Stadt: Tübingen

Frist: 2025-01-15

Beginn: 2025-04-09

Ende: 2025-04-11

URL: https://uni-tuebingen.de/de/159334

Angemessenheit – Theorie und Praxis eines Regulativs zwischen Rhetorik, Linguistik und Literaturwissenschaft

Tübingen, 09.–11.04.2025

Angemessenheit (prépon / aptum / decorum) gilt als ein handlungsregulierendes Prinzip für Produktion, Performanz und Rezeption von Texten. Erste Überlegungen dazu finden sich schon beim Sophisten Gorgias, der die Angemessenheit als Schmuck für die Rede auffasste und somit mit der Schönheit und Wahrheit in ein Verhältnis setzte. Einen weitaus technischeren Vorschlag dazu machte Aristoteles in seiner Rhetorik (III, 7), in der er Angemessenheit als Übereinstimmung von Stil mit dem Redegegenstand und dem Charakter des Redners definierte.
In der römischen Rhetorik wurde dann die Angemessenheit konkretisiert, indem sie mit der Dreistillehre verbunden und das ethische Moment noch stärker mit dem Begriff des decorums unterstrichen wurde. Die angemessene Rede wurde mit dem vir-bonus-Ideal theoretisch enggeführt, sodass die moralische Komponente zu einer fundamentalen Forderung in Lehre und Ausbildung seit der Kaiserzeit wurde. In zahlreichen Ethiken wurde dieser Zusammenhang ebenfalls thematisiert; man denke nur an De officiis ministrorum des Kirchenlehrers Ambrosius. Damit war der Begriff auch für christliche Diskurse und speziell als Baustein einer anti-manipulativen Rhetorik für das Abendland gewonnen.
Angemessenheit spielte nicht nur in der Rhetorik eine wichtige Rolle, sondern auch in der Poetik als Prinzip der Versprachlichung. Horaz äußerte in seiner wirkmächtigen Ars poetica (V. 86f.) sogar den Gedanken, dass der harmonische Aufbau und die Kenntnis um die Regeln der einzelnen Textgattungen das Werk eines Dichters geradezu ausmachten.
Wie gesehen, finden sich bei fast allen Rhetorik-Theoretikern der Antike Bemerkungen zur Angemessenheit, doch bleiben sie meist vage und verweisen auf Erfahrungswissen zurück, das im Einzelfall herangezogen werden soll. Heinrich Lausberg unterscheidet deswegen in ein inneres und äußeres aptum. Letzteres betrifft die kontextuellen Bedingungen einer Äußerung, das adressierte Publikum sowie die Sprecherintention; sie sind relationale Größen, die durch die Angemessenheit in ein (passendes) Verhältnis gebracht werden (sollen). Gelingt dies nicht, so ist ein Konventionsbruch die Folge, der je nach Grad Sanktionen nach sich ziehen kann. Als norma normans ist die Angemessenheit also omnipräsent, bleibt aber dennoch eigenartig unbestimmt. Seit sich Herbert Grice mit den pragmatischen Gelingensbedingungen von Konversation befasst hatte, öffnete sich der pragmatischen Linguistik ein breites Feld, das sich nicht nur fruchtbar durch die Relevanztheorie von Dan Sperber und Deirdre Wilson erweitert wurde, sondern auch die historische Höflichkeitsforschung vorangebracht hat. Ausdruck für das anhaltende Interesse an diesen Themenkomplex ist ferner die Zeitschrift Aptum (hrsg. v. Kersten Sven Roth / Martin Wengeler).
Die Projekte A3 (“Purismus und Ästhetik des Umgangs in der frühneuzeitlichen Konversationsliteratur”) und A5 (“Fülle, Redundanz, Überfluss: Verfahren der Steigerung in der Epideiktik der Frühen Neuzeit”) des SFB 1391 Andere Ästhetik beschäftigen sich mit historischen Akten und Artefakten, bei denen die Angemessenheit ein zentrales Thema ist: Sei es, dass sie als Norm für den Sprachgebrauch und gegenseitigen Umgang bei Hofe auftritt, sei es dass sie implizit die Grenze zwischen legitimer und manieristischer Steigerung zieht.
Um diese komplexen Zusammenhänge und Dynamiken herauszuarbeiten, widmet sich die interdisziplinäre Tagung dem schillernden Begriff der Angemessenheit. Dabei sind folgende inhaltliche Aspekte und Fragestellungen von besonderem Interesse:

- Gibt es eine Theorie der Angemessenheit? Wie könnte diese aussehen?
- Welche Funktionen erfüllt die Angemessenheit in den unterschiedlichen Registern und Textsorten?
- Wie wird die situative Angemessenheit konkret ausformuliert und verhandelt?
- Wie könnte die Beziehung zwischen Angemessenheit und Relevanz modelliert werden?
- Inwiefern ist die Angemessenheit Ausdruck historischen Wandels?
- Welche Bezüge lassen sich zur Ethik und Ästhetik herstellen, wenn man über Angemessenheit spricht?
- Wie reguliert die Angemessenheit die Produktion und Rezeption von Texten?
- In welchem Verhältnis stehen die Begriffe Angemessenheit, Kairos, Geschmack und Takt zueinander?
- Welche Rolle spielte die Angemessenheit in den Verhaltenslehren der Frühen Neuzeit?
- Welche Beziehungen bestehen zwischen (Un-)Höflichkeit und Angemessenheit?
- Wie wurden die Normen von angemessenem Handeln und Sprechen vermittelt?
- Wo liegt die Grenze zwischen einer akzeptablen und ungehörigen Angemessenheitsverletzung?
- Gibt es vielleicht sogar eine Poetik des aptum-Bruches?
- Welche Fälle können das historische aptum exemplifizieren?

Ausdrücklich erwünscht sind Beiträge aus den Bereichen Literaturwissenschaft, Linguistik, Rhetorik und weiteren affinen Fächern. Die Vorträge (25–30 min.) können sich dem Tagungsthema historisch oder theoretisch nähern. Die Beiträge werden in einem Tagungsband im Anschluss publiziert.

Wir würden es begrüßen, wenn Sie bei Ihren Überlegungen auf unser SFB-Programm Bezug nehmen, um auch hierüber zu Schnittstellen zwischen den Vorträgen zu kommen:
https://uni-tuebingen.de/forschung/forschungsschwerpunkte/sonderforschungsbereiche/sfb-1391/
Ein Exposee von ca. 15–20 Zeilen Länge wird bis 15.01.2024 erbeten, damit wir ggf. frühzeitig durch weitere Anfragen Themen in Korrespondenz bringen können. Die Fahrt- und Übernachtungskosten werden im üblichen Rahmen übernommen. Offizielle Tagungssprachen sind Deutsch, Englisch und Italienisch.

Senden Sie die Abstracts bitte an:
a5@sfb1391.uni-tuebingen.de

Il convenevole – teoria e prassi di un principio tra retorica, linguistica e letteratura

Tübingen, 09.–11.04.2025

Il convenevole (prépon / aptum / decorum) è considerato un principio regolativo alla base della produzione, della performance e della ricezione dei testi. Le prime riflessioni a riguardo si ritrovano già nell’opera del sofista Gorgia, che concepisce il convenevole come ornamento del discorso, mettendolo così in relazione con la bellezza e la verità. Una proposta notevolmente più tecnica è avanzata da Aristotele nella sua Retorica (III, 7) che definisce il convenevole come la convergenza dello stile con l’argomento del discorso e il carattere dell’oratore.
Nella retorica latina l’aptum viene poi concretizzato attraverso il collegamento alla teoria dei tre stili e il rafforzamento dell’aspetto etico attraverso il concetto di decorum. Il discorso convenevole viene strettamente connesso sul piano teorico all’ideale del vir bonus, così che, a partire dall’età imperiale, la componente morale diviene un elemento fondamentale nell’insegnamento e nella formazione. Questa connessione viene tematizzata anche in numerosi trattati di etica, si pensi, ad esempio, al De officiis ministrorum di Sant’Ambrogio. In tal modo il complesso concettuale del decorum entra a far parte della cultura cristiana e, in particolare, diviene anche in Occidente componente fondamentale di una retorica anti-manipolativa.
Il convenevole gioca un ruolo fondamentale non solo nella retorica, ma anche nella poetica come principio dell’atto espressivo. Orazio, nella sua autorevole Ars poetica (v. 86 seg.), esprime persino l’idea che l’opera del poeta sia qualificabile proprio attraverso l’architettura armoniosa e la conoscenza delle regole dei diversi generi testuali.
Quasi tutti i teorici della retorica dell’antichità fanno, dunque, riferimento al convenevole; spesso ciò avviene, tuttavia, in modo vago, rimandandone definizione e applicabilità alle conoscenze derivate dall’esperienza – consultabili a seconda del caso. Precisandone la definizione, Heinrich Lausberg distingue tra un aptum interno e uno esterno. Quest’ultimo, su cui ci si intende concentrare, riguarda le condizioni contestuali di un enunciato, il pubblico a cui è indirizzato e le intenzioni del locutore; si tratta di grandezze relazionali che attraverso il convenevole vengono (o dovrebbero essere) messe in (adeguata) relazione tra loro. Se ciò non accade, ci si trova di fronte ad una rottura delle convenzioni, che può comportare sanzioni di diversa entità. Come norma normans, il convenevole è quindi onnipresente pur rimanendo curiosamente indefinito. Da quando Herbert Grice ha trattato le condizioni pragmatiche per il successo della conversazione, si è aperto un ampio campo per la linguistica pragmatica, che, non solo, si è arricchito con la Relevance Theory (teoria della rilevanza o della pertinenza) di Dan Sperber e Deirdre Wilson, ma ha anche favorito le ricerche sul concetto di cortesia in prospettiva storica. L’interesse per questi temi continua a mostrarsi costante, come testimonia anche l’attività della rivista Aptum (a cura di Kersten Sven Roth / Martin Wengeler).
I progetti A3 (“Purismo ed estetica del comportamento nella trattatistica dell’età moderna sulla conversazione”) e A5 (“Abbondanza, ridondanza, eccesso: procedure di intensificazione nell’epidittica dell’età moderna”) che si inseriscono nell’ambito del Centro di Ricerca Collaborativa (SFB 1931) Andere Ästhetik si occupano di atti e artefatti in prospettiva storica, nei quali il concetto di aptum ricopre un ruolo centrale – sia che esso appaia come norma per l’uso del linguaggio e le relazioni sociali a corte, sia che serva come principio implicitamente delimitante il confine tra un’intensificazione legittima e una manieristica.
Per analizzare queste complesse dinamiche, il convegno interdisciplinare si concentrerà sul concetto poliedrico di adeguatezza, in particolare sui seguenti aspetti:

