regierungszeit des oströmischen Kaisers Anastasios I. (Regierungszeit: 491-518 nach Christus). Spätestens 527 lag seine große wissenschaftliche Grammatik des Lateinischen vor und wurde von seinem Schüler Theodoros kopiert; auf dessen Kopie scheinen die meisten, wenn nicht alle erhaltenen Handschriften zurückzugehen. Möglicherweise waren manche Überlieferungsfehler – so das Fehlen der Behandlung einiger zuvor genannter Präpositionen beim Akkusativ im 14. Buch – somit bereits in der Abschrift des Theodoros enthalten.
(11) Klassische Philologen mögen hier vieles überflüssig finden, aber für sie ist dieses Büchlein eben nicht verfaßt; sie werden den Text besser in der kritischen Ausgabe von Martin Hertz lesen, die im Anhang, soweit es das 14. Buch über die Präpositionen betrifft, auch im Facsimile beigeben ist.
Da die meisten Leser wohl nicht alle Anmerkungen von Anfang bis Ende zur Kenntnis nehmen werden, sind manche Erläuterungen (etwa zur Aussprache) an den jeweiligen Stellen auch mehrfach angebracht; man möge diese aus didaktischen Gründen gewollte Redundanz entschuldigen.
(12) So beispielsweise bei der Postulierung dreier Eigenschaften lateinischer Präpositionen und Präverbien, die er im Gegensatz zu seinen griechischen Vorbildern hervorhebt; dies sind die Umstände, daß manche Präpositionen auch eine bestimmte Eigenbedeutung aufweisen, einige nie univerbiert werden und andere nur univerbiert vorkommen (siehe S. 28-29).
(13) Die alte Unterscheidung langer und kurzer Silben durch die Metriker beruht lediglich auf dem Unterschied zwischen offenen und geschlossenen Silben im phonetischen Wort; phonetisch offene Silben mit kurzem Vokal sind kurz, phonetisch offene Silben mit langem Vokal oder Diphthong sowie alle geschlossenen Silben sind lang.
(14) Hans Rheinfelder: Altfranzösische Grammatik, zweiter Teil: Formenlehre, München: Hueber, 21976, S. XIII-XIV, rügt die «unlateinische Aussprache» des deutschen Schulunterrichts.

Inhalt

Textprobe aus der Übersetzung
(ohne die zugehörigen Anmerkungen und ohne Angabe der lateinischen Vokalquantitäten der Buchausgabe):

«Da ich im vorhergehenden alle beugbaren Redeteile (1) nach bestem Vermögen erörtert habe, das heißt das Nomen (2), das Verb, das Partizip und das Pronomen, werde ich jetzt zu den unbeugbaren Redeteilen (3) kommen, die zu Recht als letzte aufgeführt werden: Diese können nämlich ohne jene keinen vollständigen Satz bilden, jene aber bilden ohne sie sehr oft einen vollständigen Satz (4). Weil es mir daher scheint, daß die Gelehrtesten unter den Griechen – und insbesondere Apollonius (5), dessen Lehrmeinung ich in jeder Beziehung folgen zu müssen glaubte – die Präposition den übrigen unbeugbaren Redeteilen zutreffend vorangestellt haben, will auch ich mit ihr beginnen. Wenn sie nämlich einem Nomen, welches von allen Redeteilen der hauptsächlichste ist, und den übrigen Redeteilen, welche ähnlich wie das Nomen Fälle aufweisen, vorangestellt wird, kann sie für sich die Funktion eines besonderen Ausdrucks in Anspruch nehmen; wird sie aber anderen Redeteilen, das heißt denjenigen, die keine Fälle aufweisen, verbunden, so verschmilzt sie mit diesen zu einer Einheit und verliert den ihr eigentümlichen Charakter eines besonderen Ausdrucks.

