Die Kantate als Katalysator. Zur Karriere eines musikalisch-literarischen Strukturtypus um und nach 1700
Stadt: Halle an der Saale
Beginn: 2014-11-20
Ende: 2014-11-22
URL: http://www.izea.uni-halle.de/cms/fileadmin/documents/veranstaltungen/2014/Kantaten-Folder2014.pdf
Die Jahre um 1700 sind durch einen bedeutenden Aufschwung der Kantatenproduktion in Europa gekennzeichnet. Beachtenswert ist die Dynamik, mit der dieser Aufschwung sich insbesondere im deutschsprachigen Raum vollzieht. Innerhalb weniger Jahre setzt sich die Kantate italienischen Stils mit ihrem typischen Wechsel von Da-Capo-Arie und Rezitativ nicht nur als musikalische Form durch. Sie beherrscht auch einen Teil der Poetik und findet Aufnahme in eine Reihe sozialer Handlungsfelder, vom höfischen Zeremoniell bis zum protestantischen Gottesdienst. Offenbar war die Kantate gerade durch ihre kombinatorische Struktur, ihre musikalische Variationsbreite sowie ihre Affektsättigung geeignet, in unterschiedlichsten Kontexten und Funktionen als Katalysator zu wirken: als ein musikalisch-literarisches Modell, das bei gleichbleibender Grundstruktur und variabler Anwendbarkeit funktionale und semantische Wandlungen in besonderem Maße befördern und beschleunigen konnte. Die Kantatenform erweist sich so als wesentliches Dynamisierungsmoment bei den ästhetischen wie kulturellen Transformationen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Gerade durch ihre Aktualität als relativ junge Gattung konnte sie zu einem performativ wirksamen Medium jenes ›frühaufklärerisch‹ genannten Denkens und Handelns werden, das auf Gegenwartsbezug und (partielle) Zukunftsgerichtetheit ausgelegt gewesen ist.
Die 15 Referate führen Vertreterinnen und Vertreter der Germanistik, Musikwissenschaft, Theologie, Anglistik, Kulturwissenschaft und Geschichte zusammen, um Grundlagenforschungen vorzustellen, verschiedene Interpretationsansätze auszutauschen und über das Phänomen der Kantate um 1700 im interdisziplinären Austausch nachzudenken.
Veranstaltungsort:
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Interdisziplinäres Zentrum für die Erforschung der Europäischen Aufklärung (IZEA), Franckeplatz 1, Haus 54, 06110 Halle
PROGRAMM
Donnerstag, 20. November 2014
14.00 Wolfgang Hirschmann (Halle/Saale), Dirk Rose (Düsseldorf)
Eröffnung und Begrüßung
Sektion I: Kantatenanfänge. Integration und Abgrenzung
14.30 Irmgard Scheitler (Würzburg)
Die Kantate als dramatischer Text. Gedanken über die Entstehung der Kantatenform
15.15 Joachim Kremer (Stuttgart)
Südwestdeutsche Quellen zur Geschichte der Kantate im frühen 18. Jahrhundert
16.00 Kaffeepause
16.30 Michael Maul (Leipzig)
Reformen vor der Reform – Auf der Suche nach den Inspirationsquellen für die Neumeister-Kantate
17.15 Wolfgang Miersemann (Halle/Saale)
»Jn ungezwungenen Teutschen Versen ausgefertiget«. Erdmann Neumeisters frühe Kantatendichtungen im Kontext der Ausprägung neuer Vers- und Strophenformen in der deutschen Lyrik um 1700
Freitag, 21. November 2014
Sektion II: Kantatentransfers. Die Kantate im europäischen Kontext
10.00 Klaus Pietschmann (Mainz)
Wechselbeziehungen zwischen der italienischen Kantaten- und Opernproduktion um 1700
10.45 Kaffeepause
11.15 Berthold Over (Mainz)
Liebeskonzeptionen in der italienischen und deutschen Kantate
12.00 Herbert Schneider (Saarbrücken)
Zu den Texten der frühen französischen Kantate. Ihre Autoren, ihre Gestalt, ihre Funktion
12.45 Mittagspause
Sektion III: Kantatenaffekte. Poetik, Theologie und Moral
14.30 Bernhard Jahn (Hamburg)
Affekt und Charakter
15.15 Stefanie Stockhorst (Potsdam)
Normative Aspekte der Kantate in der Dichtungstheorie am Übergang vom Spätbarock zur Aufklärung
16.00 Kaffeepause
16.30 Julian Heigel (Göttingen/Berlin)
Die Legitimation der Kantate mithilfe des hallesch-pietistischen Affektkonzepts
17.15 Gunilla Eschenbach (Marbach am Neckar)
Zum Metapherngebrauch in Johann Jakob Rambachs »Geistliche Poesien« und Johann Friedrich Helbigs Kantatenjahrgang »Auffmunterung zur Andacht« (beide 1720)
Samstag, 22. November 2014
Sektion IV: Kantatenwelt. Sammlungs- und Verwendungszusammenhänge
9.30 Steven Zohn (Philadelphia)
»Am besten bleib’ ich in der Mitte«: Morality and Telemann’s Secular Cantatas
10.15 Hansjörg Drauschke (Halle/Saale)
Die weltliche Kantate in Hamburg zwischen 1700 und 1715
11.00 Kaffeepause
11.30 Ann Le Bar (Washington)
»… das Public ein solches Werk wohl aufnehmen würde«: Telemann and the career of the cantata as a consumer good
12.15 Olaf Simons (Gotha)
Eingestreuete Poesien: Über Gedichte, Kantaten und ganze Opern in Romanen des frühen 18. Jahrhunderts
13.00 Schlussdiskussion
13.30 Ende des Symposiums
Veranstalter:
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Musik, Abteilung Musikwissenschaft
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Germanistik
Interdisziplinäres Zentrum für die Erforschung der Europäischen Aufklärung (IZEA), Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Interdisziplinäres Zentrum für Pietismusforschung (IZP), Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Das Symposium wird gefördert von der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung.
Informationen und Kontakt:
www.izea.uni-halle.de
Prof. Dr. Wolfgang Hirschmann
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
wolfgang.hirschmann@musikwiss.uni-halle.de
Juniorprof. Dr. Dirk Rose
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
dirk.rose@uni-duesseldorf.de
Beitrag von: Ricarda Matheus
Redaktion: Christof Schöch