Stadt: Augsburg

Frist: 2021-01-15

Beginn: 2021-10-04

Ende: 2021-10-07

Christoph Oliver Mayer (HU Berlin/TU Dresden) / Paula Rebecca Schreiber (Univ. Trento)
christoph.mayer@tu-dresden.de/paula.schreiber@unitn.it

Populärmusik aus der Romania für Europa? – Historische und gegenwärtige Dimensionen eines „schlummernden“ Bindeglieds

Gemeinsame Werte und Überzeugungen, aber auch eine gemeinsame Memorialkultur sind als Bindeglied der Europäischen Idee bisher eingehend beschrieben worden (vgl. den Boer u.a. 2012 in Anschluss an die Thesen von Pierre Nora / Nora 1998). Europa bzw. die Identifikation mit Europa leidet aber gerade unter der ausbleibenden Auseinandersetzung hinsichtlich einer gemeinsamen Populär¬kultur. Bereits auffällig wurde dies durch das Ende des Ost-West-Konflikts und der Integration Osteuropas in die Europäische Union, insofern als auch die US-Kultur an Bindungskraft deutlich verloren hat (Linke/Tanner 2006) und sich Gemeinsamkeiten oftmals stärker auf binationaler Ebene finden (zu Deutschland-Frankreich siehe Hüser/Pfeil 2015 bzw. Umlauf u.a. 2013, zu Italien-Polen siehe Henzelmann/Mayer/Olcese 2020, zu Frankreich-Bulgarien Mayer/Henzelmann 2018). Hinzu kommt, dass die Wahrnehmung einer gemeinsamen europäischen Populärkultur sich zwar offensichtlich einer weiten Spanne bedient, es bei genauer Betrachtung aber augenscheinlich wird, dass zunehmend nur die Pole dieses Kontinuums bedient werden. Diese reichen von einem Europa, dass sich als globale Gemeinschaft inszeniert (wie es die Ausrichtung des 1961 entstanden „Gastarbeiterprogramms“ des WDR hin zum „Funkhaus Europa“ und seit 2016 nun als globaler Sender „COSMO“ zeigt), bis hin zu den konträr stehenden Isolierungsbewegungen, die gegen den Trend einer gemeinsamen Populärkultur arbeiten und Populärmusik aus ihrem globalen und europäischen Kontext entrücken, um sie zur Identifikationsfigur nationalistischer und patriotischer Programmatik zu erheben (wie z.B. der Rapper Chris Ares, der die Diskurstradition des in den späten 1980er Jahren in Frankreich entstehenden Message- bzw. Propheten-Rap – vgl. Lapassade 1990 – in verzerrte Beziehungszusammenhänge setzt).
Die Sektion möchte zum einen auf populärmusikalische Bindefaktoren blicken, die von der Idee der Eurovision (vgl. Vuletic 2018), zu Förderprogrammen wie Music Moves Europe, Jugendbewegungen wie der Existentialismus, bis hin zur einer europäischen Akademiekultur in der Auseinandersetzung mit Populärmusik (z.B. das neu entstandene European Hiphop Studies Network) reichen. Zum anderen gilt es eine Bestandsaufnahme der Gegenwart vorzunehmen und in die Zukunft zu blicken, d.h. politische Ideen (Vertrag von Aachen, Macrons Initiativen) auf eine populärkulturelle Verankerung hin zu befragen. Dabei fällt der Blick auf spezifische Rezeptions- und Produktionsphänomene in Europa, d.h. auf Spektakel wie der Eurovision Song Contest, genauso aber auch auf Identifikationsangebote der Romania (das französische Chanson, die italienische Canzone und das spanische Partylied), die Populärmusik zur geteilten Identität des Internationalen Studierendenaustauschs erheben. Verschiedene lokalspezifische Realitäten haben sich in der Romania als europäische Metropolen der Populärmusik etabliert und stehen einerseits im Zeichen der gegenwärtigen Superdiversity, gelten andererseits aber auch als Dreh- und Angelpunkt lokaler und regionaler Authentizitätsfragen: Ibiza als Hochburg der House-Musik (und der geprägten Stilrichtung Balearic Beat), Marseille als europäisches Rap-Mekka, das zeitgleich gesprochene Varietäten des Provenzalischen wiederbelebt (Spanu 2015) sowie die in der Provinz Lecce repopularisierte Kultur des Tarantismo und der Pizzica durch die La Notte della Taranta.
Der Romania ist in der Bestimmung einer europäischen Populärkultur eine prägende Rolle zuzuweisen, die aus transdisziplinärer Sicht erörtert werden soll. Konzepte wie Diskurs (z.B. Inklusions- und Exklusionsfaktoren der sprachlichen Positionierung nach Englebretson 2007), Performance (im Spannungsfeld zwischen Petras 2011 und Gruber 2017), Ästhetik und Transgression (Kimminich 2007) sind dabei in der Vernetzung kulturwissenschaftlicher, linguistischer, ethnographischer, aber auch philosophischer und anthropologischer sowie Sichtweisen aus den Kommunikations- und Kognitionswissenschaften zu diskutieren, um die romanischen Ingredienzien einer gemeinsamen europäischen Populärkultur herauszuarbeiten.

Interessenten wenden sich bitte mit einem kurzen Abstract bis 15.1.2021 an die Sektionsleiter.

Beitrag von: Christoph Mayer

Redaktion: Robert Hesselbach