[2 Definition, Wortstellung im Satz, Kompositionslehre,
Betonung, Abgrenzung zur Konjunktion]

[2.1 Definition]

Die Präposition ist also ein unveränderlicher Redeteil, der anderen Redeteilen entweder durch Beifügung (6) oder unter Univerbierung (7) vorangestellt wird (8).

[2.2 Wortstellung im Satz]

Wenn nun durch Beifügung vorgetragene Präpositionen nachgestellt werden, so geschieht dies zumeist aufgrund dichterischer Freiheit; man wird nämlich finden, daß Prosaschriftsteller dies außer bei cum (9) sehr selten machen; diese Präposition wird gewöhnlich bei allen Schriftstellern manchen Pronomina auf ähnliche Weise nachgestellt.

Wenn sie aber eine andere Wortstellung (10) aufweisen, dann ändern sie auch ihren Akzentton, es sei denn, daß dies nicht geht, weil man sie von einem anderen Wort unterscheiden können muß; so verhalten sich bei den Lateinern gewöhnlich auch die vorangestellten sowie die sowohl vor- als auch nachstellbaren (11) Konjunktionen, wenn letztere nachgestellt werden, wie igitur (12), quoniam (13), saltem (14); vorangestellte Präpositionen werden aber auf allen Silben mit einem Tiefton [Gravisakzent] (15), nachgestellte werden auf ihrer ersten Silbe mit einem Hochton [Akutakzent] (16) gesprochen.

[2.3 Kompositionslehre / Abgrenzung zur Konjunktion]

Zwischen Präpositionen und Konjunktionen besteht jedenfalls der folgende Unterschied: Vorangestellte Konjunktionen können niemals mit beugbaren Redeteilen – außer mit unbestimmten, wie siqua, nequa (17) – univerbiert werden, Präpositionen jedoch verbinden nicht, obgleich sie beim Vorliegen ‘personaler Transitivität’ (18) einzeln, das heißt durch Beifügung, gebraucht werden, zwei Subjekte (19) mit einem Akzidens (20), was die Eigentümlichkeit (21) einer Konjunktion ist, wie ‘ego et tū facimus’ (22), ‘homo et taurus arant’ (23), oder zwei Akzidentien mit einem Subjekt, wie ‘scribit et legit homo’ (24) oder ‘iūstus et fortis homo’ (25). Um dies ausführlicher abzuhandeln: Die Präposition verbindet nicht zwei deklinierbare Redeteile oder zwei Adverbien mit einem Verb, wie ‘ego et tū facimus’ (26), ‘doctus et sapiens fuit Cicero’ (27), ‘bene et splendide loquitur’ (28), oder zwei Verben mit einem deklinierbaren Redeteil oder einem Adverb: ‘uir docet et docetur’ (29), ‘recte scribit et legit’ (30). Und die Präpositionen werden jedenfalls sowohl in der Univerbierung als auch in der Beifügung vor die beugbaren Redeteile gesetzt, die Konjunktion jedoch kann den anderen Redeteilen – außer in der Beifügung – nicht voran- und nicht einmal nachgestellt werden, mit Ausnahme von -que (31), wie úbique, plerumque, úndique, uterque (32), wobei wir davon ausgehen können, daß eher eine Hinzufügung oder Ableitung der Silbe -que vorgenommen wurde, wie es auch zu -ce zu werden pflegt (33), als daß es eine Konjunktion sei, da es weder seine ursprüngliche Bedeutung als Konjunktion beibehält noch in allen Wendungen das Gesetz der Enklise aufweist: úndique, útique (34). […]»


Anmerkungen

Erste kommentierte Übersetzung des 14. Buches in eine moderne Sprache; erster Band der Gesamtausgabe der deutschen Übersetzung Priscians.

Ersteller des Eintrags
Axel Schönberger
Erstellungsdatum
Freitag, 08. Januar 2010, 11:09 Uhr
Letzte Änderung
Sonntag, 10. Januar 2010, 13:00 Uhr