Stadt: Zürich, Schweiz

Frist: 2016-12-31

Beginn: 2017-10-08

Ende: 2017-10-12

URL: http://www.rose.uzh.ch/de/forschung/kongresse/romanistentag.html

Grammatikalisierungs- und Lexikalisierungsprozesse stellen aus terminologischer Perspektive ein breit diskutiertes Thema dar und bieten innerhalb der angewandten Linguistik zahlreiche Forschungsmöglichkeiten (vgl. Schäfer-Prieß/Klöden/Kailuweit 2001, Lehmann 2002, Hopper/Traugott 2003, Detges/Waltereit 2008 oder Davidse/Breban/Brems/Mortelmans 2012). Auch Sprachkontakte – ob historische Kontakte oder aktuell migrationsbedingte Kontaktsituationen – sind Gegenstand vieler Untersuchungen. Eher seltener werden das Phänomen der -isierungsprozesse und die unterschiedlichen Ansätze der Kontakt- und Variationslinguistik in sprachwissenschaftlichen Studien vereint (siehe Heine/Kuteva 2005 oder Matras 2011). Noch seltener liegt der Fokus auf der Analyse des Sprachkontakts von romanischen mit (nicht)-romanischen Sprachen, die auch Grammatikalisierungs- sowie Lexikalisierungsprozesse auslösen können. Als konkrete Beispiele können hier etwa der Kontakt zwischen dem Spanischen und den indigenen Sprachen Lateinamerikas oder die Kontaktsituation zwischen dem Englischen und Französischen auf Grenada genannt werden.

Das Ziel unserer Sektion ist es, an die bis heute relativ wenigen Studien, die sich mit durch Sprachkontakt ausgelösten Grammatikalisierungs- und Lexikalisierungsprozessen innerhalb der Romania bzw. mit Kontaktsituationen von romanischen mit nicht-romanischen Sprachen beschäftigen, anzuknüpfen (siehe z.B. Haase/Nau 1996 oder Matthews/Yip 2009). Es soll anhand von empirischen Studien herausgearbeitet werden, inwiefern die Auswirkungen der in Kontakt tretenden Sprachen die Sprecher selbst (also auf individueller Ebene) und die sprachliche Variation innerhalb einer Sprachgemeinschaft (also auf gesellschaftlicher Ebene) geprägt haben. Schließlich wirken sich die unterschiedlichen Sprachkontaktkonstellationen bezogen auf die dominante und die dominierte Sprache unterschiedlich auf die entstehenden Sprachwandelprozesse aus. Welche sprachlichen Faktoren hierbei vor allem entscheidend sind und welche kulturellen sowie gesellschaftlichen Prozesse in diesem Zusammenhang bei der Analyse einbezogen werden müssen, sind nur zwei der vielen Fragen, die wir im Rahmen der Diskussionen in unserer Sektion zu klären versuchen werden. Wie bereits Kuteva/Heine (2007) in ersten Schritten ausführen, sind Grammatikalisierungsprozesse nicht nur innerhalb eines einzigen linguistischen Teilbereiches, sondern unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte zu untersuchen. Anknüpfend an diesen Ansatz soll daher über die bisherigen Konzepte von ‘Grammatikalisierung’ und ‘Lexikalisierung’ hinausgegangen werden (siehe Kuteva 2008), um etwa auch die Auslöser sowie die kognitiv motivierten Gründe für Grammatikalisierungs- und Lexikalisierungsprozesse tiefergehend zu betrachten (siehe z.B. Detges 1999). In diesem Zusammenhang sollen die Prozesse der -isierung schließlich auf der Diskursebene diskutiert werden, um neue Erkenntnisse aus der Betrachtung der konkreten Rede herauszufiltern und in die Diskussion um sprachliche Hybridität und durch Sprachkontakt ausgelöste Grammatikalisierungs- und Lexikalisierungsprozesse einzubeziehen. Beispielsweise können sich in einer stabilen bilingualen Gesellschaft bzw. nach einer längeren Phase von Bilinguismus spezifische Phänomene in gewissen kommunikativen Kontexten herausbilden, die ein Ergebnis der besonderen Kommunikationssituation im Sprachraum sind, da sich Sprachen durch die Dynamik des Sprechens wandeln. Ein vor diesem Hintergrund interessantes Beispiel stellt beispielsweise die Kontaktsituation Spanisch-Guaraní in Paraguay dar. Hier haben paraguayische Spanischvarietäten einzelne grammatische und lexikalische Elemente des Guaraní aufgenommen (Große 2011).

