Lateinamerika und Mittelmeer in Jena: neuer Master-Studiengang mit drei Profile

Seit Herbst letzten Jahres bietet das Institut für Romanistik der Friedrich-Schiller-Universität Jena einen Masterstudiengang „Romanische Kulturen in der modernen Welt“ an. Er beruht auf dem Selbstverständnis der Romanistik als einer Wissenschaft, die sich mit den aus dem Lateinischen entstandenen romanischen Sprachen und den in diesen Sprachen verfassten Literaturen und Kulturen beschäftigt. Über seine dreifache Profilbildung in „Latino-Amerikastudien“, „Mittelmeerstudien“ und „Romanische Studien“, von denen die Studenten eines auswählen, widmet sich der Masterstudiengang jedoch nicht nur den durch Romanisierung entstandenen europäischen Sprachgebieten, sondern ebenfalls den durch Kolonisation hinzugekommenen Räumen außerhalb Europas, insbesondere des amerikanischen Kontinents. Insofern ist dieser Master-Studiengang einerseits philologisch-komparatistisch und europäisch, aber auch interdisziplinär und transkontinental angelegt.

Latino-Amerikastudien (LAS)
Das Profil „Latino-Amerikastudien“ ist ein interdisziplinärer, kulturwissenschaftlich orientierter Studiengang in der Verantwortung der Romanistik, der vertiefte Kenntnisse der Sprachen, Kulturen und Literaturen des amerikanischen Doppelkontinents mit Schwerpunkt auf den romanisch geprägten Sprach- und Kulturräumen vermittelt. Die „Latino-Amerikastudien“ beziehen sich zum einen besonders auf Lateinamerika als ehemaligem spanisch-portugiesischem Kolonialreich in Mittel- und Südamerika, zum anderen aber auch auf den spanisch- und französischsprachigen karibischen Raum sowie auf das französischsprachige Québec. Darüber hinaus werden kulturelle und sprachliche Phänomene in Nordamerika berücksichtigt, die aus der massiven Latino-Immigration und der damit einhergehenden Aufwertung der spanischen Sprache und der latino-Kultur in den USA resultieren. Neben dem genuin latino-amerikanischen kulturhistorischen Fokus sollen aber auch die transatlantischen Beziehungen zu den ehemaligen romanischen ‚Mutterländern‘ (Spanien, Frankreich, Portugal) sowie zu den Auswanderungsländern in die ‚Neue Welt‘ (v.a. Italien) in den Blick geraten. Insofern ist das Masterprofil sowohl regional wie auch transregional-transkontinental angelegt.
Durch die Vernetzung mit dem MA-Studiengang „Nordamerikastudien“ ist es zudem möglich, neben Veranstaltungen aus der Amerikanistischen Literaturwissenschaft z.B. chicano-Literatur, Caribbean Studies, Migrantenliteratur Kanadas) auch Veranstaltungen aus der Geschichte oder der Politikwissenschaft zu wählen. Durch die Vernetzung mit dem BA-Studiengang „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation ist ein Einblick in die kulturvergleichende Kommunikationsforschung, die wirtschaftsbezogene Kulturgeschichte (Zielkultur Lateinamerika), in einschlägige Theorien interkulturellen Handelns sowie in Modelle der interkulturellen Personalentwicklung, des interkulturellen Managements und des interkulturellen Marketings gewährleistet. So hat das Profil einen kulturwissenschaftlichen (vorwiegend literatur- und sprachwissenschaftlich orientierten) Schwerpunkt, ist aber durch die Verknüpfung mit Fachwissen und Methoden aus Geschichte, Politikwissenschaft und Interkultureller Wirtschaftskommunikation auch interdisziplinär angelegt und bietet neben der Möglichkeit zur Vertiefung neuester Forschungsmethoden auch berufsorientiertes, interdisziplinär ausgerichtetes regionalspezifisches Wissen.

Mittelmeerstudien (MMS)
Das Mittelmeer – dessen Anrainergebiete sämtlich Provinzen des Römischen Reiches waren und das von den Römern folglich zu Recht mare nostrum genannt worden ist – wurde im frühen Mittelalter zur Schnittstelle der christlichen, islamischen und jüdischen Kultur. Für die Entwicklung aller drei Kulturen ist der Mittelmeerraum von zentraler Bedeutung, sowohl intern als auch für ihre gegenseitige Beeinflussung und Berührung. Quer durch das Mittelmeer verlaufen von Westen nach Osten die Kontaktzonen zwischen romanisch-griechisch geprägtem Christentum und arabisch geprägtem Islam: 800 Jahre maurische Herrschaft auf der Iberischen Halbinsel, arabische Herrschaft auf Malta und Sizilien, osmanische Präsenz in Südosteuropa, venezianische Herrschaft im östlichen Mittelmeerraum, christliche Kreuzzüge ins islamisch gewordenen Heilige Land.
Ziel des Studiengangs ist die Vertrautheit mit dem gesamten Mittelmeerraum, seinen Sprachen, Kulturen und Lebensformen. Die historische Entwicklung dieses Raums, die unabdingbar für das Verständnis seiner modernen Lebenswelt ist, kann in all seinen Facetten Gegenstand des Studiums sein, das einerseits von einer großen Wahlfreiheit geprägt ist, andererseits durch die Verpflichtung zur intensiven Beschäftigung mit drei, je nach Gestaltung des Wahlbereichs sogar mit vier Sprach- (und Kultur-)räumen eine breit angelegte Kenntnis eines geographischen Raums garantiert, der wie kein anderer für Interdisziplinarität und Interkulturalität steht. Der Studiengang eröffnet wissenschaftlich geprägte Tätigkeitsfelder in Wirtschaft und öffentlichem Dienst, z.B. Tourismus, Journalismus/Medien, Museums- und Ausstellungswesen, Erwachsenenbildung, Kulturvermittlung. Ebenso ermöglicht er den Einstieg in eine universitäre Laufbahn.

Romanische Studien (ROS)
Neben den beiden nicht nur forschungs-, sondern auch berufsorientierten und an das Konzept der Area Studies angelehnten Spezialisierungen „Mittemeerstudien“ und „Latino- Amerikastudien“ soll eine der Tradition der romanischen Philologie verpflichtete Spezialisierung „Romanische Studien“ fortgesetzt werden.
Die Spezialisierung Romanische Studien vertieft ein vorangehendes romanistisches BA-Studium. Es vermittelt fundierte Kenntnisse in zwei Kernbereichen des Faches, nämlich der romanischen Sprach- und Literaturwissenschaft. Das Studium erstreckt sich auf mindestens zwei romanische Sprachen und Literaturen und wird von sprachpraktischen Kursen zur Perfektionierung der bei Studienbeginn vorhandenen Sprachkenntnisse flankiert. Die Wahlpflichtmodule stärken das der Romanistik inhärente komparatistische Element. Ein solche Spezialisierung Romanische Studien qualifiziert für eine Tätigkeit im kulturellen, besonders einem dem romanischen Kulturkreis affinen Bereich (Museen, Verlage, Medienanstalten, Kultureinrichtungen), ebenso für eine anschließende Promotion und den Einstieg in eine wissenschaftliche Laufbahn.

Beitrag von: Rainer Schlösser

Redaktion: Lars Schneider