Der Ausbaubegriff nach Kloss (²1978) hat sich als fruchtbares Konzept der historischen Linguistik erwiesen. Die von Koch/Oesterreicher (²2011) eingeführte Unterscheidung von ‘extensivem’ und ‘intensivem’ Ausbau erlaubt es, das Zusammenwirken von sprachexternen Bedingungen und sprachinternen Resultaten des Ausbaus auf handlungstheoretischer Grundlage zu modellieren: Je weiter ein bis dato nur gesprochenes Idiom in konzeptionell anspruchsvolle Diskursdomänen vordringt, in desto stärkerem Maße verzeichnet es einen Zuwachs an Komplexität, denn erst die Verfügbarkeit entsprechender Strukturen ermöglicht das Funktionieren der Sprache im Bereich der kommunikativen Distanz. Eine wichtige Rolle spielen dabei Entlehnungen, sei es aus dem Latein oder aus anderen Prestigesprachen (Folena 1991). Die so erlangte Steigerung des Ausdruckspotentials betrifft zentrale Bereiche des Wortschatzes und der Grammatik heutiger Standardsprachen: so etwa die Wortbildung; das textphorische System der Pronomina und Determinierer; Subordinationsmarker und adverbiale Konstruktionen; die verbale Argumentstruktur und infinite Konstruktionen; informationsstrukturell markierte syntaktische Formate und entsprechende Routinen der Textorganisation.

Diese Strukturen sind freilich auch Gegenstand der allgemeinen Sprachwandelforschung, der Typologie (Cristofaro ²2005) und daran anschließender Modellierungen der Grammatiktheorie (Croft 2001). Ausbau als Explanans für den Aufbau grammatischer Strukturen wird dabei aber in der Regel nicht berücksichtigt – mit der absurden Konsequenz, dass genuin distanzsprachliche Phänomene, die mitunter erst in der Neuzeit normativ implementiert wurden, mit Theorien des spontansprachlichen Wandels erklärt oder zur arealtypologischen Klassifizierung herangezogen werden.

Die Sektion verfolgt das Ziel, ausbauinduzierte Morphologie und Syntax in den romanischen Sprachen zu identifizieren, um ihre Entstehung und Konventionalisierung adäquater als bisher sprachhistorisch zu beschreiben. Im Zentrum steht dabei der Nexus von extensivem und intensivem Ausbau: Sprachwandel soll also systematisch nach seiner pragmatischen Motivation und seinem funktionalen Beitrag befragt werden – unter Berücksichtigung kontaktsprachlicher, diskurstraditioneller, normativer und soziolinguistischer Aspekte.

Als Ansatzpunkte für die Sektionsarbeit bieten sich die folgenden Überlegungen an:

  • In welchen Bereichen hat der Ausbau die romanischen Sprachen typologisch geprägt?
  • Wodurch unterscheidet sich der ausbauinduzierte vom spontansprachlichen Wandel? Welchen Anteil haben Mündlichkeit und Schriftlichkeit in verschiedenen Phasen des Wandels?
  • In welchen geistesgeschichtlichen und diskurstraditionellen Kontexten vollzieht sich ausbauinduzierter Wandel? Welche Rolle spielt dabei der Sprachkontakt? Gibt es neben konvergenten auch divergente Entwicklungen durch ‘negative’ Interferenz?
  • Welche Faktoren beeinflussen die Variation grammatischer Strukturen im Ausbau, und nach welchen Kriterien erfolgt die Selektion von Varianten im Prozess der Normierung?
  • Wie gehen die Schreiber mit den Anforderungen elaborierter Textualität und entsprechenden sprachlichen Neuerungen um? Kommt es zu Hyperkorrekturen oder stilistischen Moden?

Neben datenbasierten Studien sind auch theoretisch-methodologisch ausgerichtete Beiträge willkommen, etwa zur Integration typologischer oder grammatiktheoretischer Ansätze in die ausbauhistorische Beschreibung romanischer Morphologie und Syntax. Als Untersuchungsgegenstand kommen nicht nur die großen Kultursprachen in Frage, sondern auch teilausgebaute vormoderne Schreibsprachen sowie heutige Minderheiten- oder Kreolsprachen mit jüngerer Ausbaugeschichte.

Abstracts für dreißigminütige Vorträge (+15 Minuten Diskussion) sind bis zum 31.12.2018 per E-Mail zu richten an klaus.gruebl@lmu.de.

Sektionsleitung:
Santiago Del Rey Quesada (Sevilla)
Paolo Greco (Neapel)
Klaus Grübl (München)

Literatur:
Cristofaro, Sonia (²2005): Subordination. Oxford u.a.
Croft, William (2001): Radical Construction Grammar. Syntactic Theory in Typological Perspective. Oxford u.a.
Folena, Gianfranco (1991): Volgarizzare e tradurre. Turin.
Kloss, Heinz (²1978): Die Entwicklung neuer germanischer Kultursprachen seit 1800. Düsseldorf.
Koch, Peter/Oesterreicher, Wulf (²2011): Gesprochene Sprache in der Romania: Französisch – Italienisch – Spanisch. Berlin/New York.

Beitrag von: Klaus Grübl

Redaktion: Robert Hesselbach