Frist: 2020-11-01

Abstract
Wie jede andere Epoche, so war auch das Mittelalter keineswegs stumm, sondern von zahlreichen akustischen Phänomenen geprägt; diese reichten von den Klängen der Musik zu den Geräuschen des Handwerkes, vom Lärm des Krieges zur Stille der Klöster. Die akustischen Dimensionen des Mittelalters finden denn auch vermehrt Aufmerksamkeit in der mediävistischen Forschung, die dabei Anregungen aus Nachbardisziplinen – insbesondere der Musikwissenschaften und der sound studies – aufgreift und vertieft.
Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist die Beobachtung, dass die Einbeziehung akustischer Phänomene entscheidende Impulse für ein detaillierteres und angemesseneres Verständnis der Epoche (Wahrnehmung, Raumkonstruktionen, Intermedialität, Medialität etc.) liefern kann. So rekurrieren etwa soziale Interaktionen auf akustische Signale, narrative Ausgestaltungen beziehen sich auf und sind in sich lautliche Ausformungen. Akustik strukturierte mittelalterliche Alltage und prägte Präsentationsformen gleichermaßen.
Die mediävistische Lautforschung steht dabei vor der grundlegenden methodischen Herausforderung, dass die zu untersuchenden Laute verklungen und nur noch als Ergebnis medialer Transformationen zugänglich sind. Diese fanden ihren Niederschlag in verschiedenen Quellengattungen (Geschichtswissenschaft), in unterschiedlichen literarischen Gattungen (Literaturwissenschaft), in Kunstwerken (Kunstgeschichte) sowie Notationen (Musikwissenschaften). Sie sind überdies in diverse soziale, performative und narrative Kontexte eingebunden, die alle Bereiche der mittelalterlichen Gesellschaft (Religion, Recht, Krieg, Kunst etc.) erfassen. Das Forschungsthema ist damit in seinem Wesenskern interdisziplinär angelegt und auf die Vielfalt methodischer Zugriffe angewiesen.
Dem soll die Konzeption des Themenheftes ‚Akustische Dimensionen des Mittelalters. Methoden, Begriffe, Perspektiven.‘ Rechnung tragen. Mit dem bewusst offenen und wertneutralen Begriff ‚akustische Dimension‘ sind alle lautlichen Phänomene (von Musik bis Stille) und die Vielzahl von möglichen zeitgenössischen und modernen Deutungsansätzen erfasst. Damit steht nicht ein als unveränderlich gedachtes Klang-Ereignis im Zentrum der Analyse, sondern multimediale Konstruktionen von Lautsphären.

Mögliche Untersuchungsfelder sind:
• Symbolik, Semantik, Ausdeutung von Lauten
• mediale Vermittlung des Akustischen; Wahrnehmung und Inszenierung von Klängen in Texten und Bildern
• Konstruktionen akustischer Raume (z.B. Siedlungsformen als Lauträume, Kirchen als Klangräume etc.)
• Akustik und Performanz; Klangfiguren und Lautmetaphern
• soziale Distinktion durch Akustik
• akustische Dimensionen des Fiktiven
• Akustik im Religiösen

Im Zusammenspiel verschiedener akustischer Dimensionen soll das vorgeschlagene Themenheft eine Annäherung an ein aktuelles Forschungsgebiet schaffen und Anknüpfungspunkte für weiterführende interdisziplinäre Diskussionen eröffnen. Beiträge zu beispielbezogenen Einzelstudien sind ebenso willkommen wie übergreifende methodisch-theoretische Beiträge.
Bitte schicken Sie Ihre Vorschläge (max. 3.000 Zeichen) bis zum 1. November 2020 an die Herausgeber (martin.clauss@phil.tu-chemnitz.de; gesine.mierke@phil.tu-chemnitz.de). Die Autor*innenkonferenz zum Heft wird im Oktober 2021 an der Humboldt-Universität zu Berlin stattfinden.

Zeitplan
1. November 2020 Deadline für das Einreichen der Abstracts
Dezember 2021 Zusage an die Autor*innen
1. Juli 2020 Einsendung der formatierten Beiträge zum Peer Review
Oktober 2021 Autor*innenkonferenz in Berlin
30. November 2021 Abgabe der überarbeitete Beiträge (auf der Grundlage des Peer Review und der Autor*innenkonferenz)
Juni 2022 Erscheinungstermin

Beitrag von: Brigitte Burrichter

Redaktion: Ursula Winter