Stadt: Loveno di Menaggio, Italien

Frist: 2017-09-01

Beginn: 2018-10-08

Ende: 2018-10-13

URL: http://www.villavigoni.it/home.php?lang_id=4&act=home

Im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft soll vom 8. bis 13. Oktober 2018 in der Villa Vigoni ein internationales literaturwissenschaftliches Symposion zum Thema „Vergleichende Weltliteraturen/ Comparative World Literatures“ stattfinden. Es folgt organisatorisch dem Muster der Germanistischen Symposien der DFG, wie sie seit den 1970er Jahren durchgeführt wurden. Die Konferenzsprachen sind Deutsch und Englisch, wobei alle Teilnehmer in der Lage sein sollten, Beiträge in beiden Sprachen zu lesen und der Diskussion in ihnen zu folgen.

Kaum ein literaturwissenschaftliches Konzept hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten international so viel neue Aufmerksamkeit gefunden wie das der Weltliteratur. An seiner Diskussion haben sich weltweit gleichermaßen Literaturwissenschaftler wie Autoren beteiligt, denen es meist zu ihrer poetologischen Selbstbeschreibung in den verschiedenen historischen, politischen, geographischen und sozialen Zusammenhängen einer für sie größer gewordenen Welt dient. Über die Komparatistik hinaus ist das Konzept der Weltliteratur zu einem grundlegenden Paradigma für die Erforschung der Literatur avanciert, das sich neben dem lange herrschenden nationalen etabliert hat. Das noch nicht umfassend ausgemessene Forschungsfeld, das sich dadurch neu eröffnet hat, soll in mehreren Hinsichten Gegenstand des Symposions sein.
Die verschiedenen Versuche einer Aktualisierung des Begriffs Weltliteratur haben seine historische, vor allem auf Goethe zurückführbare Semantik verändert. Solche Bedeutungserweiterungen gehören zu seiner Geschichte. Von Anfang an war Weltliteratur ein empirisches, auf Beobachtung beruhendes Konzept, das nie eindeutig definierbar und nie vollständig systematisierbar, sondern für zukünftige Entwicklungen offen war. Diese Tendenz hat sich in den aktuellen Diskussionen fortgesetzt, die nicht zu der unbestrittenen Geltung nur eines Konzepts geführt haben.

Die gerade durch neue literarische Entwicklungen komplexer gewordene Logik des Begriffs Weltliteratur reflektiert die verschiedenen Aspekte literarischer Internationalisierung. Sie verweist auch auf theoretische Differenzen, die zugleich eine historische und kulturelle Signatur haben. Was unter Weltliteratur verstanden wird, wechselt nach verschiedenen Kontexten und ist deshalb nur komparativ-differenzierend zu beschreiben. In diesem Sinn stellt die Pluralität der Weltliteratur als Begriff wie als Sache den Ausgangspunkt der Überlegungen des Symposions dar, die sich als in einem starken Sinn vergleichend verstehen und dabei auch über die europäische Literatur und den europäischen Kontext hinaus gehen sollen.

Auf vier Themenkomplexe soll sich das Symposion konzentrieren:

I
Die erste Sektion ist der Pluralität von Weltliteratur gewidmet. Sie soll der Tatsache Rechnung tragen, dass es nicht ein Konzept, sondern mehrere, zum Teil konkurrierende Konzepte von Weltliteratur gibt, die sich auch auf unterschiedliche ‚Weltliteraturen’ oder Arten von Weltliteratur beziehen. Sie sollen als verschiedene Aspekte einer möglichen Theorie der Weltliteratur thematisiert werden, insbesondere
- der normative (Weltliteratur als Kanon)
- der kommunikative (Weltliteratur als internationale literarische Kommunikation)
- der intertextuelle (Weltliteratur als Ergebnis sprachübergreifender literarischer Rezeption)
- der translatorische (Weltliteratur als Übersetzungsliteratur)
- der interkulturell-kontaktologische (Weltliteratur als Literatur interkultureller Wechselbeziehungen im Zeichen multilingualer und -kultureller Kontaktzonen)
- der distributive (Weltliteratur als weltweit verbreitete Literatur)
- der politische Aspekt (Weltliteratur als Reflexionsinstanz etwa von Problemen der Globalisierung und des Postkolonialismus).
Diese verschiedenen Aspekte sind nicht nur für sich, sondern auch im Hinblick auf einen neuen komplexen Begriff von Weltliteratur zu prüfen.
(Kurator: Prof. Dr. Dieter Lamping, Mainz)

