Am 4. Juni dieses Jahres ist Wolfgang Babilas in Münster gestorben. Mit ihm verliert die Romanistik einen ihrer Vertreter, der in Frankreich vielleicht bekannter (und anerkannter) war als im deutschsprachigen Raum.

Wolfgang Babilas wurde am 19. September 1929 in Ratibor/Oberschlesien geboren und floh nach dem Tod seines Vaters bei Kriegsende mit seiner Mutter und drei Schwestern zuerst ins Riesengebirge und kam dann, wie viele heutige Flüchtlinge auch, von seiner Familie getrennt allein nach Westdeutschland. In Münster besuchte er das Gymnasium Paulinum und studierte anschließend dort und – als Stipendiat der französischen Regierung – in Paris Romanistik, Germanistik, Filmwissenschaft und Philosophie. 1957 promovierte er bei Heinrich Lausberg mit einer Arbeit zum Frankreichbild in Paul Claudels “Personnalité de la France” (Aschendorff). Von Lausberg betreut, habilitierte er sich 1965 mit Untersuchungen zu den Sermoni subalpini mit einem Exkurs über die Zehn-Engelchor-Lehre (Hueber 1968) wiederum in Münster. Diesem prägenden Lehrer sollte er 1995 eine letzte Reverenz mit der Herausgabe des Bandes Heinrich Lausberg zum Gedenken. Akten eines wissenschaftlichen Kolloquiums (Nodus 1995) erweisen.

Lausbergs rhetorische Philologiekonzeption hat die ersten Arbeiten Babilas’, vor allem seine Qualifikationsschriften und sein programmatisches Werk Tradition und Interpretation. Gedanken zur philologischen Methode (Hueber 1961), stark geprägt. Dies führte zu heftiger Kritik von Seiten der romanistischen „Modernisierer“ (Hans Robert Jauß hatte 1959 seine erste Professur am Romanischen Seminar in Münster übernommen). Die Kritik blieb nicht folgenlos und bewirkte bei Babilas eine immer stärkere Orientierung auf das gegenwärtige Frankreich. Nach Stationen als Dozent und Wissenschaftlicher Rat in Münster erhielt er 1971 den Ruf auf ein romanistisches Ordinariat an seiner Heimatuniversität, wo er bis zu seiner Emeritierung 1994 lehrte und forschte.

In seinen Seminaren behandelte er Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre sowohl den Surrealismus als auch Tel Quel. In diesem Zusammenhang entstanden wichtige Arbeiten zur Literatur der Résistance („Der literarische Widerstand“, in: Karl Kohut: Literatur de Résistance und Kollaboration in Frankreich, Bd. 1, Gunter Narr 1982, S. 31 – 150; „Interpretationen literarischer Texte des Widerstandes“, ebd., Bd. 2, S. 43 – 91) und eine immer stärkere Konzentration auf das Werk von Louis Aragon. Mehr dem französischen als dem romanistischen Modell entsprechend, erforschte Babilas das Werk dieses Autors, mit dem er auch persönlich befreundet war, vom Surrealismus der Anfänge bis zu seinen Experimentalromanen der 1960er und 1970er Jahre. Zwei Bände Études sur Louis Aragon (Nodus 2002) sind das Ergebnis dieser intensiven Auseinandersetzung, für die ihm 2003 der Grand Prix der Académie française (Médaille de vermeil du Rayonnement de la langue et de la littérature francaises) verliehen wurde. Gemeinsam mit seiner aus München stammenden Frau Lydia geb. Hiller (1930 – 2007) übersetzte er auch zahlreiche Werke Aragons ins Deutsche. Dieses Engagement für die französische Literatur und Kultur wurde 1994 mit der Ernennung zum Officier dans l’Ordre des Palmes Académiques gewürdigt.

Wolfgang Babilas hat sich seit den späten 1960er Jahren für Formale Logik und Analytische Philosophie begeistert und zu diesen „außerromanistischen“ Bereichen regelmäßig Vorlesungen angeboten. Die damit dokumentierte Offenheit ermöglichte es ihm, sich von Beginn an den elektronischen Medien zuzuwenden. Dies führte (bereits) 1997 zu Gründung der Website „LOUIS ARAGON ONLINE“ (http://www.uni-muenster.de/LouisAragon/), die nicht nur von Aragon-, sondern auch von Surrealismus-Forschern in aller Welt geschätzt und genutzt wurde. Dort veröffentlichte er am 14. Februar 2013 die folgende Mitteilung, „Mein Gesundheitszustand erlaubt mir nicht mehr die regelmäßige Aktualisierung dieser Website. Ich danke meinen Lesern und rate ihnen, sich an die Seiten der Érita zu wenden.“ Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich seitdem zunehmend.

Wolfgang Babilas war ein freundlicher, höflicher und vornehm zurückhaltender Mensch, der auf die, welche ihn nicht kannten, manchmal verschlossen wirkte, sich aber im persönlichen Umgang als zugewandter Gesprächspartner zeigte. Anders als sein Lehrer Lausberg verstand und erkannte er an, daß sich die Universität seit den 1960er Jahren verändern musste, tat sich aber nicht leicht damit, in dieser neuen Universität seinen Platz zu finden. Sein Verdienst ist es, Generationen von Französisch-Studenten eine Literatur nahegebracht zu haben, der sie in dieser Intensität an keinem anderen Romanischen Seminar begegnen konnten. Mit seinen Arbeiten zu Aragon hat er die deutsch-französischen Literaturwissenschaftsbeziehung über Jahrzehnte hinweg gefördert, wofür ihm vor allem in Frankreich die gebührende Anerkennung zuteil geworden ist.

Beitrag von: Lars Schneider

Redaktion: Lars Schneider