Prof. Dr. Heinz Bihler verstarb nach nur kurzer Krankheit am 17. Januar 2017 im gesegneten Alter von 98 Jahren in seiner Heimatstadt Freiburg in der Seniorenresidenz Augustinum, in dem er die letzten 25 Jahre seines Lebens verbrachte.

Nach der Freiburger Schulzeit absolvierte er an der Universität Heidelberg ein Übersetzerstudium in Französisch und Spanisch. Nach Unterbrechung durch Militärdienst und Kriegsgefangenschaft in Frankreich nahm er in München ein romanistisches Philologiestudium auf, das er 1949 mit der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an höheren Schulen in den Fächern Französisch und Englisch abschloss. Es folgte 1950 die Promotion im Hauptfach Iberoromanistik bei Gerhard Rohlfs in München mit einer Dissertation über Die Stellung des Katalanischen zum Provenzalischen und Kastilischen: statistische Analyse von katalanischen Texten aus Mittelalter und Neuzeit, die zunächst unveröffentlicht blieb und erst 2001 in Frankfurt am Main im Verlag Domus Editoria Europea herauskam. Im WS 1955/56 erfolgte ebenfalls in München die Habilitation zum Thema Spanische Versdichtung des Mittelalters im Lichte der spanischen Kritik der Aufklärung und Vorromantik, die 1957 bei Aschendorff in Münster erschien. Entsprechend der umfassenden Venia für Romanische Philologie unterrichtete Heinz Bihler als Privatdozent an der Ludwig-Maximilians-Universität die Romanistk in ihrer ganzen Breite, wobei er sich allerdings mehr und mehr auf die französische Sprache und Literatur fokussierte. Ganz in der Tradition seiner beiden Lehrer Rohlfs und Rheinfelder war Bihlers Forschung und Lehre anfangs stark historisch und diachronisch orientiert.

Im Laufe der Jahre kristallisierte sich unter dem Einfluss von Karl Vossler, Leo Spitzer und Helmut Hatzfeld eine wachsende Vorliebe für stilgeschichtliche Untersuchungen heraus. Zwei wichtige Ergebnisse dieser Entwicklung waren die Französische Stillehre (Wiesbaden 1955), die die grammatikalischen und rhetorischen Kategorien des Französischen auf dessen Stilelemente durchleuchte und mit den entsprechenden Stilmerkmalen des Deutschen verglich, sowie der Beitrag „Die französische Sprache, Versuch eines stilgeschichtlichen Überblicks“ für das von Paul Hartig herausgegebene Handbuch der Frankreichkunde (Frankfurt am Main: Diesterweg, 3. Aufl. 1962, S. 401-468), in dem er den Sprachstil des gegenwärtigen Französisch aus dessen geschichtlichen Entwicklungsphasen erklärte und veranschaulichte.

1961 erfolgte der Ruf auf das zweite Ordinariat für Romanische Philologie an der Georg-August-Universität Göttingen, der Bihler trotz eines zwischenzeitlichen Rufs nach Erlangen bis zu seiner Emeritierung treu blieb. Auch in seiner Göttinger Zeit stellte er die Stilforschung in den Mittelpunkt seiner wissenschaftlichen Tätigkeit, wobei er sich allerdings immer mehr auf die Hispanistik und später die Katalanistik konzentrierte. Heinz Bihler war einer der ersten romanistischen Ordinarien, der seinen Lehrstuhl fast ausschließlich hispanistisch definierte. Er nahm damit eine Entwicklung zur Spezialisierung in den siebziger Jahren vorweg, die 1977 bekanntlich zur Gründung des Deutschen Hispanistenverbandes und in den achtziger Jahren zur endgültigen Ausdifferenzierung der Romanistik in ihre sprachlichen Einzeldisziplinen führte.

