Stadt: Graz (online)

Beginn: 2021-07-08

Ende: 2021-07-10

Literatur fungiert seit jeher als Kreuzung der Perspektiven, Stimmen, Ideologien, aber auch der Medien: Von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit und vice versa, vom Kodex zum gedruckten Buch bis zum E-Book verwandelt sich die literarische Produktion, deren mannigfaltige Spielarten sich zudem auf andere, z.B. visuelle Kanäle öffnen. Eine mediensensible Literatur- und Kulturwissenschaft erkundet und feiert nicht selten derlei Überschneidungen, zeugen sie doch von der Vielgestaltigkeit, Veränderlichkeit und ‚Selbstaktualisierung‘ literarischer Praxis noch in Zeiten digitaler Ubiquität. Der kreativen Dimension von Inter-, Trans- und Hypermedialität stehen gleichwohl bedenkliche Effekte, sozusagen ‚Kollateralschäden‘, entgegen. Die Gewalt oder neutraler der nachhaltige Einfluss, den jedes Medium auf seine Nutzer*innen ausübt, liegt auf der Hand: Mediale Apparaturen richten Menschen zu (Adorno/Horkheimer), instituieren Herrschaft (Innis), amputieren den Sinnesapparat (McLuhan), produzieren leere Simulationen (Baudrillard) oder exzessive Beschleunigung (Virilio) und erweisen sich mitunter als Tötungsmaschinen (Kittler).
Solch prekären Kehrseiten medientechnischer Dispositive sucht die Tagung Rechnung zu tragen, indem sie sich Texten widmet, die zum einen das mediale Apriori aller Zeichenübertragung und Fortbewegung reflektieren, andererseits jedoch auch die damit einhergehenden aggressiven oder unheimlichen Potentiale offenbaren. Denn Speicher- und Reproduktions-, Projektions- und Informationstechniken disziplinieren nicht erst unserer Tage die sie gebrauchenden Subjekte, ‚formatieren‘ Existenzen und regulieren Wahrnehmung, isolieren just in ihrer verbindenden Qualität und produzieren dort Entfremdung, wo sie vermeintlich Partizipation verheißen. Literarische Fiktionen beleuchten diese Ambiguität der Medien, die stets zugleich ‚soziale‘ wie ‚asoziale‘ sind und deren abgründige Präsenz die Beiträge auf allen Ebenen der Textkonstitution und Kontextrealität ausloten. Vor diesem Hintergrund laden wir herzlich ein, mit allen Teilnehmer*innen die Janusgesichtigkeit des Medialen zu diskutieren.

Die Veranstaltung findet in deutscher und französischer Sprache via Webex-Videokonferenz statt.

Organisation: Kurt Hahn, Matthias Hausmann, Marita Liebermann, unter Mitarbeit von Verena Richter.

PROGRAMM

Donnerstag, den 8.7.2021

14.30 Uhr
Thematische und organisatorische Einleitung

MOBILE KÖRPER, MOBILE MEDIEN
15.00-15.20 Uhr
Stephanie Béreiziat-Lang: Einverleiben und Be-Schreiben. Körper, Schrift und der mediale Exorzismus kolonialer Alterität bei Jean de Léry
15.20-15.40 Uhr
Beatrice Schuchardt: Von Floß und Arche zum Trojaner. Mediales und narratives Framing der Flucht über das Wasser
15.40-16.00 Uhr
Steffen Schneider: Die mediale Inszenierung von Migration in frankophonen Mittelmeertexten
16.00-16.30 Uhr
Diskussion

16.30-17.00 Uhr
Kaffeepause

MEDIENSYSTEME, MEDIEN DER KONTROLLE
17.00-17.20 Uhr
Edmund Birch: La monotonie du journal chez Flaubert
17.20.-17.40 Uhr
David Klein: Zählen als Erzählen. Das Unheimliche der Literatur in der doppelten Buchführung (Balzac, Gaboriau)
17.40-18.00 Uhr
Diskussion

