Stadt: Friedrichshafen

Beginn: 2022-09-29

Ende: 2022-10-01

Obwohl Liebe und Ökonomie häufig in Opposition zueinander gedacht werden, sind sie doch durch die europäische Kulturgeschichte hindurch eng miteinander verwoben. Gerade der Moment der Eheschließung oder der Beziehungsanbahnung kann als der kulturelle Moment verstanden werden, in dem eine Vermittlung der beiden gegensätzlichen Parameter und eine Aushandlung ihres konfliktuellen Potentials stattfindet. An dieser Beobachtung setzt die internationale und interdisziplinäre Tagung an. Sie zielt darauf ab, die von der Antike bis in die Gegenwart durchgängig präsente Erscheinung von Heiratsmärkten und Singlebörsen in ihren umfassenden historischen Veränderungen zu analysieren. Dabei werden Heiratsmärkte und Singlebörsen als historisch spezifische Formen der Anbahnung von Ehe und Beziehung erstmals als paradigmatische Momente der Vermittlung von Gefühl und Kalkül gefasst. Daraus leitet sich für die Tagung die Fokussierung zweier Untersuchungsbereiche her. Zum ersten wird es darum gehen, Liebe und Ökonomie in ihrer jeweiligen (diskurs-)historischen Bestimmtheit zu untersuchen und in ihren Veränderungen zu beschreiben. Und zum zweiten wird die Tagung die kulturellen Verhandlungen um das historisch wandelbare Verhältnis zwischen den beiden Parametern in den Blick nehmen. In beiden Untersuchungsbereichen sind drei untereinander verknüpfte Forschungsfragen zentral:
1. Welche Wissensdiskurse bestimmen die kulturell wirksamen Konzepte von Liebe und Ökonomie oder ihr jeweiliges Verhältnis mit?
2. Inwiefern modellieren Liebeskonzepte und ökonomische Vorstellungen und Begriffe wie auch ihre Verhältnissetzung bestimmte Vorstellungen und Performanzen von Gender – und inwiefern werden diese dabei stabilisiert, fortgeführt oder auch hinterfragt?
3. Auf welche Weise funktionieren Medien und Kommunikationstechniken in der kulturellen Verhandlung von Liebe, Ökonomie und ihren möglichen Verhältnissen?
Die Tagung knüpft an vorliegende, in erster Linie ökonomische, soziologische und historische Forschungen zum Thema der Heirats- und Beziehungsanbahnung an, legt dabei aber den Fokus auf die kulturell geformten Vermittlungs- und Verhandlungsprozesse zwischen Liebe und Ökonomie, die sich insbesondere anhand von narrativen Darstellungen nachzeichnen lassen. Aufgrund der übergreifenden kulturwissenschaftlichen Perspektivierung der Thematik wird ein dezidiert interdisziplinärer Ansatz verfolgt, der ökonomische, historische, philosophisch-theoretische und literaturwissenschaftliche Forschungsansätze integriert.

PROGRAMM

Donnerstag, 29.9.22, Black Box

16:00-16:30 Uhr – Esther Schomacher (Friedrichshafen) / Annika Nickenig (Berlin)
Begrüßung und thematische Einführung

16:30-17:15 Uhr – Moira Gallagher Weigel (Boston)
NLP, PUAS, and “Sciences” of Seduction on the Digital Right

17:30-18:00 Uhr – Karen van den Berg (Friedrichshafen)
Ausstellungspräsentation in der ‚White Box‘

Freitag, 30.9.22, Raum 2.01

9:00-9:45 Uhr – Anne Enderwitz (Berlin)
Event vs. Process: Love and Marriage on Shakespeare’s Stage

9:45-10:30 Uhr – Jan Söffner (Friedrichshafen)
Abgründiges Handeln (pun intended). Der Markt des Seins im Nibelungenlied

11:00-11:45 Uhr – Xenia von Tippelskirch (Tübingen)
Eheschließungen im Kontext kolonialer Siedlungspolitik im 18. Jahrhundert

11:45-12:30 Uhr – Dagmar Stöferle (München)
Wer liebt, verliert? Ehe-Spekulationen in Balzacs Comédie humaine

14:30-15:15 Uhr – Agnieszka Komorowska (Mannheim)
Negotiating marriage and female agency in the Golden Age: From the novellas to the “cartas de llamada”

15:15-16:00 Uhr – Marie-Laure Massei (Paris)
The concept of marriage market in the work of Jane Austen and Frances Burney

16:30-17:15 Uhr – Beatrice Schuchardt (Dresden / Freiburg)
Crazy in Love? Leistungssubjekte in der spanischen und lateinamerikanischen novela neo-epistolar und im französischsprachigen epistomail

17:15-18:00 Uhr – Ricarda Hommann / Elena Stoimenovski (Friedrichshafen)
Can we close the eyes of love? How physical appearance is valued in today’s dating (shows)

Samstag, 1.10.2022, Raum 2.01

9:00-9:45 Uhr – Daniela Wentz (Bochum)
‚It’s a match‘. Algorithms of Love since 1890

9:45-10:30 Uhr – Annika Nickenig (Berlin)
From the ‚alcahueta‘ to the algorithm. Matchmakers and other figures of mediation

10:45-11:30 Uhr – Esther Schomacher (Friedrichshafen)
Playing the Marriage Market. Bargains and Beguilement from the Renaissance Stage to Netflix

11:30-12:15 Uhr – Jan-Henrik Witthaus (Kassel)
Männerverknappung. Emotionale Irrfahrten in Fernando Truebas ‚Belle Époque‘ (1992)

ORGANISATION & KONTAKT

Annika Nickenig (Berlin): annika.nickenig@romanistik.hu-berlin.de
Esther Schomacher (Friedrichshafen): esther.schomacher@zu.de

Beitrag von: Annika Nickenig

Redaktion: Redaktion romanistik.de