Am 4. September 2022 ist Christian Schmitt gestorben. Christian Schmitt, Jahrgang 1944, war nach Promotion und Habilitation in Heidelberg ab 1977 zunächst in Hamburg, dann von 1979 bis 1984 in Bonn, von 1984 bis 1988 am Institut für Übersetzen und Dolmetschen in Heidelberg und ab 1988 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2009 wieder in Bonn tätig. Als seine Schülerinnen und Schüler, die ihn in seiner zweiten Bonner Zeit erlebt haben, erinnern wir uns an einen enorm fleißigen, thematisch sehr breit orientierten romanistischen Sprachwissenschaftler, der als einer der vielleicht letzten Vertreter seiner Art in Forschung und Lehre die sprachliche Vielfalt der Romanistik vom Latein bis zu den romanischen Minderheitensprachen der Gegenwart, die methodische Breite von klassischen etymologischen Studien über die sprachwissenschaftliche Ideengeschichte bis zu Medien-, Text- und Korpuslinguistik abdeckte. Der Blick in die 2004 anlässlich seines 60. Geburtstags erschienene Festschrift zeigt ein enormes, allein schon vom Umfang und der unermesslichen thematischen Breite her beeindruckendes Publikationsverzeichnis. Die Übergabe ganzer Manuskript-Blattsammlungen an seine Sekretärin zur Typoskripterstellung war ein fast wöchentliches Ritual. Selbst in den Zeiten, in denen er als Dekan der Philosophischen Fakultät (1992-1996) mit administrativen Aufgaben mehr als ausgelastet war, verfasste er an den Wochenenden neben Gutachten für Abschlussarbeiten mindestens eine Buchbesprechung.

Christian Schmitt war leidenschaftlicher Forscher, der mit großer Freude und einer ihm eigenen gewissen Maßlosigkeit etwa von seinen etymologischen Entdeckungen auf dem Feld der Ornithonymie schwärmen konnte (zahlreiche Beiträge zu dieser Thematik sind in der ZRPh publiziert worden), und ein höchst engagierter akademischer Lehrer. Es war nicht unüblich, dass seine offiziell von 18-20 Uhr angesetzte wöchentliche Sprechstunde bis 22 Uhr dauerte und er dann am späten Montagabend mit den letzten Studierenden das Bonner Schloss über den Notausgang verließ. Es gelang ihm, zahlreiche begabte Studierende zu ermuntern, nach erfolgreichem Studienabschluss eine Promotion anzuschließen. Allein in der Reihe Bonner Romanistische Arbeiten gehen knapp dreißig Monographien auf die Förderung und Betreuung von Christian Schmitt zurück. Unter Studierenden, Promovierenden und Habilitanten war er bekannt für seine sehr zügigen und zugleich ausführlichen Korrekturen. Die von den Prüfungsämtern vorgegebenen Korrekturfristen unterschritt er systematisch. Dabei nahm er sich stets die Zeit für Besprechungen. Was ihn als Betreuer wissenschaftlicher Forschungen unter anderem auszeichnete, war der Blick für gelungene – oder auch misslungene – Formulierungen. In seinen Lehrveranstaltungen vermittelte er die Fähigkeit, wissenschaftliche Fragestellungen zu entwickeln und diese methodisch stringent zu bearbeiten. Er gehörte zu den ersten, die die Erstellung eines Merkblatts zum wissenschaftlichen Arbeiten anregten. Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses lag ihm am Herzen. Er unterstützte bereits Studierende noch vor Abschluss ihres Examens dabei, an wissenschaftlichen Konferenzen teilzunehmen, ermutigte diese sogar zu eigenen Vorträgen. In seinen Urteilen und Bewertungen war er häufig sehr klar, wobei er die Studierendenschaft durchaus polarisierte. Kritik an seiner Auffassung nach nicht angemessenen Leistungen war mitunter genau so scharf wie das Lob für gelungene Beiträge überschwänglich
sein konnte. Dieser Charakterzug führte durchaus auch zu Zerwürfnissen und Verletzungen, so dass einige ihre wissenschaftliche Laufbahn nicht zu Ende gingen oder an anderen Orten fortsetzten.

