Stadt: Konstanz

Frist: 2024-12-31

Beginn: 2025-09-22

Ende: 2025-09-25

URL: https://www.romanistiktag.de/xxxix-romanistiktag/sektionen/sektion-8/

Vom Menschen und anderen Monstern: Technologie und Monstrosität in den romanischen Kulturen
39. Romanistiktag Universität Konstanz (Literatur und Kulturwissenschaft)

Álvaro Arango Vallejo (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn)
Rogier Gerrits (Universität Hamburg)
Stefanie Mayer (Universität Wien)

Vampire, Hexen, Cyborgs, Kannibalen und Aliens: als Konstrukte des kulturellen Imaginären spiegeln die vielfältigen Erscheinungsformen des Monströsen kollektive Ängste und Wünsche wider. Sie vereinen vermeintlich inkompatible Gegensätze wie Leben und Tod, Mensch und Tier, Organismus und Maschine (Smits 2006: 495), fordern so etablierte kognitive Kategorien heraus und hinterfragen unser Weltverständnis und unser Selbst (Weinstock 2020: 3).

Durch seine Hybridität eignet sich das Monströse als Projektionsfläche für kulturelle Umbrüche, die in wiederkehrenden und doch stets abgewandelten Formen auftritt. Wie die Etymologie des Wortes nahelegt (lat. monstrum), offenbaren Monster etwas oder warnen davor (Cohen 2018: 62). Angesiedelt “at the border of the known and the unknown” (Broedel; Byars 2018: 3) tauchen sie vermehrt auf, wenn sich soziale, wissenschaftliche, kulturelle oder technologische Transformationen ankündigen. So verwundert es nicht, dass sich Monster auch dann besonders häufen, wenn sich neue Technologien durchsetzen.

Im Vergleich zur Anglistik oder Germanistik gibt es in der Romanistik für die Erforschung des Monströsen, insbesondere in Zusammenhang mit Technologie, noch Nachholbedarf. Dabei sind Monster in den Kulturen der romanischsprachigen Länder von der Antike bis zur Postmoderne omnipräsent.

So beförderten die Innovationen der Schiffahrt nicht nur Imaginationen von Seeungeheuern, die vor einer Überschreitung der Grenzen des bislang Bekannten warnten, sondern waren zugleich Grundlage für Kolonisierungsprozesse, die wiederum eng mit der Monstrifizierung des Anderen verbunden waren. Indigene wurden als Kannibalen oder Monster dargestellt, um europäische Untaten zu legitimieren (Broedel; Byars 2018: 11; Weinstock 2020: 16).

Bereits im Laufe der sich im 17. Jahrhundert vollziehenden wissenschaftlichen Revolution werden Monster zunehmend mit menschlichen Schöpfungen assoziiert (cf. Hanafi 2000), besonders deutlich äußert sich deren Zusammenhang zu technologischer Innovation jedoch im Übergang zur Moderne. Wissenschaftler*innen der phantastischen Literatur überschreiten die Grenzen des Möglichen und offenbaren dabei monströse Facetten des Modernisierungsprojekts (Frankenstein, Mary Shelley 1818; The Strange Case of Dr. Jekyll & Mr. Hyde, Robert Louis Stevenson 1886, Horacio Kalibang, Eduardo Ladislao Holmberg 1879). Gleichzeitig erzeugen wissenschaftliche Entdeckungen wie Elektrizität, Genetik oder unsichtbare Wellen und Teilchen eine Faszination für Unsichtbares, die sich im Aufkommen der ghost stories oder in Narrationen wie Le Horla (Guy de Maupassant 1887) zeigen. In ähnlicher Weise verschmelzen diese Neuheiten mit Ideen des Okkultismus und Spiritismus, um neue literarische Monster zu erschaffen, die durch Wissenschaft ermöglicht oder erklärt werden (z.B. in den Werken H.G. Wells, Luigi Capuanas, Leopoldo Lugones und Horacio Quirogas). In all diesen Fällen trägt die Technologie nicht zum individuellen oder gesellschaftlichen Fortschritt bei, sondern öffnet vielmehr die Tür zu neuen, bislang unbekannten Monstrositäten.

Mit dem Übergang zum 20. Jahrhundert beginnen Monster Modernität zu verkörpern: von Maschinen, die Tragödien auslösen (Cuentos macabros, Alejandro Cuevas 1911), über Darstellungen der Stadt als Moloch (Metropolis, Fritz Lang 1927) bis hin zu dystopischen Herrschaften der Technologie (Alphaville, Jean-Luc Godard 1965). Zunehmend rücken jene Facetten des Monsters ins Zentrum, die nicht mehr eine fremde Bedrohung für ein etabliertes Wissenssystem verkörpern, sondern den Präzedenzfall Frankenstein aufgreifen und zur Reflexion über die dunklen Seiten der Gesellschaft, einschließlich des Missbrauchs der Technologie, anzustoßen. Das Monster wird zum Spiegelbild des Menschen. So dient beispielsweise Godzilla der Thematisierung des historischen Traumas der Atombombenabwürfe in Japan (Suzuki 2020: 423) und die Entstehung des Zombie-Motivs (für welches die italienische Filmindustrie mit Beiträgen wie Zombi 2 und Zeder eine unverzichtbare Rolle spielt) und deren virulente Ausbreitung als Allegorie für die Gefahren folgsamer Menschenmassen (Heise-von der Lippe 2018: 219-220).