• Esiste una teoria dell’aptum? Come potrebbe essere formulata?
• Quali funzioni svolge il convenevole nei diversi registri e tipi di testo?
• Come viene concretamente formulato e trattato il convenevole nei diversi contesti?
• Come potrebbe essere modellata la relazione tra l’aptum e la pertinenza?
• In che misura il convenevole può essere espressione del cambiamento storico?
• Quali collegamenti si possono stabilire tra etica ed estetica attraverso la mediazione del concetto di aptum?
• In che maniera l’aptum regola la produzione e la ricezione dei testi?
• Qual è la relazione tra i concetti di aptum, kairos, ‘gusto’ e ‘tatto’?
• Quale ruolo gioca il convenevole nelle teorie del comportamento dell’età moderna?
• Quali relazioni esistono tra (s)cortesia e convenevole?
• Come vengono trasmesse le norme dell’agire e del parlare adeguatamente?
• Dove si trova il confine tra una violazione accettabile e una inaccettabile dell’aptum?
• Esiste forse una poetica della rottura dell’aptum?
• Quali esempi possono illustrare le diverse espressioni storiche del convenevole?

Sono graditi interventi ascrivibili agli ambiti della letteratura, linguistica, retorica e altre discipline affini. Le conferenze (25-30 minuti) potranno affrontare il tema del convegno sia con un taglio storico sia con uno teorico. È prevista la pubblicazione degli atti del convegno.

Per candidarsi è necessario inviare un breve abstract di circa 15–20 righe entro il 15 gennaio 2025 all’indirizzo mail: a5@sfb1391.uni-tuebingen.de
Le spese di viaggio e soggiorno verranno coperte dall’organizzazione. Le lingue ufficiali del convegno sono il tedesco, l’inglese, l’italiano e il francese.

Le convenable – Théorie et pratique d’un principe entre rhétorique, linguistique et littérature

