Stadt: Passau

Frist: 2023-12-15

Beginn: 2024-07-26

Ende: 2024-07-26

Call for Papers

Enfants de la honte – enfants de l’amour: textes littéraires et témoignages / Kinder der Schande – Kinder der Liebe: Literarische Bearbeitungen und Zeitzeugenberichte

Studientag
Universität Passau
26.7.2024
Organisation: Alina Fritz und Marina Ortrud Hertrampf

„Mit den Besatzungs- und Soldatenkindern gebar der Krieg Menschen, die allein durch ihre Existenz die Paradigmen des Kriegerischen dementieren und bis heute ad absurdum führen. […] Im Krieg und aus dem Geist des Krieges gezeugt und geboren, tragen gerade sie die Potentiale und die Potenzen in sich, das Kriegerische langfristig aufzuheben und zu verwandeln" (Satjukow/Gries 2015: 365). Die deutsch-französischen Nachkommen der Besatzung, die sogenannten Kinder der Schande (enfants de la honte) und Kinder der Liebe (enfants de l’amour), fungieren als Evidenz für die komplexen Dynamiken von Krieg und Frieden, Identität und Fremdheit. Obwohl sie oftmals aus Liebesverbindungen entstanden, waren sie zeitlebens dazu verurteilt, unter einer gewissen kollektiven Schuld zu leiden. Ihre individuellen Geschichten bilden bis heute ein häufig übersehenes Kapitel in der deutschen, österreichischen wie französischen und belgischen Geschichtsaufarbeitung. Sie veranschaulichen, wie Konflikte nicht nur die geografische Landschaft formen, sondern neben den nationalen Narrativen auch die Lebensgeschichten zahlloser Individuen beeinflussen, sowohl auf individueller als auch erinnerungskultureller und politischer Ebene.

Der Ausschluss der Besatzungskinder als marginalisierte Gruppe aus kollektiven Gedächtnis- und Erinnerungsstrukturen basierte auf strategischen Verdrängungsmechanismen, die auf politisch-initiierten Gründungsmythen fußten. Diese Mythologien, die eine symbolische Rekonstruktion nationaler Identität anstrebten, führten dazu, dass Erinnerungen an Minderheiten und nicht-mythifizierte Gruppen aus kollektiven Bewusstseinsstrukturen systematisch isoliert wurden. Innerfamiliäres Verschweigen identitärer Hintergründe der Besatzungskinder verstärkte die Stabilisierung nationaler Tabus und schürte die Entwicklung zu marginalisierten Randfiguren sowohl in Diskursstrukturen als auch im kollektiven Erinnerungsvermögen und historischen Bewusstsein.

Trotz der wegweisenden Pionierarbeiten namhafter Forscher*innen aus dem deutsch- und französischsprachigen Raum (vgl. Drolshagen 2005; Drolshagen 1998; Gries 2015; Heidenreich 2017; Kleinau/Mochmann 2016; Picaper/Norz 2005; Satjukow/Gries 2015; Satjukow/Stelzl-Marx 2015; Virgili 2009), ist die Thematik in der Forschung weiterhin stark unterbelichtet. Gerade vor dem Hintergrund des bevorstehenden Ablebens der Generation der Zeitzeug*innen erweist sich der kulturelle Gedächtnisaustausch, die Konsolidierung von Erinnerungen in kollektiven Gedächtnismatrizen und die Intensivierung deutsch-französischer gesellschaftlicher Diskurse ebenso wie deren kulturwissenschaftliche Aufarbeitung von herausragender Relevanz; nicht zuletzt, um dem gänzlichen Vergessens der komplexen wie sensiblen Thematik entgegenzuwirken. In einem globalisierten Kontext unterstreicht die kulturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem vergessenen Thema der Besatzungskinder zudem die Bedeutung von kulturellem Austausch, Identitätspolitik und der Förderung des interkulturellen Verständnisses in den beteiligten Ländern.

Mit dem Ziel, dazu beizutragen, die Ambivalenzen des Erinnerns und Vergessens herauszustellen und die bestehenden Leerstellen zu schließen, möchte der Studientag unterschiedliche faktuale und fiktionale Narrationen aus dem deutsch- und französischsprachigen Raum vorstellen und die unterschiedlichen individuellen Identitätsnarrative qualitativ und integrativ reziprok diskutieren.

Die Vortragsvorschläge können entweder auf empirischen und faktischen Quellen (wie zum Beispiel Zeitzeugenberichten) basieren oder aber die Themenverarbeitung in (semi-)fiktionalen literarischen Texten in den Fokus rücken. Die Vortrags- und Diskussionssprachen sind Deutsch und Französisch.

Auswahlbibliographie

Drolshagen, Ebba D. (2005): Wehrmachtskinder. Auf der Suche nach dem nie gekannten Vater, München: Droemer Verlag.

Drolshagen, Ebba D. (1998): Nicht ungeschoren davonkommen. Das Schicksal der Frauen in den besetzen Ländern, die Wehrmachtssoldaten liebten, Hamburg: Hoffmann und Campe Verlag.

Gries, Rainer (2015): „Les enfants d’Etat. Französische Besatzungskinder in Deutschland“, in: Satjukow, Silke/Stelzl-Marx, Barbara (Hgg.): Besatzungskinder. Die Nachkommen alliierter Soldaten in Österreich und Deutschland, Wien: Böhlau Verlag, 380-407.

Heidenreich, Gisela (Hg.) (2017): Born of war – vom Krieg geboren. Europas verleugnete Kinder, Berlin: Ch. Links Verlag.

Kleinau, Elke/Mochmann, Ingvill C. (Hgg.) (2016): Kinder des Zweiten Weltkrieges. Stigmatisierung, Ausgrenzung, Bewältigungsstrategien, Frankfurt am Main: Campus Verlag.

Picaper, Jean-Paul/Norz, Ludwig (2005): Die Kinder der Schande. Das tragische Schicksal deutscher Besatzungskinder in Frankreich, München: Piper Verlag.

Satjukow, Silke/Gries, Rainer (2015): »Bankerte!«. Besatzungskinder in Deutschland nach 1945, Frankfurt am Main: Campus Verlag.

Satjukow, Silke/Stelzl-Marx, Barbara (Hgg.) (2015): Besatzungskinder. Die Nachkommen alliierter Soldaten in Österreich und Deutschland, Wien: Böhlau Verlag.

Virgili, Fabrice (2009): Naître ennemi. Les enfants de couples franco-allemands nés pendant la Seconde Guerre mondiale, Paris: Éditions Payot & Rivages.


Bitte senden Sie Ihren Vortragsvorschlag in einem Umfang von max. 300 Wörtern zusammen mit einer bio-bibliografischen Notiz von etwa 150 Wörtern bis zum 15. Dezember 2023 als Word-Dokument per E-Mail an : Marina.Hertrampf@uni-passau.de

Zeitplan:
Deadline: 15. Dezember 2023.
Benachrichtigung über die Annahme: 31. Dezember 2023.
Studientag: 26.7.2024

Beitrag von: Alina Fritz

Redaktion: Redaktion romanistik.de