Monster des digitalen Zeitalters, zeigen vermehrt Risiken auf, etwa durch Personifizierungen der Gefahren künstlicher Intelligenz (Ex Machina, Alex Garland 2014) oder dystopische Erzählungen, in denen digitale Räume die Realität zu ersetzen droht (“Verde Rojo Anarajado”, Mariana Enríquez 2016). Doch ermöglicht die zunehmende Verschmelzung von Mensch und Technologie auch subversive Figurationen des Monsters, die hegemoniale Diskurse aus transdisziplinären Perspektiven wie Gender Studies (Titane, Julia Ducournau 2021; Donna Haraways Cyborg Theory), Ecocriticism (Distancia de Rescate, Samanta Schweblin 2014; Cadaver exquisito, Agustina Bazterrica 2020) und Posthumanismus (Black Mirror, Charlie Brooker 2011-2023; Kentukis, Samanta Schweblin 2019) hinterfragen.

Die Anpassungsfähigkeit des Monsters bezieht sich auch auf die mediale Ebene: Ausgehend von Folklore und Mythologie bleibt das Monster über komplexe Medienwechsel hinweg ein konstant populäres Motiv, das sich in der vormodernen Sachliteratur (antike Geschichtsschreibung, Kolonialchroniken, medizinische Traktate), in Literatur, Film und Fernsehen sowie in Videospielen und digitalen Medien (Creepypasta, Twitterature) manifestiert. Das Monster kann hier als Spur medialer Entwicklung gelesen werden. Nicht zuletzt stellt sich die Frage, ob das Monster nur auf inhaltlicher Ebene wütet oder auch bestimmte Formen und Ästhetiken bevorzugt (Koenig-Woodyard et al. 2018: 5).

Die kulturwissenschaftlich-literaturwissenschaftlich ausgerichtete Sektion erforscht Facetten, Funktionen und Entwicklungen des Monsters in romanischen Sprachräumen mit besonderem Fokus auf dem Zusammenhang zwischen Monstern und Technologie. Des Weiteren soll untersucht werden, auf welche Ästhetiken und Formen in diesem Kontext besonders häufig zurückgegriffen wird, bzw. ob das Monströse auch vermag neue Stile hervorzubringen.

Mögliche Themenschwerpunkte:

  • Theoretische Beleuchtungen der Beziehung von Monstern und technologischer Innovation
  • Charakteristische Berührungspunkte von Monstern und Technologie
  • Monster als transmediale Motive
  • Monster als Symbole für hegemoniale oder subversive Wissensordnungen bzw. für die Spannung zwischen den beiden
  • Entwicklung wiederkehrender monströser Motive durch technologischen oder medialen Wandel
  • Facetten und Neuschreibungen des Monströsen ausgehend von soziokulturellen Kontexten der Romania
  • Inszenierungsstrategien und Poetiken des Monströsen
  • Posthumanistische Perspektiven auf das Monster

Bitte senden Sie Ihren Vorschlag (max. 4000 Zeichen, inkl. Leerzeichen/Bibliographie) bis zum 31. Dezember 2024 an:
mayer.stefanie@univie.ac.at

Bibliographie

Smits, M. (2006): “Taming monsters: The cultural domestication of new technology” in Technology in society, Vol. 28(4), 489-504.

Weinstock, J. (2020): The Monster Theory Reader. University of Minnesota Press.

Cohen, J. (2018): „Monster Culture (Seven Theses)” in A. Mittman/M. Hensel: Classical readings on monster theory. Arc-Humanities-Press.

Broedel, J./Byars H.P. (2018): Monsters and Borders in the Early Modern Imagination. NY: Routledge.

Hanafi Z. (2000): The Monster in the Machine: Magic, Medicine, and the Marvelous in the Time of the Scientific Revolution. Duke-University-Press.

Heise-von der Lippe, A. (2018): „Zombie Fictions” in L. Kremmel / K. Corstorphine (Hrsg.): The Handbook to Horror Literature. Cham: Palgrave, 219-231.

Suzuki, E. „Beasts From The Deep” in Weinstock, J. (Hrsg.): The Monster Theory Reader. University of Minnesota Press. S.423-428.

Koenig-Woodyard C./Nanayakkara S./Khatri Y. (2018): „Introduction: Monster Studies“ in University of Toronto Quarterly, Vol. 87(1), 1-24.

Beitrag von: Stefanie Mayer

Redaktion: Ursula Winter