Tübingen, 09.–11.04.2025

Le convenable (aptum / decorum / prepon) est considéré comme principe régulateur pour la production, la performance et la réception des textes. De premières réflexions sur ce sujet se trouvent déjà dans les œuvres du sophiste Gorgias où le convenable est perçu comme un ornement du discours et lié à la beauté et la vérité. Dans sa Rhétorique (III,7), Aristote fait une proposition beaucoup plus technique en définissant le convenable comme l’adéquation du style au thème du discours et au caractère de l’orateur.
La rhétorique latine concrétise cette définition : elle lie le convenable au système des trois styles et, en employant la notion de decorum, en renforce l’aspect éthique. Dans cette théorie, le discours convenable est mis en relation avec l’idéal du vir bonus, faisant de la composante morale une exigence fondamentale dans l’enseignement et la formation rhétorique depuis l’époque impériale. De nombreux ouvrages d’éthique (p.ex. De officiis ministrorum d’Ambroise de Milan, pour n’en citer qu’un) insistent également sur cette relation, de sorte que cette notion entre en usage dans tout l’occident comme partie des discours chrétiens et surtout comme partie de la rhétorique anti-manipulatrice.
Outre la rhétorique, le convenable joue un rôle important dans la poétique en tant que principe de la mise en mots. Dans son célèbre Art poétique (v. 86 et suiv.), Horace exprime même l’idée que ce sont justement la construction harmonieuse ainsi que la connaissance des règles des différents genres de texte qui constituent l’œuvre poétique.
Des remarques sur le convenable se trouvent donc dans presque toutes les œuvres rhétoriques des théoriciens de l’Antiquité, mais elles restent vagues dans la plupart des cas et renvoient à un savoir empirique auquel il faut recourir au cas par cas.
Heinrich Lausberg précise la définition en distinguant l’aptum intérieur de l’aptum extérieur. Ce dernier se réfère aux conditions contextuelles d’un énoncé (c’est-à-dire au public auquel on s’adresse, aux intentions de l’orateur·trice, etc.) qui doivent être mises en rapport d’une manière adéquate. Au cas où cette mise en relation ne serait pas possible, il en résulterait une infraction aux conventions qui, selon sa gravité, peut entraîner des sanctions. En tant que norma normans, le convenable est donc omniprésent tout en restant étrangement indéfini.
Depuis que Herbert Grice a étudié les conditions pragmatiques de la conversation réussie, un vaste champ de recherches s’est ouvert à la linguistique pragmatique. Grâce à la théorie de la pertinence développée par Dan Sperber et Deirdre Wilson, ce champ a été élargi, et il s’est en outre avéré fructueux pour les recherches historiques sur la politesse. La revue Aptum (éditée par Kersten Sven Roth et Martin Wengeler) témoigne également de l’intérêt continu pour cette thématique.

Les projets A3 (« Purisme et esthétique de l’interaction sociale dans la littérature de conversation du début de l’époque moderne ») et A5 (« Plénitude, redondance, surabondance : procédés d’amplification dans l’épidictique du début de l’époque moderne ») du CCR 1391 Une autre esthétique s’intéressent aux actes et artefacts historiques pour lesquels le convenable représente un enjeu central, soit qu’il apparaisse comme norme réglant l’usage linguistique et la façon de se comporter à la Cour, soit qu’il trace implicitement la limite entre l’amplification légitime et l’amplification maniériste.

Ce colloque interdisciplinaire vise à analyser ces dynamiques et relations complexes en abordant surtout les questions et aspects suivants :
- Existe-t-il une théorie du convenable ? Comment celle-ci pourrait-elle se composer ?
- Quelles sont les fonctions remplies par le convenable dans différents registres et types de textes ?
- Comment le convenable est-il développé dans divers contextes ?
- Comment les relations entre le convenable et la pertinence pourraient-elles être modélisés ?
- Dans quelle mesure le convenable reflète-t-il des changements historiques ?
- Quelles relations avec l’éthique et l’esthétique peuvent être établies ?
- Comment le convenable régularise-t-il la production et la réception des textes ?
- Quelles sont les relations entre le convenable, le kairos, le « goût » et le « tact » ?
- Quelle est le rôle du convenable dans les traités de comportement du début de l’ère moderne ?
- Quelles sont les relations entre la politesse / l’impolitesse et le convenable ?
- Comment les normes d’agir et de parler convenablement étaient-elles transmises au public ?
- Quelles violations du convenable sont acceptables ? Lesquelles sont inacceptables ? Et où se trouve la limite ?
- Y a-t-il même une poétique de transgression de l’aptum ?
- Quels exemples peuvent illustrer les diverses incarnations historiques du convenable ?

Nous encourageons des propositions de communication venant des domaines des sciences littéraires, de la linguistique et de la rhétorique. Les communications (d’une longueur de 25 à 30 minutes) sont invitées à prendre une approche historique et/ou théorique. La publication des actes du colloque est prévue.
Les frais de transport et d’hébergement seront pris en charge par le CRC. Les langues officielles du colloque seront l’allemand, l’anglais, l’italien et le français.
Si vous souhaitez intervenir lors du colloque, nous vous prions de nous faire parvenir par courriel (a5@sfb1391.uni-tuebingen.de) une courte proposition de communication (maximum une page) jusqu’au 15 janvier 2025.

Beitrag von: Katharina Fezer

Redaktion: Robert Hesselbach