Stadt: Paderborn

Frist: 2016-07-01

Beginn: 2016-09-29

Ende: 2016-09-30

Studentischer Workshop des Masterstudiengangs Komparatistik / Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft an der Universität Paderborn; 29. – 30. September 2016

Mit dem Titel Geschlechter-Dramen wird die in der aktuellen Forschung immer häufiger gestellte Frage nach dem Verhältnis von Sex, Gender und Genre aufgenommen, insofern aus einer interdisziplinären Perspektive nach den literarischen und künstlerischen Verhandlungen von Geschlechterkonflikten sowie nach den Inszenierungen von Geschlechterkrisen gefragt wird. Diese Modellierungen schließen folglich sowohl Kontroversen zwischen den Geschlechtern als auch die Krisen des männlichen und / oder weiblichen Geschlechts in Literatur, Kunst, Musik und Film ein. Dementsprechend ruft das Konzept des Geschlechter-Dramas bewusst grundlegende Denkmodelle der Literatur- und Kulturwissenschaft auf, welche die Annäherung an die Dramen zwischen den Geschlechtern und / oder (inner)subjektive, kategoriale und systemische Konflikte des Geschlechts erlauben.

Als kulturwissenschaftliches Denkmodell impliziert Geschlecht immer auch das Verhältnis zwischen Sex und Gender, das auf die in den Gender Studies diskutierten Fragen nach der Konstitution bzw. Konstruktion von Geschlecht und dem damit verbundenen Aspekt der Performanz verweist. Ausgehend von der etymologischen Bedeutung des Dramas als Handlung (altgriechisch δρᾶμα dráma) wird das Geschlechter-Drama allgemein als Inszenierung solcher (Sprach-)Handlungen verstanden, die in einem literarischen bzw. künstlerischen Rahmen im Hinblick auf die Herstellung von Geschlechtlichkeit wahlweise explizit oder unterschwellig inszeniert und dergestalt durchgespielt werden. Demnach ist das Geschlechter-Drama zwar auch an das Theater gebunden, doch tritt es in allen Gattungen und Medien in Erscheinung und erlaubt höchst differente, tendenziell sogar gegenläufige ,Dramatisierungen‘ von Geschlecht. Von besonderem Interesse sind hierbei die unterschiedlichen Spielräume der Geschlechter-Dramen, die historisch, gattungs- und medienspezifisch gebunden sind.

Um dies zu konkretisieren: Ausgehend von der klassischen Rhetorik im Allgemeinen sowie dem ,Rad des Vergil‘ im Besonderen sind die antiken Formen des Geschlechter-Dramas grundsätzlich gebunden an den Stil, die Figur, dessen Attribut und die Gattung. Der in der Medea-Sage angelegte Ehekonflikt zwischen Medea und Iason wird beispielsweise in der Antike als Geschlechter-Drama vorzugsweise in den Tragödien von Euripides und Seneca durchgespielt. Diese ,Dramatisierungen‘ werden jedoch durch Ovids Sammlung von Liebesbriefen berühmter Frauen, den Heroides, erweitert, in denen die Liebesklage von Medea die Grundlage für den Brief an Iason bildet, wodurch eine Neuperspektivierung stattfindet, insofern aus der Ehetragödie eine elegische Klage der verlassenen Geliebten wird. Die bis in die Gegenwart reichenden Verhandlungen dieses und zahlreicher anderer Geschlechter-Dramen in Literatur, Musik, Kunst und Film – von Tristan und Isolde bis zu Harry und Sally – erlauben folglich zum einen Rückschlüsse auf Traditionslinien. Zum anderen wird auf die historische Wandelbarkeit der Geschlechterkonflikte und -krisen unter der Voraussetzung der dynamischen Geschlechterbeziehungen verwiesen.

In diesem Sinne sind es vor allem die bis in die Gegenwart reichenden, historisch spezifischen Brüche, Krisen und Neukonstitutionen von Geschlechter-Dramen, die mit der Transformation und (Neu-)Erfindung von Gattungen, Genres und Medien verbunden sind, die im Zentrum des Workshops stehen, um zu diskutieren, wie sich diese in unterschiedlichen Variationen in der Literatur sowie den darstellenden und bildenden Künsten von der Antike bis heute gestalten. Um dies anhand einiger ausgewählter Beispiele zu verdeutlichen, sei auf Opern wie L’incoronazione di Poppea (1642) von Monteverdi und Mozarts Così fan tutte (1790), oder auf (Brief-)Romane wie Guilleragues’ Lettres Portugaises (1669), Tolstois Anna Karenina (1877/78) oder Eugenides’ Mariage plot (2011) verwiesen. Diese ließen sich sowohl mit Beispielen aus der Malerei, etwa Caravaggios Amor Vincit Omnia (1602-1603) oder Fragonards Les Hasards heureux de l’escarpolette (1767-1769), als auch aus der Fotografie, etwa Helmut Newtons Big Nudes (1981) oder Cindy Shermans Sex Pictures (1992), erweitern. Gegenwärtig sind es vor allem Filme und Serien, die unterschiedliche Formen des Geschlechter-Dramas sowohl bearbeiten als auch hervorbringen, wie der Film Closer von Mike Nichols zum gleichnamigen Drehbuch von Patrick Marber (2004), die Webserie Transparent (seit 2014) oder Tom Hoopers The Danish Girl (2015) vor Augen führen.

Aus dem skizzierten Themenbereich ergeben sich zahlreiche mögliche Forschungsfragen für die Vorträge und die daran angeschlossenen Diskussionen des Workshops. Leitende Fragen sind hierbei: Welche Traditionslinien von Geschlechter-Dramen lassen sich ausmachen? In welchen Genres werden welche Arten von Geschlechter-Dramen durchgespielt? Welches Potenzial weist die Fiktionalität für das Durchspielen von Geschlechterexperimenten auf? Zu welcher Zeit werden auf welche Weise in der Literatur, der Kunst, der Musik und im Film welche Narrative von Männlichkeit und Weiblichkeit stabilisiert bzw. dekonstruiert? Inwiefern sind Krisen der Weiblichkeit resp. der Männlichkeit verbunden mit der Herausbildung neuer Gattungen und / oder der Verunsicherung sozial, kulturell und politisch geprägter Geschlechterverhältnisse?

Studierende sämtlicher kulturwissenschaftlicher Disziplinen sind herzlich eingeladen, sich mit einem Abstract im Umfang von 200-300 Wörtern für einen Vortrag im Rahmen des Workshops zu bewerben. Die Dauer der Einzelvorträge wird sich auf ca. 30 Minuten belaufen (20 Minuten Vortrag, 10 Minuten Diskussion). Im Anschluss an die Veranstaltung ist die Publikation aller Vorträge im Rahmen einer Open-Access-Publikation vorgesehen. Anfallende Reisekosten können, die Verfügbarkeit von finanziellen Mitteln vorausgesetzt, in begrenztem Umfang übernommen werden.

Interessierte TeilnehmerInnen werden gebeten, ein Abstract zum Vortragsthema im oben genannten Umfang bis zum 01.07.2016 an Adelina Debisow (adelina.debisow@uni-paderborn.de) zu senden, die auch Ansprechpartnerin für weitere Fragen ist:

Adelina Debisow, M.A.
Universität Paderborn
Fakultät für Kulturwissenschaften
Institut für Germanistik und
Vergleichende Literaturwissenschaft
Warburger Straße 100
33098 Paderborn
Tel.: (+49) 5251 60-2879
E-Mail: adelina.debisow@uni-paderborn.de

Beitrag von: Adelina Debisow

Redaktion: Christof Schöch