II
Die zweite Sektion ist Paradigmen der Weltliteratur gewidmet. Sie ist im Unterschied und zur Ergänzung der ersten Sektion weniger theoretisch als historisch ausgerichtet und soll in einzelnen, auch theoretisch relevanten Fallstudien exemplarische weltliterarische Karrieren in den Blick nehmen, und zwar von
- Autoren (z.B. Homer, Hafîs, Meister Eckhart, Dante, Shakespeare, Cervantes, Bashȏ, Goethe, Heine, Andersen, Flaubert, Dostojewski, Th. Mann, Kafka u.a. europäische und nicht europäische Autoren und Werke)
- Gattungen (z.B. Tragödie, Tragikomödie, Roman, Sonett, Märchen)
- Stoffen und Figuren (Weltuntergang, Brudermord, Höllenfahrt, unerwiderte Liebe, Ödipus, Don Quijote, Faust u.a.)
- Schreibweisen (Magischer Realismus z.B. in Lateinamerika und Europa) und
- einzelnen wirkungsmächtigen Werken (z.B. Gilgamesch-Epos, „Daodejing“, Bibel, Koran, „Erzählungen aus 1001 Nacht“, „Fleurs du mal“).
All diesen Autoren, Gattungen und Texten ist gemeinsam, dass sie über eine einzelne Literatur hinaus gewirkt haben und, eigene Traditionen bildend, in einen großen literarischen Bestand eingegangen sind, der die Sprachen und die Zeiten übergreift. Den Gründen dafür ist jeweils beispielhaft nachzuforschen.
Die Fallstudien sollen im Übrigen sowohl europäischer wie außer-europäischer Literatur gelten. Die Beispiele sind aus der gesamten Literaturgeschichte von der Antike über das Mittelalter und die Neuzeit bis in die Gegenwart zu wählen. Besonders willkommen sind Untersuchungen zu Autoren und Texten, die global rezipiert worden sind.
(Kuratorin: Prof. Dr. Jane O. Newman, Irvine)

III
Die dritte Sektion soll disziplinäre und außerdisziplinäre Diskurse von Weltliteratur zum Gegenstand machen. Unter dem Stichwort „Weltliteraturwissenschaft“, das Fritz Strich geprägt hat, sollen unabhängig von bestehenden Fachgrenzen Grundzüge einer eigenen (Literatur-)Wissenschaft von der Weltliteratur erörtert werden. Die Notwendigkeit solcher Überlegungen ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass die Beschäftigung mit Weltliteratur den Rahmen herkömmlicher nationalphilologischer Fragestellungen überschreitet. Im Hinblick auf eine neue ‚Weltliteraturwissenschaft’ ist insbesondere zu fragen nach:
- den Gegenständen (beispielsweise unter dem Gesichtspunkt, ob von der Existenz einer weit verstandenen Weltliteratur oder von ‚multiplen Weltliteraturen’ auszugehen ist)
- den Theorien und Methoden (welche Berechtigung haben einerseits individualisierende, andererseits generalisierende, auch quantitative Verfahren? Besondere Aufmerksamkeit könnte auch dem Problem der mit der Kanondiskussion verbundenen Normativität gelten)
- den leitenden Begriffen (wie Vergleich, Kontakt, System u.a.)
- den möglichen wissenschaftlichen Klassikern einer ‚Weltliteraturwissenschaft’ (z.B. E. R. Curtius, M. Bachtin, E. Auerbach, W. Muschg, H. Mayer, G. Steiner, H. Bloom u.a., auch außereuropäische Autoren), deren im Ganzen höchst unterschiedliche Arbeiten im Zusammenhang einer ‚Weltliteraturwissenschaft’ methodologisch und theoretisch zu diskutieren wären.
Darüber hinaus sollen aber auch Diskurse und Begriffe von Weltliteratur außerhalb der Universität betont und beleuchtet werden, etwa die Geschichten und Kommentare von Weltliteratur bei Schriftstellern von R. Tagore bis zu M. Kundera, auch von Publizisten und Gelehrten, die akademische Schreibweisen mit ‚creative writing’ kombinierten.
(Kurator: Prof. Dr. Galin Tihanov, London)

