Stadt: Saarbrücken

Frist: 2016-01-31

Beginn: 2016-09-28

Ende: 2016-10-01

Die Sektion geht von dem Begriff des bounding aus, welcher im Verständnis der Kognitiven Linguistik nach Langacker auf abstrakter Ebene die Tatsache beschreibt, dass sich etwas von seiner Umgebung abhebt und als individuelle Entität mit festen Grenzen wahrgenommen werden kann (vgl. Langacker (2008, 135): “[…] a thing is bounded when there is some limit to the set of constitutive entities”. Das Französische stellt verschiedene Verfahren zur Verfügung, um z.B. Handlungen in diesem Sinne als „gebunden“ in der Zeit oder Stoffe als „gebunden“ im Raum zu präsentieren – man denke beispielsweise an Aktionsart und Aspektualität, aber auch an die unterschiedliche grammatische Behandlung von Bezeichnungen für zählbare und nicht zählbare Referenten durch den Teilungsartikel (vgl. z.B. de l’eau (ungebunden) vs. un verre d’eau (gebunden)).

Bounding als kognitiv-linguistische Beschreibungskategorie wurde bisher v.a. auf das Englische angewandt, wo es sich im Verbalbereich vorwiegend auf lexikalischer Ebene in der Aktionsart zeigt. Die grammatischen Verfahren des Französischen sind dagegen bisher kaum unter dieser Perspektive untersucht worden, obwohl die Romanistik in jüngster Zeit verschiedene Ansätze und Modelle hervorgebracht hat, die an den Begriff des bounding anschlussfähig zu sein scheinen. So schlägt Dessì Schmid (2014) ein neues onomasiologisches und frame-theoretisch basiertes Modell zur Klassifizierung und Interpretation aspektualer Merkmale von Sachverhalten vor. In diesem monodimensionalen theoretischen Ansatz wird nicht von einer semantischen Unterscheidung auf kognitiver Ebene zwischen Aspekt und Aktionsart ausgegangen. Vielmehr stellen diese nur unterschiedliche formale Realisierungen ein und derselben Inhaltskategorie Aspektualität dar, die dabei als universale semantische Kategorie definiert wird. Mitko (2000) weist mit statistischen Methoden nach, wie aus dem Spannungsverhältnis zwischen Aspekt und Aktionsart neue Lesarten entstehen. Die Annahme liegt nahe, dass es sich beim Delimitationsprinzip um eine allgemeine, abstrakte Wahrnehmungsstruktur handelt, die einzelsprachlich unterschiedlich zum Tragen kommt und auch innerhalb desselben grammatischen Systems in verschiedener Weise versprachlicht sein kann. Eine systematische Untersuchung dieses Phänomens im Französischen, insbesondere auf empirischer Basis, steht jedoch noch aus. Ziel der Sektion ist es, die Diskussion auf diesem Gebiet voranzutreiben, indem die Nützlichkeit des bounding-Begriffs für unterschiedliche Formen von abstrakten Grenzziehungen in der französischen Grammatik eruiert wird.

Folgende Fragen könnten in der Sektion diskutiert werden:

  • Welche Möglichkeiten bietet die Kognitive Linguistik zur Beschreibung von Tempus, Aspekt und Aktionsart (einzeln und in Interaktion) in den romanischen Sprachen und speziell im Französischen und den Frankokreolsprachen?
  • Lässt sich die Interaktion zwischen Aktionsart und Tempus/Aspekt mithilfe von bounding besser fassen?
  • Welche Rolle spielt bounding für die Entstehung und Kopräsenz von temporalen und modalen Lesarten bei den französischen Verbalkategorien?
  • ’Wie können neue Modelle, wie z.B. das von Dessì Schmid (2014) in empirischen Untersuchungen überprüft werden?
  • Wie präsentiert sich das Problem der Delimitation im Sprachvergleich und Sprachkontakt?
  • Wie wird flexiv markierte Aspektualität, die für die romanischen Verben charakteristisch ist, in Übersetzungen (z.B. ins Deutsche) übertragen?
  • Welche Unterschiede der sprachlichen Grenzsetzung gibt es in diatopischen Varietäten des Französischen (z.B. denen Afrikas und Amerikas)? Wie lassen sich diese begründen?
  • Wie erfolgt Delimitation bzw. bounding in den Frankokreolsprachen und welche sprachtypologischen Rückschlüsse lassen sich hieraus ziehen?
  • Welchen Nutzen verspricht der Begriff des bounding für verschiedene Bereiche der Angewandten Linguistik, darunter z.B. die Fremdsprachendidaktik?

Literatur
DESSÌ SCHMID, Sarah (2014): Aspektualität. Ein onomasiologisches Modell am Beispiel der romanischen Sprachen. Berlin; Boston: de Gruyter.
JANSEN, Silke (2013): „Tempus und Aspekt als linguistisches und sprachdidaktisches Problem“, Zeitschrift für Romanische Sprachen und ihre Didaktik 7,1: 105-128.
LANGACKER, Ronald (2008): Cognitive Grammar: A Basic Introduction. New York: Oxford University Press.
MITKO, Julia (2000): Aspekt im Französischen. Tübingen: Narr.

Zugesagte Referenten:
Prof. Dr. Sarah Dessì Schmid
Prof. Dr. Gerda Haßler
Alla Klimenkowa
Dr. Julia Mitko
Prof. Dr. Ingrid Neumann-Holzschuh
Prof. Dr. Stefan Pfänder
Dr. Evelyn Wiesinger

Bitte reichen Sie Ihr Abstract bei einer der beiden Sektionsleiterinnen bis 31. Januar 2016 (verlängerte Frist) ein: Prof. Dr. Silke Jansen (silke.jansen@fau.de) oder Dr. Katrin Pfadenhauer (katrin.pfadenhauer@uni-bayreuth.de).

Beitrag von: Katrin Pfadenhauer

Redaktion: Christof Schöch