Stadt: Berlin

Frist: 2018-06-30

Beginn: 2018-12-06

Ende: 2018-12-07

Graduiertenkolleg „Literatur- und Wissensgeschichte kleiner Formen“, HU Berlin/
Department of German Studies, Cornell University

MELJSA
Du sagst es sey zu kurtz der Gleichniß Freudenspiel/
Mit einer Hand voll Saltz würtzt mancher mehr als viel.
– Georg Philipp Harsdörffer: Frauenzimmer Gesprächspiele –

Epigramm, Epitaph, Emblem, Sonett, Fazetie – das literarische Barock ist gesättigt von kleinen Formen,
die in der ‚Litteratur‘ der Frühen Neuzeit vor der Ausdifferenzierung des Sozialsystems Kunst in enger
Relation stehen zur Produktion und Zirkulation von Wissensbeständen. Dabei vollzieht sich die
Hinwendung zum Kleinen/Kleinteiligen in ästhetischer wie epistemologischer Hinsicht vor dem
Hintergrund der Kopernikanischen Wende, den Auswirkungen der Erfindung des Buchdrucks und dem
Dreißigjährigen Krieg als maßgebliche historische Konstellationen. Die Spannung aus fundamentalem
Ordnungsverlust und der bis ins Manieristische gesteigerten künstlerischen Ordnungslust in der gelehrten
deutschsprachigen Dichtung des 17. Jh. macht diese für eine Reaktivierung durch die Avantgarde der
10er/20er Jahre des 20. Jh. interessant. Ihr Rückgriff auf das Barock als Reflexionsepoche gibt wesentliche
Impulse zur Umwertung und der damit einhergehenden (Re-)Konstruktion des Literaturbarock in der
Germanistik zu Beginn des 20. Jh.
Inwiefern kommt kleinen Formen bei den literarischen und epistemologischen Paradigmenwechseln, die
das 17. Jh. als Projektions- wie Profilierungsfläche für die Moderne attraktiv macht, eine katalysatorische
Funktion zu? Welche Rolle spielen kleine Formen bei dem Projekt, die Diversität untersuchter literarischer
Phänomene auf den Begriff der Barockliteratur zu bringen? Als wie groß lässt sich anhand exemplarischer
Relektüren der Spielraum bzw. die Reflexivität über die innere Möglichkeit und Legitimation versifizierter
wie nicht versifizierter Kleinformen des Barock einschätzen? Und wo bzw. wie werden Lizenzen kleiner
Formen jenseits kodifizierter Poetiken im 17. Jh. ausgehandelt?

Ziel des Workshops, der vom Graduiertenkolleg „Literatur- und Wissensgeschichte kleiner Formen“
(Humboldt-Universität Berlin) in Kooperation mit dem Department of German Studies (Cornell
University Ithaca, NY) organisiert wird, ist vor diesem Hintergrund eine Annäherung an das Verhältnis
von Barock und literarischen Kleinformen in dreifacher Perspektive: 1. soll das Barock im Kontext der
Literatur der Frühen Neuzeit betrachtet werden, wobei Fragen nach ästhetischen, ökonomischen und
ökologischen Dimensionen kleiner Formen zur Debatte gestellt werden. 2. nimmt sich der Workshop der
Bedeutung des Rückgriffes auf und der damit einhergehenden Ausdifferenzierung von kleinen Formen im
Hinblick auf die Begriffsbildung des literarischen Barock als ex post konstruierte kulturhistorische
Kategorie an, wobei 3. insbesondere die Verknüpfung von Wissenschafts- und Kunstgeschichte des
beginnenden 20. Jh. thematisiert werden soll.

Themen für Beiträge zum Workshop könnten dementsprechend folgende drei Bereiche betreffen, weitere
Vorschläge sind willkommen:

I. Literarische Kleinformen im Barock

  • Kleine Formen in Poetiken und Paratexten vs. kleine Formen jenseits kodifizierter Poetiken
    des 17. Jahrhunderts
  • Kleine Formen in epischen und dramatischen Großformen wie dem Roman, dem barocken
    Trauerspiel
  • Kleine Formen und Sammlungen: Poetische Wälder, Florilegien, Anthologien, Gesprächspiele

II. Nachleben barocker Kleinformen in der historischen Avantgarde

  • ‚Remediation‘ barocker Formen: Sonett, Emblem, Miniatur in der Moderne zwischen
    Überlieferung, Wiederentdeckung und Umschreibung
  • Kleine Formen als Indikatoren einer „Wesensverwandtschaft“ von Barock und Moderne:
    Phänomene der Wiederkehr von expressionistischer Lyrik bis zur Montage
  • Versäumte Rezeption: Das verschenkte Potenzial nicht rezipierter kleiner Formen des Barock in
    der Moderne

III. Die Er-findung des Barock in der Germanistik

  • Geschichte der Germanistik: Motive des Barockbegriffs als ordnungsstiftende Chiffre für die
    ‚Inkommensurabilität‘ der Literatur des 17. Jahrhunderts
  • „Barock als Gestaltung antithetischen Lebensgefühls“ (Hübscher)/„The Return of the Baroque in
    Modern Culture“ (Lambert): Barock als transhistorische Form
  • Erforschung barocker Kleinformen in der Germanistik des frühen 20. Jahrhunderts

Die Ausschreibung richtet sich an Forscher/Forscherinnen aller Arbeitsfelder, für die das Thema von
Relevanz ist.
Der Workshop wird vom 6.-7.12. an der Humboldt-Universität zu Berlin stattfinden.

Bitte senden Sie Ihr Abstract (max. 300 Wörter) für einen 20-minütigen Vortrag bis zum 30.06. als Word-
Dokument an folgende Email-Adresse: kleines.barock@gmail.com.

Abstracts müssen ein Titelblatt mit dem Namen des Autors/der Autorin, dem Titel des Vortrags, der
gegenwärtigen institutionellen Anbindung sowie Telefonnummer und E-Mailadresse enthalten.
Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch.

Reise- und Aufwandskosten werden nach den gegeben Möglichkeiten übernommen.

Beitrag von: Marília Jöhnk

Redaktion: Marcel Schmitt