Stadt: Köln

Beginn: 2022-11-24

Ende: 2022-11-26

URL: https://romanistik.phil-fak.uni-koeln.de/sites/romanistik/Aktuelles/Proust.pdf

ANKÜNDIGUNG
Der 100. Todestag von Marcel Proust am 18. November 2022 legt es nahe, seine literarische Auseinandersetzung mit dem Tod zu beleuchten, denn auch auf diesem finsteren Gebiet hat er die Kultur des 19. Jahrhunderts noch einmal ausführlich rekapituliert und zugleich der des 20. Jahrhunderts neue Wege gewiesen. Dies soll auf dem internationalen Symposion der Marcel Proust Gesellschaft aus verschiedenen Perspektiven geschehen.
Unmittelbare Spuren hat der Tod in Prousts Korrespondenz hinterlassen. In elaborierten Korrespondenzschreiben oder in formloseren persönlichen Briefen hat er den Verlust zahlreicher ihm nahestehender Personen eindringlich zur Sprache gebracht, etwa seines geliebten Chauffeurs Alfred Agostinelli, der 1914 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam.
Aber auch in À la recherche du temps perdu ist der Tod von Anfang an allgegenwärtig. Manche Figuren erliegen einem Leiden, wie der Schriftsteller Bergotte oder die Großmutter des Protagonisten, andere wieder fallen wie sein Freund Saint-Loup dem Ersten Weltkrieg zum Opfer oder einem banalen Unfall wie seine Geliebte Albertine. Der schwerkranke Erzähler selbst sieht sich dem Tod schon so nahe, dass er eine Philosophie des Alterns skizzieren und um den Abschluss seines Werks bangen muss.
Dennoch kommt der Tod in Prousts Roman vor allem als poetisch wie ästhetisch produktives Ereignis zur Geltung. Der Erzähler verweist auf bewegende Abschiedslieder, die dem Tod seit dem 19. Jahrhundert entspringen, entwirft seine eigene Poetik der Erinnerung als Versuch, ihn zu überwinden, fasst allerdings auch schon ins Auge, was der Proust-Leser Roland Barthes später als den «Tod des Autors» bezeichnen wird.
Eine besondere Rolle in Prousts Beschäftigung mit dem Tod spielte die von ihm oft genutzte und besprochene Photographie. Obschon sie nach seiner Auffassung eine Mortifikation zu Lebzeiten bewirkte, erlaubte sie es dem Autor gleichwohl, seiner Leserschaft und Nachwelt ein bestimmtes Bild von sich zu vermitteln. Seiner Kontrolle entzogen blieb hingegen das an seinem Totenbett von Man Ray aufgenommene Porträt, ebenso wie die Zeichnungen, die in seinem Sterbezimmer entstanden.

Beitrag von: Martina Mohr

Redaktion: Ursula Winter