Wachsende gesundheitliche Probleme sowie heftige Auseinandersetzungen mit linken Studenten und Mitarbeitern in der Folge der französischen Kulturrevolution vom Mai 68 veranlassten Bihler 1971, auf Anraten seines Arztes, die vorzeitige Emeritierung zu beantragen. Dies hinderte ihn allerdings nicht daran, seine Lehrtätigkeit noch bis in die Mitte der achtziger Jahre fortzuführen. Von 1972-1979 übernahm er sogar noch die Schriftleitung der Iberoromania, der er als Mitherausgeber bis 1997 eng verbunden blieb. Infolge seiner Erblindung verlegte er sich in der Forschung mehr und mehr auf die Lyrik, wobei er sich vor allem auf die katalanische Poesie fokussierte. Dabei entwickelte er eine ausgesprochene Vorliebe für das lyrische Werk Salvador Esprius, des unumstrittenen Klassikers der katalanischen Literatur des 20. Jahrhunderts, mit dessen Gedichtzyklen La pel de brau von 1960, Setmana Santa von 1971 und Per a la bona gent von 1984 er sich intensiv auseinandersetzte. Dabei beeindruckte ihn vor allem die philosophische und religiöse Tiefe von Esprius lyrischem Werk. Früchte dieser Arbeit waren Beiträge wie „Setmana Santa (1971) de Salvador Espriu: Ejemplo de poesía religiosa crítica en la actualidad“ (IR 9, 1979, S. 98-121), „Zur Bibel als Inspirationsquelle der katalanischen Gegenwartslyrik: Das Markus-Evangelium in Setmana Santa von Salvador Espriu“ (IR 15, 1982, S. 70-86) oder „Zum Alterswerk von Salvador Espriu (1913-1985) im Spiegel der Diskussion über Alter(n) und der aktuellen Erforschung von literarischen Alterswerken“, in: Sybille Große/Axel Schönberger (Hrsg.), Dulce et decorum est philologiam colere. Festschr. F. Dietrich Briesemeister zu seinem 65. Geburtstag, Berlin: Domus Ed. Europaea , 199, S. 107-134.

Bei allem privaten Glück und beruflichen Erfolg musste Heinz Bihler in seinem Leben drei schwere Schicksalsschläge verkraften, von denen zum Teil bereits die Rede war. Da waren zunächst die immer stärker werdenden Sehprobleme, an denen er seit seinem Studium litt und die Ende der sechziger Jahre zu seiner völligen Erblindung führten. Es ist bewundernswert, wie er dennoch nicht aufgab, sondern sich noch in die Blindenschrift und vor allem in die Arbeit mit Kassetten einarbeitete, ohne die ihm die Verwirklichung seiner Lehrveranstaltungen oder seiner Vorträge auf Fachkongressen nicht möglich gewesen wäre. Da war zweitens die außerordentlich heftige Auseinandersetzung mit den linken Fachschaftsvertretern und vor allem den eigenen revolutionären Mitarbeitern, deren Attacken zum Teil unter die Gürtellinie gingen und die ihn zutiefst verletzten. Diese Ereignisse hat Heinz Bihler nie verwunden; die schmerzliche Erinnerung daran hat ihn sein ganzes Leben begleitet. Ich persönlich habe es vor allem meinen linken Göttinger Mitkollegen nie verziehen, dass sie sich in ihrem Kampf gegen die Ordinarienuniversität gerade auf die Schwächsten stürzten, zu denen Bihler wegen seiner Erblindung zweifellos gehörte. Ein weiterer Schicksalsschlag blieb ihm im hohen Alter nicht erspart. Der Tod seiner Ehefrau Anne im Jahre 2011 hat zwar nicht seine robuste physische Konstitution, wohl aber sein seelisches Gleichgewicht und seinen Lebenswillen erheblich gestört. Zudem war sein tägliches Leben ohne die aufopferungsvolle Unterstützung seiner Frau nur noch schwer zu bewältigen. Doch selbst in dieser Situation haben ihn seine Zuversicht und selbst sein Humor nie ganz verlassen.

Besonders gefreut hat ihn gegen Ende seines Lebens die Tatsache, dass die Mitgliederversammlung des Deutschen Hispanistenverbandes ihn während des 20. Deutschen Hispanistentages im März 2015 in Heidelberg aufgrund seiner Verdienste um die Hispanistik zum Ehrenmitglied des Verbandes gewählt hat.

Wilfried Floeck (Mainz)

Beitrag von: Christof Schöch

Redaktion: Redaktion romanistik.de