Einführung: Sabine Greiner (Freie Universität Berlin)
In italienischer Sprache
Ort: Freie Universität Berlin, Habelschwerdter Allee 45, Raum L 116 (Seminarzentrum)

Leonardo da Vinci (1452-1519) ist als Schöpfer von Zeichnungen und Gemälden von außergewöhnlicher Zartheit und Ausstrahlung bekannt. Ebenso breit rezipiert wurde sein beachtliches Korpus von Notizen, Zeichnungen und Konstruktionsskizzen zu unterschiedlichen Maschinen, Festungen und anatomischen Details. Dieses Korpus wurde systematisch am Ende des 19. Jahrhunderts ediert und untersucht und Leonardo aufgrund seiner diversifizierten Interessen und der manchmal visionär erscheinenden Kühnheit seiner Entwürfe als isoliert stehendes “Genie”, als Ausnahmeerscheinung seiner Zeit begriffen.
Die Außergewöhnlichkeit Leonardos soll keineswegs bestritten werden, auch nicht seine faszinierende Fähigkeit, sich in unterschiedlichsten Wissensbereichen mit einer schier unerschöpflichen Neugier mühelos zu bewegen. Aber all dies macht ihn nicht zum “Genie” im romantischen Sinne. Was seine Persönlichkeit so einzigartig macht, ist einem Umstand zu verdanken, der zumeist nicht beachtet wird: die Tatsache, dass er aufgrund seines gewählten Lebensweges weder komplett dem Typus des Künstler-Ingenieurs entspricht noch dem des traditionellen Philosophen. Kurz vor der Vollendung seines vierzigsten Lebensjahres beschließt Leonardo in der Tat, ein “Schreibender” zu werden, das heißt sich in einen Wissensbereich zu vertiefen, der sich nicht alleine auf die technisch-künstlerischen Fähigkeiten, in denen er ausgebildet wurde, beschränkt. Damit begann Leonardo einen in Folge nie unterbrochenen Weg, der ihn in der Folge von dem Künstler-Ingenieur ebenso unterscheiden sollte wie von den “tatsächlichen” Philosophen – und zwar nicht nur weil Leonardo eine Ausbildung “sanza lettere” – also ohne Beschäftigung mit geisteswissenschaftlich-philosophischen Themen – genossen hatte, sondern auch aufgrund der Art und Weise, wie er die Welt betrachtete: ein Blick, der sich nie von der praktischen Perspektive, dem Anwendungsbereich des Wissens löste.
In diesem Vortrag soll versucht werden, Leonardo einerseits mit den “typischeren” Renaissanceintellektuellen zu vergleichen und so seine eigene Sicht auf “die Dinge” zu erläutern. Außerdem soll die Entwicklung seines Denksystems gezeigt werden, von hermetisch-magischen, teilweise astrologischen Themen hin zu einer Konzeption der Natur, die nicht mehr als geometrisches Kräftesystem innerhalb eines von diesem Kräftesystem verschiedenen Körpers begriffen wird, sondern als homogener Kräftefluss, aus welchem Körper als transitorische Formationen emergieren.

Beitrag von: Sabine Greiner

Redaktion: Robert Hesselbach