Stadt: Augsburg

Frist: 2021-01-30

Beginn: 2021-10-04

Ende: 2021-10-07

Sektionsleitung: Sandra Ellena (Würzburg), Stefanie Goldschmitt (Würzburg), Esme Winter-Froemel (Würzburg)

Kontakte zwischen Sprachen und Varietäten sind im vielsprachigen Europa allgegenwärtig. Die modernen Gesellschaften des 21. Jahrhunderts lassen sich als vielschichtige, mobile und digital vernetzte Sprachgemeinschaften charakterisieren, deren Sprecher*innen ein großes kommunikatives Repertoire von lokaler bis globaler Reichweite zur Verfügung steht. Für die romanischen Sprachen schließt dies Kontakte zu regionalen Sprachen und Varietäten, Kontakte innerhalb der Familie der romanischen Sprachen sowie globale Kontaktphänomene wie den Einfluss des Englischen ein. Unterschiedliche Szenarien des Sprachkontakts haben ebenso für die gesamte romanische Sprachgeschichte eine bedeutende Rolle gespielt (vgl. Gabriel, Pešková & Selig 2020). Hierbei werden für vielfältige Wandelprozesse auf den verschiedenen Ebenen der Sprachen Kontakteinflüsse angenommen. Diese umfassen z.B. auch den Rückgriff auf Einheiten griechischen und lateinischen Ursprungs als wichtige Quelle des Ausbaus von internationalen Fachterminologien. Im globalen Austausch entstehen so neue Annäherungen, die differenziert zu erfassen sind. Bei der Untersuchung von Sprecherverhalten in konkreten Kontaktsituationen erscheint es ferner interessant, nach übereinzelsprachlich gültigen Prinzipien und Prozessen, Kategorien sowie Beschränkungen (z.B. hinsichtlich der Sprachenwahl, Code-Switching/-Mixing und der Verwendung entlehnter Einheiten) zu fragen und die sprachstrukturelle, kognitive oder pragmatisch-interaktionale Natur der entsprechenden Phänomene auszuloten.

Die Sprachkontaktforschung blickt auf eine lange Tradition zurück (für neuere Überblicksdarstellungen vgl. u.a. Thomason 2001, Matras 2009, Hickey 2010, Darquennes, Salmons & Vandenbussche 2019). Klassische Fragen betreffen unter anderem das Verhältnis von „internen“ und „externen“ Faktoren des kontaktinduzierten Sprachwandels sowie das Verhältnis von kontaktinduziertem und innersprachlichem Wandel insgesamt (vgl. Palacios 2017). Gleichzeitig wird mit unterschiedlichen Forschungsansätzen auf die Inter- bzw. Multidisziplinarität der Kontaktlinguistik verwiesen (vgl. Zenner, Backus & Winter-Froemel 2018, Winford 2020). Dies schließt Modellierungen der Kognitiven Semantik, Generativen Linguistik und Optimalitätstheorie wie auch soziolinguistische und psycholinguistische, kontrastiv-sprachstrukturelle und typologische Ansätze ein (z.B. Haspelmath & Tadmor 2009). Ebenso werden weitere theoretische Dimensionen von Sprachkontaktphänomenen erschlossen und pragmatische (vgl. Onysko & Winter-Froemel 2011, Andersen 2014), soziolinguistische und interaktionale Aspekte (vgl. Zenner & Kristiansen 2014) berücksichtigt. Im Blickfeld der neueren Forschung steht auch die graphische Repräsentation von Sprachkontakten in Linguistic Landscapes, und Sprachkontaktszenarien in der Geschichte der romanischen Sprachen werden ausgehend von aktuellen Ansätzen neu beleuchtet. Gleichzeitig werden vermehrt neue methodische Zugänge fruchtbar gemacht, etwa korpuslinguistische, psycholinguistische und computerlinguistische Verfahren (vgl. z.B. Cartier et al. 2018).

