Prof. Dr. Ulrich Detges (1958–2021)

Am 7. Februar 2021 ist Professor Dr. Ulrich Detges nach schwerer Krankheit in München verstorben. Die Romanistik verliert mit ihm einen klugen, kreativen, international angesehenen Sprachwissenschaftler, der sich neben seiner Forschung in herausragender Weise um akademische Lehre und Selbstverwaltung verdient gemacht hat. Allen, die ihn kannten, wird er als liebenswerter, scharfsinniger, witziger, streitbarer, charakterfester und absolut zuverlässiger Lehrer, Kollege und Freund in Erinnerung bleiben.

Ulrich Detges wurde 1958 in Krefeld geboren und studierte ab 1977 an der Freien Universität Berlin. Auslandssemester führten ihn an die École Normale Supérieure in Paris (1986/87) und an die Université Laval in Québec (1989). 1985 legte er das Erste Staatsexamen in den Fächern Französisch und Geschichte ab; 1992 wurde er von Thomas Kotschi promoviert (Nominalprädikate. Eine valenztheoretische Untersuchung der französischen Funktionsverbgefüge des Paradigmas «être Präposition Nomen» und verwandter Konstruktionen, Tübingen 1996). Nach absolviertem Referendariat ging Ulrich Detges 1996 als Assistent von Peter Koch nach Tübingen. Dort habilitierte er sich im Jahr 2001 (Grammatikalisierung. Eine kognitiv-pragmatische Theorie, dargestellt am Beispiel romanischer und anderer Sprachen). 2003 wurde er an der LMU München zum Professor für Romanische Philologie ernannt.

Zu Ulrich Detges’ Forschungsschwerpunkten zählten Syntax, Wortbildung, Phraseologie und Konstruktionsgrammatik. Er publizierte zum Französischen, Spanischen, Katalanischen, zu Kreolsprachen und zum Deutschen. Sein größtes Interesse galt pragmatischen Theorien des grammatischen Wandels; diese verstand er in origineller Weise und mit bestechender Klarheit auf verschiedene linguistische Probleme anzuwenden, so etwa den Abbau von Kasusdistinktionen, die präpositionale Markierung direkter Objekte oder die Entstehung von Diskursmarkern. Internationale Beachtung fanden vor allem seine Arbeiten zur Grammatikalisierung französischer Subjektpronomina und romanischer Tempusperiphrasen. Mit Thomas Kotschi und Colette Cortès veröffentlichte er ein fast 1000 Seiten starkes Wörterbuch französischer Nominalprädikate (Tübingen 2009). Von Ulrich Detges’ fachlichem Renommee zeugen auch seine ehrenamtlichen Funktionen als Zweiter Vorsitzender des Frankoromanistenverbands (2008–2014), als Mitherausgeber der beim Erich Schmidt Verlag erscheinenden Reihe „Grundlagen der Romanistik“ (seit 2006) und, seit 2014, als korrespondierendes Redaktionsmitglied der Zeitschrift Revue Romane (John Benjamins).

In München wurde Ulrich Detges nicht nur als exzellenter Linguist und inspirierender Diskussionspartner geschätzt. Mit beispielloser Konsequenz setzte er sich neben seiner Forschungsarbeit für die akademische Lehre und für alle nur erdenklichen Belange seines Instituts und seiner Fakultät ein. Als ausgebildeter Gymnasiallehrer verfügte er über bewundernswertes didaktisches Können und steckte viel Energie in die Betreuung seiner Studierenden. Wie selbstverständlich sprang er ein, wenn Not am Mann war, etwa als Korrektor fachdidaktischer Staatsexamina. Viele Jahre engagierte er sich im Vorstand des Münchener Zentrums für Lehrerbildung. Als Studiendekan der Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaften (2011–2016) trieb er mit großem Erfolg die Umsetzung innovativer hochschuldidaktischer Konzepte im Rahmen des „Qualitätspakts Lehre“ voran, darunter die Einrichtung eines fakultären Schreibzentrums und Programme zur Förderung studentischer Forschung.

Bis kurz vor seinem Tod unterrichtete Ulrich Detges mit übergroßer Anstrengung. Privat kämpfte er als Aktivist gegen rechte Hetze in Sozialen Medien – eine Mission, die er trotz massiver Anfeindungen und persönlicher Bedrohungen unbeirrbar verfolgte. Sein selbstloses Arbeitsethos und sein aufrechter Charakter waren und werden für viele ein Vorbild bleiben.

Klaus Grübl
Institut für Romanische Philologie
Ludwig-Maximilians-Universität München