Es wird zur Einreichung von Beiträgen zu folgenden Themengebieten aufgerufen (dabei sind selbstverständlich auch Kombinationen verschiedener Bereiche möglich):

  • Unter welchen Bedingungen kann Sprachkontakt Grammatikalisierungs- und Lexikalisierungsprozesse auslösen (kontaktinduzierter Sprachwandel)?
  • Welche gesellschaftlichen und kulturellen Prozesse oder Phänomene (wie Migration) führen zu sprachlicher Hybridität?
  • Gibt es Parameter, die sprachübergreifend immer wieder als Auslöser für Grammatikalisierungs- und Lexikalisierungsprozesse fungieren?
  • Wie sind diese Grammatikalisierungs- und Lexikalisierungsprozesse motiviert?
  • Inwiefern ist hierbei die kognitionslinguistische Ebene zu berücksichtigen?
  • Gibt es kognitiv motivierte Gründe für Grammatikalisierungs- oder für Lexikalisierungsprozesse?
  • Wann bzw. in welchem Fall greift welche Grammatikalisierungstheorie?
  • Inwiefern muss das Konzept ‘Grammatikalisierung’, aber auch das Konzept ‘Lexikalisierung’ überdacht werden?

Abstracts in der selbst gewählten Vortragssprache (Deutsch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch, Katalanisch, Italienisch oder Englisch) werden bis spätestens 31.12.2016 an die Adresse der Sektionsleiterin erbeten:

veronica.boehm@uni-paderborn.de :: henneman@uni-potsdam.de :: bmeisnit@uni-mainz.de

Auch für Rückfragen im Vorfeld können Sie sich gern an uns wenden!

Literaturhinweise:
Brinton, Laurel & Elisabeth Closs Traugott, eds. (2005): Lexicalization and Language Change. Cambridge: Cambridge University Press.
Davidse, Kristin/Breban, Tine/Brems, Lieselotte & Tanja Mortelmans, eds. (2012): Grammaticalization and Language Change. New reflections. Amsterdam: John Benjamins.
Detges, Ulrich (1999): „Wie entsteht Grammatik? Kognitive und pragmatische Determinanten der Grammatikalisierung von Tempusmarkern“, in: Lang, Jürgen & Ingrid Neumann-Holzschuh (eds.): Reanalyse und Grammatikalisierung in den romanischen Sprachen. Tübingen: Niemeyer (Linguistische Arbeiten 410), 31-52.
Detges, Ulrich & Richard Waltereit, eds. (2008): The Paradox of Grammatical Change. Perspectives from Romance. Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins (Current Issues in linguistic theory 293).
Große, Sybille (2011): „Sprachkontakt in Paraguay: ndaje als modaler bzw. evidentieller Marker des Guaraní in Spanischvarietäten Paraguays“, in: Schlaak, Claudia & Lena Busse (eds.): Sprachkontakte, Sprachvariation und Sprachwandel. Festschrift für Thomas Stehl zum 60. Geburtstag. Tübingen: Narr, 231-256.
Haase, Martin & Nicole Nau (1996): „Sprachkontakt und Grammatikalisierung“, in: Sprachtypologie und Universalienforschung – Schwerpunktheft: Sprachkontakt und Grammatikalisierung 49 (1), 3-8.
Heine, Bernd & Tania Kuteva (2005): Language Contact and Grammatical Change. Cambridge: Cambridge University Press.
Heine, Bernd & Tania Kuteva (2007): The Genesis of Grammar: A Reconstruction. Oxford University Press.
Hopper, Paul J. & Elizabeth Closs Traugott (2003): Grammaticalization. Cambridge: Cambridge University Press.
Kuteva, Tania (2008): „On the frills of grammaticalization“, in: López-Couso, María José & Elena Seone (eds.), Rethinking Grammaticalization. New Perspectives, Amsterdam: John Benjamins, 189-217.
Lehmann, Christian (2002): „New reflections on grammaticalization and lexicalization“, in: Wischer, Ilse & Gabriele Diewald (eds.), New Reflections on Grammaticalization, Amsterdam: John Benjamins, 1-18.
Matras, Yaron (2011): „Grammaticalization and language contact“, in: Narrog, Heiko & Bernd Heine (eds.), The Oxford Handbook of Grammaticalization, Oxford: Oxford University Press, 279-290.
Matthews, Stephen & Virginia Yip (2009): „Contact-induced grammaticalization. Evidence from bilingual acquisition“, in: Studies in Language 33 (2), 366-395.
Schäfer-Prieß, Barbara/Klöden, Hildegard & Rolf Kailuweit, eds. (2001): Grammatikalisierung in den iberoromanischen Sprachen. Wilhelmsfeld: Egert (Pro Lingua 33).