Stadt: Konstanz

Frist: 2015-06-26

Beginn: 2015-11-27

Ende: 2015-11-28

URL: http://uni-konstanz.de/reales

Interdisziplinärer Workshop des Graduiertenkollegs »Das Reale in der Kultur der Moderne« Universität Konstanz, 27.-28.11.2015
Frist für die Einreichung von Beitragsvorschlägen (ca. 1 Seite): 26.06.2015

Im Jahr 1896 macht der Nationalökonom Karl Bücher die Konjunktion aus »Arbeit und Rhythmus« als entscheidendes Charakteristikum der Arbeit bei sogenannten Naturvölkern aus. Der Diagnose, der moderne Arbeiter sei durch die industrielle Produktion aus dem ihm eigenen Rhythmus gebracht, wird somit eine mögliche Kur an die Seite gestellt: Die Überwindung der Entfremdung durch ein erneutes Zusammenwirken von Arbeit und natürlichem, dem Menschen angepassten Rhythmus. Der Rhythmus figuriert in Büchers Schrift als Gegenentwurf zur modernen Arbeitswelt und dem von der Industrialisierung hervorgebrachten Sound respektive der ihn begleitenden Entfremdungserfahrung: »Der Nationalökonom, […] reibt sich verwirrt die Augen, als wäre er durch ein Wunder in das Land Utopia versetzt […]. Hier ist die Arbeit keine Last, kein schweres Lebensschicksal, keine Marktware, ihre Organisation kein Ergebnis kalter Kostenberechnung.«

Dass Bücher dieses Land Utopia in ethnographischen Aufzeichnungen findet, ist bezeichnend, zumal die Ethnographie verspricht an den Rändern der Moderne jene ursprünglichen Lebensformen aufzuspüren, die »von der Kultur allmählich überflutet worden« seien. Figuren einer sich aus solcher Ursprünglichkeit speisenden Alternative lassen sich um 1900 in verschiedenen Diskursen ausmachen, mal als radikale Alternative zur modernen Gesellschaft, mal als Idee einer Synthese aus rhythmischer Arbeit und industrieller Produktion. Sie finden sich in den Arbeitspraktiken der Lebensreformer ebenso wie in theoretischen Überlegungen des Psychologen Fritz Giese oder der Klage des Tänzers und Tanztheoretikers Rudolf von Laban, Arbeit sei nur mehr Betreiben von Maschinen.

Die Vision einer nicht-entfremdeten Arbeitsweise, die sich an einem ursprünglichen, natur- rhythmischen und gemeinschaftlichen Leben orientiert, kommt gegenwärtig – auch unter Betonung eines ›inneren Rhythmus‹ – erneut in zahlreichen Diskursen zum Ausdruck: in Ratgeberliteratur, die angesichts eines »Turbokapitalismus« zur Entschleunigung mahnt, im akademischen Diskurs um mögliche Alternativen zur gegenwärtigen gesellschaftlichen Zeitorganisation sowie im Dokumentarfilm, der sich aus einem Missbehagen an der gegenwärtigen Moderne auf die Spurensuche nach Alternativen macht.

In diesen Diskursen lassen sich verschiedene Argumentationslinien ausmachen. So finden sich Überlegungen zu einer stärkeren zeitlichen und räumlichen Flexibilisierung von Arbeit, um diese an individuelle Lebensrhythmen anzupassen. Gleichzeitig wenden sich einige Vorstellungen über naturrhythmische Arbeit explizit gegen das Flexibilisierungsparadigma einer als neoliberal kritisierten Arbeitswelt.
Beiden Argumentationslinien ist jedoch gemein, dass durch den Verweis auf Rhythmus und ihm verwandte diskursive Figuren eine Humanisierung der Arbeitsbedingungen angestrebt wird. Die Diskussionen der letzten beiden Jahrzehnte aktualisieren so erneut das utopische Potential eines natürlichen Rhythmus, welches in der Hochphase der industriellen Moderne explizit an Fragen der Arbeitsorganisation gekoppelt wurde.

Der Workshop setzt sich mit solchen auf die Zukunft gewandten Figuren alternativer, ursprünglicher und rhythmischer Arbeitsweisen auseinander. Fokussiert werden sollen vor allem die verschiedenen Diskurse um 1900 und in der Gegenwart.

Zu diskutierende Fragen schließen ein:
Wo tauchen solche Figuren diskursiv auf und wie funktioniert ihre Rhetorik? Wie wird jeweils die Verbindung einer Ursprungsfigur mit der Möglichkeit einer (utopischen) Zukunftsperspektive inszeniert? Wie stehen die verschiedenen medialen Repräsentations- formen, etwa in Ethnographie und Film, zueinander? Welche Kontinuitäten und Abweichungen der Diskurspositionen lassen sich im historischen Verlauf beobachten?

Der Workshop wird vom 27. bis 28. November 2015 an der Universität Konstanz stattfinden. Reise- und Übernachtungskosten können durch das Graduiertenkolleg übernommen werden. Wir bitten um die Einsendung von Vortragsvorschlägen in Form eines Abstracts (ca. 1 Seite), sowie einer Kurzvita bis zum 26.06.2015 stellvertretend an die Organisatoren:
Carolin Piotrowski carolin.piotrowksi@uni-konstanz.de und Christoph Büttner christoph.buettner@uni-konstanz.de

Graduiertenkolleg „Das Reale in der Kultur der Moderne“ Universität Konstanz
Fach D 153
78457 Konstanz
http://uni-konstanz.de/reales

Beitrag von: Fabian Schmitz

Redaktion: Stefanie Popp