Ende: 2022-08-15

Aufruf zur Einreichung von Beiträgen

Bauern als Schriftsteller
Dossier apropos [Perspektiven auf die Romania] Nr. 11 (2023) hrsg. von Fabien Conord & Timo Obergöker

Der Bauernstand ist trotz seines relativen Schwindens immer noch der am meisten ausgeübte Beruf der Welt. In den romanischsprachigen Ländern ist sein historisches Gewicht beträchtlich, aber sein Platz in der Literatur war immer problembehaftet. Klassischerweise standen sich zwei Sichtweisen des Bauern gegenüber, die idyllische der Marquise de Sévigné und die sehr düstere, von Zola gezeichnete. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der bäuerliche Roman realistischer (Vernois, 1962), aber er blieb das Werk von Autoren, die – von sehr seltenen Ausnahmen abgesehen – nicht selbst auf dem Land arbeiteten.
Ab den 1900er Jahren griffen jedoch einige Bauern zur Feder, um in der Presse und in der Literatur über ihr Leben zu berichten. Der berühmteste von ihnen ist Émile Guillaumin, der 1904 das Buch La vie d’un simple schrieb, in dem er das Leben eines französischen Pächters beschreibt. Sein Lebensweg lieferte zwar den Stoff für eine Fallstudie (Roche, 2006), doch die Frage der bäuerlichen Schriftsteller wurde trotz der 1972 gegründeten Association des écrivains et artistes paysans (Vereinigung bäuerlicher Schriftsteller und Künstler) nie umfassend betrachtet. Dennoch ist die landwirtschaftliche und literarische Mehrfachbeschäftigung dieser Autoren aus mehreren Gründen relevant.
Das Phänomen der bäuerlichen Schriftsteller ist ein Querschnittsthema in allen romanischsprachigen Ländern (z. B. in Belgien, Frankreich, der Schweiz oder Latein¬amerika). Es wirft Fragen zu den Schaffensprozessen, den Verbreitungs-vektoren und den Rezeptionsprozessen von Werken auf, die von Autoren verfasst wurden, die an den Rändern des akademischen Feldes angesiedelt zu sein scheinen und zudem geografisch von den Städten entfernt sind, wo die Synergie zwischen Schriftstellern, Verlegern und Kritikern meist stattfindet. Bauernschriftsteller üben auch einen anderen Beruf aus, der in zweifacher Hinsicht von zentraler Bedeutung ist: als Einkommensquelle – zumindest zu Beginn -, aber auch als Matrix für ihre Werke, die untrennbar mit ihrem Beruf verbunden sind.
Das Dossier zu dieser Frage bietet die Möglichkeit, verschiedene Wege zu erkunden. Die von den Autoren gewählten Themen sind natürlich ein zentrales Element der Untersuchung, da ihre literarische Charakterisierung im Wesentlichen auf ihrer Zugehörigkeit zur bäuerlichen Welt beruht, deren Darstellung mit einer starken Legitimität ausgestattet ist. Die Art und Weise, wie sie diese darstellen, ist jedoch unterschiedlich und muss vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Sensibilität analysiert werden. Neben dieser grundlegenden Frage müssen auch andere Aspekte berücksichtigt werden. Die sozialen Profile dieser bäuerlichen Schriftsteller können den Stoff für eine Reihe von Untersuchungen liefern (geografische Herkunft, soziologische Verankerung, Bildungsniveau…). Die Art ihrer literarischen Produktion (Lyrik oder Prosa, Fiktion oder Essays) muss ebenso hinterfragt werden wie ihr Umfang und die Kanäle, über die sie verbreitet wurde. Diese kann nämlich stark variieren, vom Selbstverlag über spezialisierte oder eng lokalisierte Häuser bis hin zur Veröffentlichung durch große kommerzielle Verlage. Die Rezeption ihrer Werke ermöglicht es, ihr Publikum zu messen, aber auch die Voreingenommenheit und die Urteile der Kritiker zu veranschaulichen.
Die Artikel in diesem Dossier können sich daher auf die in den vorangegangenen Abschnitten aufgelisteten Aspekte beziehen. Sie können einen individuellen Weg oder eine Gruppenstudie untersuchen, unabhängig davon, welches romanisch-sprachige Land betrachtet wird, von den 1900er Jahren bis heute. Die einzige Einschränkung besteht darin, dass als Beispiel für einen bäuerlichen Schriftsteller eine oder mehrere Personen herangezogen werden, deren obligatorische Merkmale darin bestehen, dass sie das Land mit ihren eigenen Händen bearbeitet haben (Großgrundbesitzer sind daher ausgeschlossen, auch wenn sie sich mit der Landwirtschaft auskennen), bevor sie zur Feder greifen und ein oder mehrere Bücher verfassen, seien es Gedichtbände, Romane, Essays oder Erinnerungen (vorausgesetzt, dass diese vom Bauern selbst verfasst sind und nicht in Form von Interviews mit einem Journalisten).

Einreichungsvorschläge können in einer der von der Zeitschrift akzeptierten Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Portugiesisch usw.) erfolgen und müssen bis zum 15.08.2022 in Form einer Zusammenfassung (ein¬schließlich Titel, Fragestellung, Quellen) an folgende Adressen gesendet werden: t.obergoeker@chester.ac.uk und fabien.conord@uca.fr.

Voraussichtlicher Zeitplan:
01.09.2022 Annahme/Ablehnung der Vorschläge.
31.01.2023 Abgabe der Texte zur Begutachtung (double blind review).
31.03.2023 Rücksendung der Gutachten
30.07.2023 Endgültige Abgabe der Texte
Herbst/Winter 2023 Online-Schaltung des Dossiers

Bibliographie
ROCHE, Agnès. 2006. Émile Guillaumin, un paysan en littérature. Paris : CNRS Éditions.
VERNOIS, Paul. 1962. Le roman rustique de George Sand à Ramuz. Ses tendances et ses évolutions (1860-1925). Paris : Nizet.
GAUCHET, Philippe (dir.). 1986. Ecrivains paysans, paysans écrivains. Guise : Association AME.

Beitrag von: Unbekannte Person

Redaktion: Redaktion romanistik.de