Christian Schmitt liebte den wissenschaftlichen Austausch. Inhaltlichen Widerspruch schätzte er, auch wenn er am Ende meist die Widersprechenden eines Besseren, d.h. seiner Ansichten, belehrte. Selbst in Vorlesungen suchte er den kontroversen Austausch mit den anwesenden Studierenden und Promovierenden. Er wurde von den Bonner Studierenden wahrgenommen als Person, die sich und andere für das eigene Fach wirklich begeistern konnte. Gelungene Seminarsitzungen waren ein wahres Feuerwerk an klugen Gedanken, inspirierenden Ideen und spannenden Diskussionen. Er hatte die Gabe, im akademischen Gespräch seine Zuhörer zu packen. Unter allen Hochschullehrern gehörte er sicher zu denjenigen, die bei Studierenden die intensivsten Erinnerungen hinterlassen.

Christian Schmitt gehörte noch der Generation romanischer Philologen an, die mit Zettelkästen, handschriftlichen Notizen und mechanischen Schreibmaschinen arbeitete. Gleichzeitig war ihm die Bedeutung etwa der Computerlinguistik oder der automatisierten Korpusanalyse wohl bewusst, so dass er sich innerhalb der Universität stark für den Ausbau der technischen Infrastruktur einsetzte und die Beherrschung der neuen Medien durch Studierende grundsätzlich als Schlüsselkompetenz betrachtete. Die neuesten fachlichen Entwicklungen hielt er stets im Blick. Von seinen Tätigkeiten als Mitherausgeber des Lexikons der romanistischen Linguistik (LRL), der Handbücher zur Romanischen Sprachgeschichte (HSK 23.1-3) und des Romanistischen Jahrbuchs profitierten nicht nur zahlreiche wissenschaftliche Hilfskräfte und Mitarbeiterinnen vor Ort, sondern auch die Studierenden. Christian Schmitt lud regelmäßig Fachkolleginnen und Fachkollegen zu Gastvorträgen ein, so dass u.a. Jörn Albrecht, Peter Blumenthal, Horst Geckeler, Hans Goebl, Jutta Langenbacher-Liebgott, Jens Lüdtke, Margot Kruse, Maria Lieber oder Antonio Martínez González regelmäßig die Lehrveranstaltungen durch ihre fachlichen Perspektiven bereicherten. Er organisierte mehrere internationale, hochkarätig besetzte Kolloquien in Bonn, so zur Grammatik von Andres Bello, zur Normendiskussion in Frankreich oder zum 70. Jahrestag der grammaire des fautes von Henri Frei.

Im Februar 2009 hielt Christian Schmitt seine Abschiedsvorlesung in Bonn. Bei dieser Gelegenheit würdigten ihn und dankten ihm zahlreiche Studierende, Promovierende, ehemalige Kolleginnen und Kollegen. Seine Tätigkeit war für die Bonner Romanistik eine sehr prägende Epoche. Seine letzten Lebensjahre waren – wie vielen bekannt ist – aufgrund von privaten und persönlichen Problemen voller Tragik. Am 4. September 2022 schied Christian Schmitt aus dem Leben.

Sein Vermächtnis als Forscher und Lehrer bleibt für die romanische Sprachwissenschaft von höchster Bedeutung. Er hinterlässt ein großes, inspirierendes und sehr breit angelegtes Gesamtwerk, und es bleiben lebendige Erinnerungen an eine der herausragenden Figuren unserer Disziplin. Wir erinnern uns an unseren akademischen Lehrer.
Rom, Essen, Saarbrücken und Bochum

Alberto Gil
Dietmar Osthus
Claudia Polzin-Haumann
Judith Visser

Beitrag von: Dietmar Osthus

Redaktion: Robert Hesselbach