“Der Text des Populismus”
Populistische Politiken überspringen die “Grenzen der Gemeinschaft” (Helmuth Plessner) und suchen deren kompakte Konsoziationsformen auf die höchst ausdifferenzierte moderne Gesellschaft überhaupt auszudehnen. Eine wichtige Rolle spielen dabei Textstrategien einer phantasmatischen Unmittelbarkeit, wie die Digitalschriftlichkeit der (a)sozialen Medien sie ermöglicht. Der populistische ´war on media` und gegen die sogenannte ´Lügenpresse` erweist sich von daher – anders als die Rede vom ´postfaktischen` Zeitalter annimmt – nicht als Angriff auf die Unterscheidbarkeit von Wahrheit und Lüge, sondern vielmehr als Angriff auf die Indirektheit, Vermitteltheit und Vorbehaltlichkeit jener Gesellschaftsverhältnisse der ´Gutenberg Galaxis`, als deren Ordnungsform die moderne Demokratie sich herausgebildet hatte. Der Streit um Populismus einerseits, pluralistische Gesellschaft und konstitutionelle Demokratie andererseits lässt sich insofern auch als Konflikt zweier Paradigmen von Textlichkeit beschreiben.

Der Arbeitskreis “Text und Textlichkeit”

Seit dem Sommer 2017 besteht an der Fritz Thyssen Stiftung der Arbeitskreis Text und Textlichkeit, geleitet vom Romanisten Andreas Kablitz (Köln), dem Theologen Christoph Markschies (Berlin) und dem Germanisten Peter Strohschneider (München/Bonn).
Der Arbeitskreis möchte angesichts der Entgrenzung des Phänomens ´Text`, die beispielsweise in poststrukturalistischen Ansätzen zu beobachten ist, und der gegenläufigen Tendenz zu einem Wortlautfundamentalismus, der sich beispielsweise in bestimmten religiösen Gemeinschaften zeigt, die grundsätzlichen Funktionen wie das Funktionieren von Texten in der Praxis unterschiedlicher Disziplinen beleuchten.
Für einen Zeitraum von zwei Jahren sollen Praktiken der Literatur- und Medienwissenschaften, der Geschichts- und Rechtswissenschaften, der Theologie sowie der Soziologie beschrieben, verglichen und systematisiert werden. Ziel des Arbeitskreises ist es, einen Forschungszusammenhang von paradigmatischer Bedeutung für die Geisteswissenschaften zu bearbeiten.

Beitrag von: Simona Oberto

Redaktion: Marcel Schmitt