Stadt: Zürich, Schweiz

Frist: 2017-01-10

Beginn: 2017-10-08

Ende: 2017-10-12

URL: http://www.romanistentag.de/index.php?id=1922

Sprachwissenschaftliche Sektion beim XXXV. Romanistentag des DRV: „Dynamik, Begegnung, Migration“, Universität Zürich 2017

Sektion 11: Klitika in Sprachwandel und Sprachkontakt oder die Anfälligkeit von Schnittstellen

Sektionsleitung: Susann Fischer (Hamburg), Judith Meinschaefer (FU Berlin)

Kontakt: judith.meinschaefer@fu-berlin.de, susann.fischer@uni-hamburg.de

In vielen linguistischen Theorien wird davon ausgegangen, dass Sprachwandel durch Spracherwerb ausgelöst wird. Dabei spielen sowohl der Erst- als auch der Zweitspracherwerb eine Rolle. Im Spracherwerb ebenso wie in Situationen des Sprachkontakts (die oft durch Bilingualismus und unvollständigen Zweitspracherwerb gekennzeichnet sind) scheinen externe Schnittstellen der Grammatik (d.h. zwischen Syntax und Informationsstruktur/Pragmatik einerseits und zwischen Syntax und Phonetik/Prosodie andererseits) anfälliger für Veränderungen zu sein als grammatikinterne Schnittstellen (d.h. zwischen Syntax und Morphologie, Syntax und Phonologie sowie Syntax und Semantik; cf. White 2011, Rothman & Slabokova 2011).

Die sogenannten “Klitika”, die in allen romanischen Sprachen und Varietäten in unterschiedlicher Zahl als klitische Pronomen, Artikel, Negationselemente oder Präpositionen zu finden sind, bieten ein exzellentes Experimentierfeld, um Prozesse des (kontaktinduzierten) Sprachwandels und damit die Anfälligkeit von Schnittstellen zu beleuchten. Es sind die besonderen lautlichen, syntaktischen, semantischen und informationsstrukturellen Eigenschaften, welche Klitika unter linguistischer Perspektive so interessant machen. Klitika sind Elemente, die auf der Grammatikalisierungsskala zwischen autonomen Wörtern und Affixen angesiedelt sind und für deren Beschreibung deshalb stets mehrere Ebenen der Grammatik relevant sind (Zwicky 1977); daher werden sie schon seit langem als Schnittstellenphänomene betrachtet. Aufgrund der Tatsache, dass sich die Eigenschaften von Klitika aus der Interaktion der verschiedenen grammatischen Bereiche ergeben, und aufgrund ihres lautlichen und grammatischen “Eigenlebens”, das oft unabhängig von den grammatischen Eigenschaften freier Formen derselben Varietät ist, gelten sie als besonders instabile Domäne der Grammatik (Léglise 2013), in der sich in Situationen des Sprachwandels und des Sprachkontaktes Phänomene des Wandels, z.B. von Reduktion, Dopplung und Ersetzung, besonders deutlich zeigen.

Die Sektion verfolgt die folgenden Ziele:
Zum einen soll ein Inventar von lautlichen und grammatischen Besonderheiten romanischer Klitiksysteme erstellt werden, zum anderen soll überprüft werden, ob Klitika hinsichtlich der externen Schnittstellen (Prosodie und Informationsstruktur) tatsächlich anfälliger für Wandel sind als hinsichtlich der kerngrammatischen Bereiche, d.h. der internen Schnittstellen (Syntax, Morphologie und Semantik). Besonders interessant ist hier auch die Frage, welche Rolle der Sprachkontakt dabei spielt. Sind auch im kontaktinduzierten Wandel die externen Schnittstellen anfälliger als die internen Schnittstellen, oder hat nicht vielleicht vor allem die Dauer und Intensität des Sprachkontakts und die Typologie der involvierten Sprachen einen direkten Einfluss auf die Anfälligkeit aller grammatischen Bereiche, wie manche Wissenschaftler behaupten (Thomason & Kaufman 1987, Heine & Kuteva)? Willkommen sind Arbeiten zu Wandel und Variation von Klitika in allen romanischen (Kreol-)Sprachen und Varietäten, vor allem unter der Perspektive des Sprachkontakts, der Mehrsprachigkeit, des Zweitspracherwerbs und der Herkunftssprecher.

Literatur:
Heine, B. & T. Kuteva (2003), “On contact-induced grammaticalisation”, Studies in Language 27:3, 529-572.
Léglise, I. (2013), „The interplay of inherent tendencies and language contact on French object clitics“. Léglise, I. & C. Chamoreau (eds.). The Interplay of Variation and Change in Contact Settings. Amsterdam: Benjamins, 137-163.
Rothman, J. & R. Slabakova (2011), “The mind-context divide: on acquisition at the linguistic interfaces”, Lingua 121, 568-576.
Thomason, S. & T. Kaufman (1988). Language Contact, Creolization, and Genetic Linguistics. University of California Press, Los Angeles.
White, L. (2011). “Second language acquisition at the interfaces”, Lingua 121, 570 – 590.
Zwicky, Arnold. 1977. “On clitics”. W.U. Dressler,O. E. Pfeiffer (eds.), Phonologica, 29-39. (Akten der dritten internationalen Phonologie-Tagung, Wien, 1.4. Sept. 1976). Innsbruck.

Bitte senden Sie Ihr Abstract (ca. 500 Wörter) zu einem 30-minütigen Vortrag bis zum 10.01.17 per Email an judith.meinschaefer@fu-berlin.de und susann.fischer@uni-hamburg.de.

Beitrag von: Judith Meinschaefer

Redaktion: Christof Schöch