IV
In der vierten Sektion soll unter dem Stichwort Weltliteratur und verwandte Ideen das Konzept der Weltliteratur über die Literaturwissenschaft hinausgehend interdisziplinär mit anderen, zum größten Teil ungefähr gleichzeitig entstandenen Ideen verglichen werden, die alle auf Universalität oder Globalität zielen. Zu diesem Feld von Ideen gehören insbesondere
- Weltbürgertum, Weltgeist, Weltgeschichte, Weltphilosophie, Weltmarkt, Welthandel, Weltkirche und Weltmusik.
Vertreter anderer als literaturwissenschaftlicher Fächer von der Philosophie über die Geschichts- bis zur Wirtschaftswissenschaft sind eingeladen, solche Ideen, und zwar sowohl unter Gesichtspunkten der Begriffs- wie der Sachgeschichte, aber jeweils mit einem vergleichenden Blick auf die Idee der Weltliteratur, vorzustellen und zu erörtern.
(Kurator: Prof. Dr. Matthias Bormuth, Oldenburg)

Das Symposion wird zugunsten eingehender Diskussionen von der Verlesung von Vorträgen freigehalten. Alle Beiträge werden den Teilnehmern vor der Tagung auf elektronischem Weg zugesandt. Zusammen mit Diskussionsberichten sollen die Beiträge gleich im Anschluss an das Symposion publiziert werden. Um die Veranstaltung arbeitsfähig zu halten, ist die Zahl der Beteiligten auf max. 35 begrenzt. Eine schriftliche, prinzipiell druckfertige Vorlage bildet die Voraussetzung für eine Teilnahme. Erwartet wird, dass die Teilnehmer an allen Tagen der Veranstaltung präsent sind und mitdiskutieren.

Interessierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des In- und Auslandes, auch jüngere (in der Regel jedoch nicht schon Doktoranden) sind eingeladen, den Unterzeichnenden spätestens bis zum 1. September 2017 ihre Bereitschaft zur Teilnahme und ihren Themenvorschlag mitzuteilen, ein kurzes Exposé beizufügen und eine Sektionszuordnung vorzuschlagen. Auf der Grundlage der Exposés werden die Veranstalter der DFG vorschlagen, wer zu diesem Symposion eingeladen werden soll.

Die endgültigen Druckfassungen der Vorlagen müssen die beiden Leiter spätestens bis zum 1. Juni 2018 erreicht haben. Der Höchstumfang einschließlich Anmerkungen liegt bei 30 Seiten à 1800 Zeichen; kürzere Vorlagen sind willkommen.

Reisekosten (Fahrtkosten und Tagegelder) übernimmt die DFG nach den Bestimmungen des Bundesreisekostengesetzes, sofern sie nicht von der Heimatinstitution getragen werden.

Prof. Dr. Dieter Lamping lamping@uni-mainz.de
Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
Gutenberg-Institut für Weltliteratur und schriftorientierte Medien
Johannes Gutenberg-Universität
Postfach 3980
55099 Mainz

Prof. Dr. Galin Tihanov g.tihanov@qmul.ac.uk
George Steiner Professor of Comparative Literature
Chair, Department of Comparative Literature
Queen Mary University of London

Beitrag von: Jonas Heß

Redaktion: Marcel Schmitt