Stadt: Wien

Frist: 2022-10-01

Beginn: 2022-12-01

Ende: 2022-12-03

Gehalt: Reisekostenzuschuss

Call for Papers
Der Wille zur Wiederholung: Entzauberung, Subversion und Agitation des Immergleichen in Literatur und Film
Universität Wien (Institut für Romanistik, Spitalgasse 2, A-1090 Wien) von 1. bis 3. Dezember 2022
Wiederholung ist ein ästhetischer Grundbegriff in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit literarischen und filmischen Erzählungen. In der künstlerischen Produktion und Rezeption bietet die Wiederholung Anhaltspunkte, Effizienz, Gewohnheit und Orientierung; sie ist die Voraussetzung des Vorstellbaren überhaupt. Gleichzeitig ist die Wiederholung immer Differenz, Maske und Verkleidung (Gilles Deleuze): „Aus der Wiederholung selbst etwas Neues machen […]; und sie als höchsten Gegenstand des Willens und der Freiheit darstellen. […] Und Nietzsche: den Willen von allen Fesseln befreien, indem die Wiederholung gerade zum Gegenstand des Wollens gemacht wird.“ Denn jede Repräsentation ist immer auch eine neue Präsentation und stellt die Identität und Ursprung des Wiederholten in Frage: „Hier mein anderes Wort für die Wiederholung: ‚Wiedererfindung’.“ (Peter Handke) Seit der industriellen Revolution und des „Kunstwerks im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ (Walter Benjamin) beziehen Literatur und Film sowohl aus der inhärenten subversiven Kraft der Wiederholung als auch aus ihrer seriellen Materialität die wesentliche Wirkung,
– durch Spektakel oder den Bruch mit der Tradition und die „Umwertung aller Werte“ (Friedrich Nietzsche) Aufsehen zu erregen, zu faszinieren, zu schockieren, zu verführen, zu indoktrinieren und zu provozieren,
– unter Berufung auf den Sittenverfall, künstlerische Ideale oder Zukunftsvisionen (Utopien und Dystopien) zu mahnen, zu belehren und zu predigen.

Folgende Fragen bieten sich neben vielen anderen zur Diskussion an:

– Auf welche Weisen inszenieren fiktionale Erzählungen in Literatur und Film die Differenz in der Wiederholung als Kritik an gesellschaftlichen Missständen?
– Inwiefern können Film und Literatur als Teil der Massenmedien die Herrschaft der Medien hinterfragen (Slavoj Žižek: The Pervert’s Guide to Cinema; Truman Show)?
– Welche Mittel verwenden Literatur und Film für die Subversion der Routinen des Alltags?
– In welcher Hinsicht nutzen sich altbekannte Motive in Literatur und Film ab und führen zu Klischees, Stereotypen und Verschwörungstheorien (Benjamin: „Elend als Gegenstand des Genusses“, Miserabilismus und Wohlstandsverwahrlosung)?
– Was sind die Merkmale von Literatur und Film als ‚Echokammern’ der Zeitgeschichte (corona-fiction, eco-fiction)?

Weitere Beispiele dafür sind:

– Umfunktionierung (Brecht), Détournement (Situationistische Internationale)
– Parodie, Satire, Plagiat, Travestie, Karnevalisierung (Bachtin), Groteske, Esperpento (Valle-Inclán)
– Cultural Hacking (Thomas Düllo/Franz Liebl)
– Pastiche und „Palimpsest-Geschichte“ (Christine Brooke-Rose): Marcel Proust, James Joyce, Manuel Puig, Salman Rushdie, Michel Houellebecq)
– Reenactment (Monty Python, Doku-Fiktion)
– Aktualisierung, Political Correctness und Überschreiben durch Adaptation in Literatur und Film (TV-Serie Anne Boleyn, Green Washing)
– „Industrielle Literatur“ (Sainte-Beuve), Kultfiguren, rahmenzyklisches Erzählen und ihre medialen Varianten: H.P. Lovecraft, Sherlock Holmes, James Bond, Fantomas, Carmen, Joker, Don Juan, Dracula; Film-Reihen und Sequels wie Dekalog (Krzysztof Kieślowski), Resident Evil – einige in der Tradition des „Erzählens als Enttöten“ (Volker Klotz): Dekameron, Heptameron, das Papageienbuch, Das Wirtshaus im Spessart, 1001 Nacht.

Die Tagung ist dem literarischen und filmischen Erzählen ab dem 19. Jahrhundert gewidmet. Beiträge zu den angeführten und weiteren Fragestellungen zum Thema „Der Wille zur Wiederholung“ aus verschiedenen Kulturen und Sprachräumen sind herzlich willkommen und eine Veröffentlichung in einem Sammelband ist geplant. Die Konferenzsprache ist Deutsch.
Wir freuen uns über Abstracts (nicht mehr als eine Seite) bis zum 1. Oktober 2022 an: noelle.miller@univie.ac.at; santiago.contardo.martinez@univie.ac.at; joerg.tuerschmann@univie.ac.at
Die ausgewählten Vortragenden werden mit einem Reisekostenzuschuss unterstützt.

Beitrag von: Noëlle Miller

Redaktion: Redaktion romanistik.de