Stadt: Greifswald

Frist: 2024-11-15

Beginn: 2025-11-20

Ende: 2025-11-22

Gedankenwelten und Gedankenspiele: Konzeptualisierungen des Inneren in Mittelalter und Früher Neuzeit.
- Interdisziplinäre und internationale Fachtagung -
20. bis 22. November 2025, Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald

Organisation: Dr. Florian Schmid

Die durch Erzähler- und Figurenreden perspektivierte Darstellung von Wahrnehmungen, Emotionen und verbalisierten Gedanken ist eine Grundkonstante des Dichtens. Diese beruhen auf historisch und kulturell spezifisch kodierten Konzepten, die in literarischen und auch historiographischen Werken variierend aufgegriffen, verarbeitet und verhandelt werden. Im Kontext der Untersuchung literarischer und historiographischer Darstellungen mentaler und psychischer Prozesse stellt die Gedankenrede ein Thema mit großem Potenzial dar. Ihr Einsatz markiert häufig Schlüsselstellen in der Gestaltung veränderter mentaler Zustände der Figuren. Das Erzählmittel Gedankenrede wird seit der hebräischen und griechischen Antike breit verwendet, jedoch variiert sein Einsatz, seine Funktionalisierung und seine Kombination mit anderen Techniken der Introspektion je nach Kultur, Epoche, Gattung, Genre, Autor und auch Werk. Im Zentrum der Tagung steht die Untersuchung der literarischen Konstituierung, Imagination, Reflexion und Zeichenhaftigkeit des menschlich Inneren im Kontext der jeweiligen besonderen kulturellen Bedingungen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Kulturen. Für diese gilt, dass die jeweiligen Gestaltungsweisen und Strategien der Präsentation und Inszenierung des Eigenen wie des Anderen stets in Relation zu der Konzeptualisierung des sozial formierten Außen zu bestimmen sind. Verbunden ist damit die Frage nach dem Eigenwert und dem spezifischen Erkenntnisinteresse einer literarischen bzw. historiographischen Konzeptualisierung des Inneren in Abgrenzung zu anderen Wissensdiskursen.
Ein erneutes wie fokussiertes Nachdenken über den Einsatz dieses Erzählmittels in der Geschichte des Dichtens verspricht wesentliche neue Erkenntnisse: über die literarische und jeweils historisch bedingte Verhandlung von Weltwahrnehmung und deutung, über die Reflexion und die Standortgebundenheit von Identitätskonstruktion, Subjektwerdung und Selbstinterpretation, über die literarhistorische Chronologie der Bewusstseinsdarstellung sowie über die Wechselwirkungen von Literatur und anderen Wissensdiskursen. Indem zum einen nach der Klassifizierung der Darstellungsformen von mentalen Vorgängen in der Literatur und in der Historiographie nach dem Stellenwert der Gedankenrede für die Konzeptualisierung eines menschlich Inneren gefragt wird und zum anderen Werke aus Mittelalter und Früher Neuzeit unterschiedlicher europäischer Kulturen untersucht werden, verfolgt die Tagung sowohl systematische als auch historische Fragestellungen in komparativer Perspektive.
Vorgeschlagen sind die folgenden Themenbereiche, die selbstverständlich um andere erweitert werden können:
- Historische Semantik, z.B. sprachwissenschaftliche, korpuslinguistisch fundierte semantische Analysen von Verwendungsweisen zentraler Begriffe, die auf ein Inneres und seine Standortgebundenheit bzw. Widersprüchlichkeit verweisen;
- Konzeptualisierungen des Inneren, z.B. Gebrauch von Gedankenrede in Kombination wie Wechselwirkung mit anderen Formen der Darstellung von Innenwelt und in Abgrenzung zur Außenwelt;
- Genderspezifische Handlungsräume, z.B. genderspezifische Inhalte, Einsätze und Formen von Gedankenreden und weiteren Formen der Darstellung eines menschlich Inneren;
- Komparatistik_, z.B. systematische und historische Gemeinsamkeiten wie Unterschiede zwischen Werken und ihren Adaptationen in unterschiedlichen Literaturen;
- Gattungs-, Genre-, Autor-, Werk- und Fassungs_spezifika
sowie Medienwandel, z.B. Differenzierungen in der Geschichte der Darstellung mentaler Vorgänge sowie im Spektrum individueller Akzentuierungen; Vergleiche von Handschriften und Drucken desselben Werks;
- Methodenreflexion, z.B. die Verbindung wie Abgrenzung unterschiedlicher Methoden zur Schärfung von Terminologie und Instrumentarium für die Untersuchung der Darstellung mentaler Vorgänge in der Vormoderne;
- Geschichte der Bewusstseinsdarstellung, z.B. Aufkommen, Semantisierung und Funktionalisierung von Gedankenreden und damit verbundener Techniken der Bewusstseinsdarstellung; graduelles Rücken der Handlung von der Außen- in die Innenwelt.

Eine Publikation der Beiträge ist geplant. Die Reise- und Übernachtungskosten werden – vorbehaltlich der Förderzusage – übernommen. Bitte senden Sie ein Abstract für einen max. 30-minütigen Vortrag sowie eine kurze biographische Notiz an florian.schmid@uni-greifswald.de. Bewerbungsschluss ist der 15. November 2024.

Beitrag von: Florian Schmid

Redaktion: Robert Hesselbach