Ziel der Sektion ist es, im Rahmen einer Zusammenführung verschiedener Ansätze und Methoden neue theoretische Perspektiven der Sprachkontaktforschung zu erschließen. Dabei sind synchron und diachron orientierte Beiträge zu Sprachkontaktphänomenen auf unterschiedlichen Beschreibungsebenen der Linguistik willkommen. Mögliche Untersuchungsfragen betreffen beispielsweise:

- die Auswirkungen kognitiver Prinzipien und Prozesse in Sprachkontaktsituationen,
- die Auswirkungen der kontextuellen und kommunikativen Rahmenbedingungen auf sprachliches Handeln in Kontaktsituationen bzw. allgemein die pragmatische Dimension von Sprachkontaktphänomenen,
- die Auswirkungen des Grads an Ähnlichkeit bestimmter sprachstruktureller Merkmale für kontaktinduziertes Sprachverhalten und kontaktinduzierten Wandel bzw. dessen Ausbleiben,
- übergreifende Prinzipien des Sprachkontakts und die historische Bedingtheit von Sprachkontaktphänomenen,
- das Zusammenwirken struktureller und semantisch-pragmatischer Faktoren im Sprachkontakt.

Analysen romanischer (und ggf. anderer) Sprachdaten im Licht dieser Perspektiven sollen kritisch reflektiert und die Tragfähigkeit der verschiedenen Ansätze für die Modellierung von Sprachkontaktphänomenen in der Romania überprüft werden. Die Vortragsvorschläge sollten daher klar angeben, welche Kontaktsituationen und -phänomene untersucht werden und welchen theoretischen Ausrichtungen ihre Analyse folgt. Durch den Austausch sollen neue Einsichten in unterschiedliche Arten und Asymmetrien von Sprachkontaktphänomenen sowie zum Zusammenspiel von Sprachkontakt und Sprachwandel gewonnen werden.

Abstracts für Sektionsbeiträge (max. 400 Wörter exklusive Bibliographie) können bis zum 30. Januar 2021 eingereicht werden (sandra.ellena@uni-wuerzburg.de, stefanie.goldschmitt@uni-wuerzburg.de, esme.winter-froemel@uni-wuerzburg.de). Beitragssprachen sind alle romanischen Sprachen sowie Deutsch und Englisch.

Auswahlbibliographie

Andersen, Gisle. 2014. Pragmatic Borrowing. Journal of Pragmatics 67. 17–33.
Cartier, Emmanuel et al. 2018. Détection automatique, description linguistique et suivi des néologismes en corpus : point d’étape sur les tendances du français contemporain. SHS Web Conf. 46. 6e Congrès Mondial de Linguistique Française. https://doi.org/10.1051/shsconf/20184608002.
Darquennes, Jeroen & Salmons, Joseph C. & Vandenbussche, Wim (eds.). 2019. Language contact: an international handbook (HSK 45). Berlin: Mouton De Gruyter.
Haspelmath, Martin & Tadmor, Uri (eds.). 2009. World Loanword Database. Leipzig: Max Planck Institute for Evolutionary Anthropology. http://wold.clld.org, accessed on 2020-05-21.
Hickey, Raymond. 2010. The Handbook of Language Contact. Chichester: Wiley-Blackwell.
Gabriel, Christoph & Pešková, Andrea & Selig, Maria (eds.). 2020. Contact, variation and change in Romance and beyond. Studies in honor of Trudel Meisenburg. Berlin: Erich Schmidt Verlag.
Matras, Yaron. 2009. Language Contact. Cambridge: Cambridge University Press.
Onysko, Alexander & Winter-Froemel, Esme. 2011. Necessary loans – luxury loans? Exploring the pragmatic dimension of borrowing. Journal of Pragmatics 43(6). 1550–1567.
Palacios, Azucena (coord.). 2017. Variación y cambio lingüístico en situaciones de contacto. Madrid: Iberoamericana.
Thomason, Sarah Grey. 2001. Language Contact. Edinburgh: Edinburgh University Press.
Winford, Donald. 2020. Theories of Language Contact. In Grant, Anthony (ed.), The Oxford Handbook of Language Contact, Ch. 2. New York: Oxford University Press.
Zenner, Eline & Backus, Ad & Winter-Froemel, Esme (eds.). 2018. Cognitive Contact Linguistics. Berlin: Mouton De Gruyter.
Zenner, Eline & Kristiansen, Gitte (eds.). 2014. New perspectives on lexical borrowing (Language Contact and Bilingualism 7). Berlin: Mouton De Gruyter.

Beitrag von: Esme Winter-Froemel

Redaktion: Robert Hesselbach