Frist: 2018-12-31

Im Januar 2018 erschien im Reimer Verlag, Berlin, der Band Künstlerinnen schreiben. Ausgewählte Beiträge zur Kunsttheorie aus drei Jahrhunderten, herausgegeben von Renate Kroll und Susanne Gramatzki. Die Schriften (Briefe, Essays, autobiografische Aufzeichnungen) der in diesem Band versammelten Malerinnen und Bildhauerinnen, die über ihr Leben und ihre Kunst reflektieren, haben eine ähnliche Ausdruckskraft wie das bildkünstlerische Werk selbst: Ziel des Bandes war es denn auch, (sprachlich, literarisch, stilistisch) originelle, ästhetisch anspruchsvolle Texte zu versammeln, die einen künstlerischen Eigenwert besitzen, also nicht nur als Beiwerk zum ,eigentlichen’ bildkünstlerischen Werk fungieren.

Geplant ist nun ein Folgeband, in dem die Schriften von Fotografinnen und Filmemacherinnen in Auszügen präsentiert und kommentiert werden sollen.

Bei Interesse wenden Sie sich bitte bis zum 31. Dezember 2018 mit einer knappen Skizzierung des geplanten Beitrags an Renate Kroll (renate.kroll@romanistik.hu-berlin.de) sowie Susanne Gramatzki (gramatz@uni-wuppertal.de). Zu gegebener Zeit, d.h. wenn alle Beiträger_innen ein (ungefähres) Konzept entwickelt haben, soll ein gemeinsames Treffen bzw. ein Werkstattgespräch stattfinden.

Allgemein zur Konzeption:

Warum wollen Künstlerinnen überhaupt schreiben, sich sprachlich ausdrücken, wenn ihnen doch die Malerei, Skulptur, Fotografie oder andere künstlerische Medien zur Verfügung stehen? Schon die bildlichen und gestalterischen Künste bieten ihnen die Möglichkeit, sich auszudrücken. Ist es wirklich notwendig, dass wir Texte von Künstlerinnen lesen oder näher studieren?

In einem Punkt scheint allgemeiner Konsens zu herrschen: Texte von Künstlerinnen aller Zeiten sind Dokumente im historischen Prozess. Sie sind Zeit-Zeugnisse, sie lassen ihre Epoche und ihre Position innerhalb dieser Epoche besser erkennen und verstehen.

Aber sie können nicht nur zum Nutzen und im Interesse eines kunsthistorischen, soziologischen oder anderen Mehrwerts ausgewertet werden: Sie sind auch ein eigenes Ausdrucksmittel, eine bewusst gewählte Ausdrucksform in einem anderen Medium. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit Künstlerinnen in diesem „anderen“, schriftlichen Medium auch ihren künstlerischen Ausdruck gefunden haben.

Ohne eine Neubewertung herbeizwingen zu wollen, soll der Versuch gemacht werden, die Texte jener Künstlerinnen, die das Bedürfnis verspüren, sich neben ihrem primären Material auch über einen Text auszudrücken, hinsichtlich ihrer gedanklichen Originalität und poetischen Kreativität zu untersuchen. In diesem Zusammenhang kann es auch interessant sein, das sogenannte „Künstlerische“ parallel sowohl in der bildenden Kunst als auch in der sprachlich-literarischen Abfassung zu erkunden. Mit dem „Künstlerischen“ ist die spezifische „Schreibweise“, der individuelle, persönliche Ausdruck der bi-medial arbeitenden Künstlerin gemeint. Wie sich die beiden, also die textuellen und die bildlich-gestalterischen Ausdrucksformen, zueinander verhalten, ob sie sich ergänzen, durchkreuzen, beziehungslos nebeneinander stehen oder eine symbiotische Einheit bilden, soll in den einzelnen Beiträgen des geplanten Bandes diskutiert werden. Auf jeden Fall soll es Anspruch der Publikation sein, die Eigenart bzw. den Eigenwert der schriftstellerischen Arbeit einer Künstlerin, in diesem Fall einer Fotografin oder Filmemacherin, zu erkennen.

Vielleicht kann so auch ein Beitrag dazu geleistet werden, dass die Künstlerinnen-Texte in der Kunst- bzw. Literaturwissenschaft nicht mehr nur eine quantité négligeable sind: Bisher werden sie in den Wissenschaften vor allem parapiktural behandelt. “Parapiktural” ist ein Begriff von Michael Glasmeier, der den Begriff “Paratexte” von Gérald Genette aufgreift und entsprechend umformuliert. So wie also Paratexte das “Beiwerk” zum Buch sind, die das Buch erst durch Titel, Widmung, Impressum usw. zum wirklichen Buch werden lassen, so stellt sich bis heute das Verhältnis von Text und Bild dar. Der literarische (lyrische, prosaische) Text einer Künstlerin soll aber in unserer Publikation eben nicht nur als Beiwerk zu ihrem bildlichen oder gestalterischen Werk genommen werden. Der Schwerpunkt liegt, um es abschließend zu betonen, auf der „Schreibweise“ im weitesten Sinne. Der Text soll für sich selbst genommen werden, soll für sich selbst stehen können: eben als „selbständiges“ Werk.

Beitrag von: Susanne Gramatzki

Redaktion: Redaktion romanistik.de