In memoriam Ekkehard Eggs (10.10.1943-3.1.2020)

Er war ein Multitasker avant la lettre. Damals verwendete man das Wort noch eher selten. So jedenfalls lernte ich Ekkehard Eggs kennen, als ich 1980/81 den Lehrstuhl von Gerhard Goebel in Hannover vertrat. Er saß mir gegenüber, rauchte Gauloises, las, telephonierte und sprach gleichzeitig mit mir. Das war gewiss ein sehr vordergründiger Eindruck.
Nachdem ich 1989 nach Hannover berufen worden war, lernte ich einen ernsthaften und beständigen Wissenschaftler kennen, der sich jahrzehntelang auf sein wissenschaftliches Lebensthema konzentrierte: Argumentation und Rhetorik. Er hatte über Aristoteles habilitiert: Die Rhetorik des Aristoteles. Ein Beitrag zur Argumentationstheorie und zur Syntax von komplexen Sätzen (im Französischen). 1984. Das war sein historischer Fokus, und er konnte sich noch viele Jahre später ärgern, wenn er einschlägige Publikationen zur Kenntnis nahm, die den europäischen Traditionszusammenhang nicht kannten.
Übrigens schloss seine Spezialisierung keineswegs ein Ausgreifen auf andere Gebiete aus. So veröffentlichte er eine Reihe von profunden Aufsätzen zum Tempussystem der romanischen Sprachen oder zum Subjonctif im Französischen; um die Vielfalt seiner Forschungsinteressen nur anzudeuten. So weit ich weiß, hatte er keinen romanistischen Lehrer, aber auch noch in späteren Jahren erwähnte er den Namen des Sprachphilosophen Karl-Otto Apel mit Respekt. Er hatte an dessen Veranstaltungen in Saarbrücken teilgenommen.
Aus meiner Sicht als Literatur- und Kulturwissenschaftler gibt es mindestens zwei Linguistiken: eine, die an literatur- und kulturwissenschaftliche Fragen anschließbar ist und eine andere, wo das nicht möglich ist. Eggs‘ Arbeiten gehören zu ersterer. Womit andere Ansätze keineswegs herabgesetzt werden. Aber diese Anschließbarkeit war ein großer Anreiz für Diskussionen. Es sollte freilich noch einige Zeit dauern, bis wir alle unsere Veröffentlichungen diskutierten. Ich lernte viel von diesen Gesprächen, bewunderte seine Gelehrsamkeit und vor allem seinen Scharfsinn. Er traf so genaue Unterscheidungen, dass ich mich gelegentlich genötigt sah, eine Neigung zur Übergenauigkeit zu kritisieren. Und er hatte durchaus ein offenes Ohr für meine Kritik.
Im Laufe der Jahre legte Ekkehard Eggs ein stattliches Œuvre vor. Ich hebe vor allem seine großen Forschungsartikel im Historischen Wörterbuch der Rhetorik hervor: Argumentation (1992), Grammatik (1993), Logik (2000), Metapher (2000), Metonymie (2000), Res-verba-Problem (2005). Dass er damit beauftragt wurde, zeigt, wie hoch seine Arbeiten in der scientific community eingeschätzt werden. Die Artikel haben fast alle Buchumfang, aber nicht nur den Umfang von Büchern. Mit ihrem Kenntnis- und Ideenreichtum hätte man jeweils mehrere Monographien „befeuern“ können. Auch an solchen ließ Eggs es nicht fehlen. Ich beschränke mich darauf, seine Grammaire du discours argumentatif (1994) zu nennen.
Nicht zu übergehen sind schließlich seine viel beachteten Abhandlungen zur „Ironie“, die sein ganzes Leben begleitet haben. Dass er eine Fülle von kulturwissenschaftlichen Essays vorgelegt hat (z. B. Zu den Themen „Napoleon-Karikaturen“, „Formen und Funktionen des politischen Diskurses“) kann ich hier nur ansprechen, ohne sie so eingehend würdigen zu können, wie sie es verdient hätten.
Last but not least will ich nicht unerwähnt lassen, dass Ekkehard Eggs mein Helfer von Anfang an, bis zum Ende, war. In Fragen der Adminstration anfänglich, bis hin zu Computerproblemen später. Wir waren gute Kollegen, seit den ersten Jahren, und heute zögere ich nicht und sage: Er war auch ein Freund. Der Abschied fällt schwer.

Hans Sanders (Hannover)