Freitag, den 9.7.2021

GRENZEN DER WAHRNEHMUNG, MEDIEN DER INSZENIERUNG
10.00-10.20 Uhr
Christian Wehr: Baudelaire und die optischen Medien. Eine technische Genealogie des poetischen Sehens
10.20-10.40 Uhr
Christoph Groß: Crise de verre. Das Fenster als Dispositiv medialer Evidenzierung im französischen Symbolismus (Mallarmé, Rodenbach, Saint-Pol-Roux)
10.40-11.00 Uhr
Diskussion

11.00-11.15 Uhr
Kaffeepause

11.15-11.35 Uhr
Ángela Calderón Villarino: Narratologie des Unheimlichen. Charles Nodiers Histoire du roi de Bohême et de ses sept châteaux
11.35-11.55 Uhr
Verena Richter: Jean-Daniel Pollet, lecteur de Maupassant. La voix dématérialisée dans Le Horla (1966)
11.55-12.15 Uhr
Diskussion

MODERNITÄT, MEDIALITÄT, MORTALITÄT I
14.00-14.20 Uhr
Kirsten von Hagen: Von verzehrenden Projektionen und Männern aus Stahl – Medienreflexionen bei Jules Verne
14.20-14.40 Uhr
Matthias Kern: Technik des Todes. Pierre Mac Orlans unheimliche Moderne im Klima des entre-deux-guerres
14.40-15.00 Uhr
Hermann Doetsch: ‚Die totale Mobilmachung‘ – Die Medienregimes des Kriminalromans
15.00-15.30 Uhr
Diskussion

15.30-16.00 Uhr
Kaffeepause

MODERNITÄT, MEDALITÄT, MORTALITÄT II
16.00-16.20 Uhr
Wolfram Nitsch: Beredte Photographien. Unheimliche Postkarten bei Claude Simon
16.20-16.40 Uhr
Wolfgang Lasinger: Zwischen Katastrophismus und Eskapismus. Mediendämmerung in Claude Olliers späten Roman-Zyklen L’Archipel und La Randonnée
16.40-17.00 Uhr
Diskussion

Samstag, den 10.7.2021

SCHREIBWEISEN DER MEDIALEN TRANSFORMATION
10.00-10.20 Uhr
Dagmar Schmelzer: Après le livre. Der Medienwandel als contrainte bei François Bon
10.20-10.40 Uhr
Franziska Humhpreys: « Une machine à écrire, une machine pour voir » – Überlegungen zum Verhältnis von kinematographischem Bild und literarischer Schrift ausgehend von Tanguy Viel
10.40-11.00 Uhr
Diskussion

11.00-11.15 Uhr
Kaffeepause

11.15-11.35 Uhr
Angelika Vybiral: Polyphonie entre euphorie et apocalypse. L’amour virtuel dans C. Laurens Celle que vous croyez (2016)
11.35-11.55 Uhr
Marie Fleury Wullschlager: « L’avenir ne peut pas être prédit ». Réalités et pouvoirs fictionnels des nouvelles technologies dans La clé USB de Jean-Philippe Toussaint (2019)
11.55-12.15 Uhr
Diskussion

OMNIPRÄSENZ DES DIGITALEN, ANALOGE NOSTALGIE
14.00-14.20 Uhr
Christian von Tschilschke: De Facebook à YouPorn. Les nouvelles technologies de communication dans Vernon Subutex (2015/2017) de Virginie Despentes
14.20-14.40 Uhr
Lars Schneider: Vernetzte Digitalisierung und analoger Untergrund in Virginie Despentes’ Vernon Subutex
14.40-15.00 Uhr
Jan Knobloch: « Rien de connectable ». Zur Rückkehr nicht-elektronischer Erzählmedien in Fiktionen des Kollapses (Darieussecq, Henry, Volodine)
15.00-15.30 Uhr
Diskussion

15.30 Uhr
Abschlussgespräch

KONTAKT
Bitte melden Sie sich bei Interesse unter folgender Email-Adresse an: medientagung@uni-graz.at
Bei Anmeldung erhalten Sie die Einwahldaten.

Beitrag von: Matthias Hausmann

Redaktion: Robert Hesselbach