„Mensch-Tier-Beziehungen in der Romania“ - Call for Papers der Zeitschrift apropos [Perspektiven auf die Romania]
Frist: 2025-02-28
Call for Papers
der Zeitschrift apropos [Perspektiven auf die Romania]
für die Ausgabe 16 (2026) zum Thema „Mensch-Tier-Beziehungen in der Romania“
Die seit den 1980er Jahren zunächst im anglophonen Raum etablierte Forschungsrichtung der Human-Animal Studies setzt sich zum Ziel, die komplexen und vielfältigen Beziehungen zwischen Menschen und Tieren aus interdisziplinärer Perspektive zu untersuchen (vgl. KOMPATSCHER [et al.] 2021, 18; DEMELLO 2012, 4).
Die wachsende gesellschaftliche Diskussion über den Status von Tieren hat in den letzten Jahren zu einem erhöhten akademischen Interesse an dem Mensch-Tier-Verhältnis geführt. Dies zeigt sich in einer kontinuierlich wachsenden Zahl an wissenschaftlichen Forschungsinitiativen, Publikationen und Lehrveranstaltungen zu diesem Themenfeld in unterschiedlichen Diszi-plinen – wie etwa in der Biologie, Anthropologie, Psychologie, Philosophie, Ethik sowie den Kultur-, Literatur-, Sprach- und Geschichtswissenschaften (vgl. SCHLUCHTER / HOIß 2023, 180; vgl. SPANNRING [et al.] 2015, 15). Dabei sind die Human-Animal Studies als interdisziplinärer und demnach auch als multiperspektivischer Forschungszweig anzusehen (vgl. KOMPATSCHER [et al.] 2021, 26).
Im Kontext der romanistischen Forschung nehmen die Human-Animal Studies gegenwärtig eine periphere Position ein und stellen bislang ein Desiderat dar. Der Forschungsbereich hat sich, trotz seiner wachsenden Bedeutung in anderen geisteswissenschaftlichen Disziplinen, in der Romanistik noch nicht als eigenständiges Forschungsfeld etablieren können. Dies spiegelt sich in der begrenzten Anzahl von Forschungsbeiträgen wider. Die bislang vorliegenden Studien in diesem Bereich umfassen z. B. die literatur- bzw. kulturwissenschaftlichen Arbeiten von HIERGEIST (2019), EIBL / VATTER (2020) und SCHOLZ (2023). Einen komparatistischen Ansatz verfolgen die linguistischen Studien von MUSSNER (2012; 2015) sowie HARDY (2024; in Druck) und HERLING (2023a), die neben sprachlichen Aspekten auch die Mensch-Tier-Beziehung beleuchten.
Vor diesem Hintergrund möchten wir mit der Ausgabe 16 (2026) der Zeitschrift apropos [Perspektiven auf die Romania] einen Publikationsraum für Forschungsfragen zur Mensch-Tier-Beziehung aus romanistischer Perspektive bieten. Zentral soll hierbei die Frage sein, welche spezifischen Zugänge und Erkenntnispotenziale die unterschiedlichen romanistischen Disziplinen wie Linguistik, Literatur-, Kultur-, Medien- und Landeswissenschaften für die Analyse von Mensch-Tier-Beziehungen eröffnen können.
In diesem Kontext könnten folgende Aspekte betrachtet werden:
Romanistische Sprachwissenschaft:
- Wie werden Tiere in romanischsprachigen Ländern benannt? Welche Rückschlüsse lassen sich hinsichtlich der Mensch-Tier-Relation ziehen? Beispiel: Hunde erhalten in Deutschland und Frankreich in den letzten Jahrzehnten überwiegend Personennamen. Ist dies auch in anderen Ländern des romanischen Raums und bei anderen Tierarten zu beobachten?
- Wie werden Tiere in öffentlichen Diskursen romanischsprachiger Länder sprachlich konstruiert? (z.B. Diskussion zur Präsenz/zur Rückkehr des Wolfes; zum Tierwohl; Darstellung von Tieren in den Medien in Berichterstattung über Massentierhaltung versus Biobauernhöfen)
- Mit welchen sprachlichen Mechanismen wird Speziesismus in verschiedenen Diskursen in der romanischsprachigen Welt konstruiert und aufrechterhalten? Eine kritische Diskursanalyse könnte aufdecken, wie bestimmte Lexeme, Metaphern oder grammatische Strukturen zur Hierarchisierung zwischen Menschen und Tieren beitragen. Welche Rolle spielt diese sprachliche Konstruktion bei der Legitimation von Tiernutzung?
- Wie werden Tiere syn- und diachron in Wörterbuch- und Enzyklopädieartikeln (z.B. Larousse, Petit Robert, Wikipedia) dargestellt? Ist eine utilitaristisch-anthropozentrische Lesart vorrangig?
- Wie werden tier- und menschenbezogene Konzepte versprachlicht? (essen vs. fressen; gebären vs. werfen; bouche vs. gueule; accoucher vs. mettre bas)
- Wie unterscheiden sich Konnotationen von Tierbezeichnungen in verschiedenen romanischen Sprachen?
- Inwiefern spiegeln sich gesellschaftliche Veränderungen im Mensch-Tier-Verhältnis in der Entwicklung des tierbezogenen Wortschatzes wider?
- Inwiefern transportieren tierbezogene Phraseologismen kulturelle Stereotype und Wertvorstellungen?
- Welche Tierbezeichnungen können metaphorisch verwendet werden, um menschliche Eigenschaften zu charakterisieren und soziale Gruppen zu bewerten?
- Inwieweit prägen Tiermetaphern die Wahrnehmung von sozialen Identitäten und Machtverhältnissen, und welche Konsequenzen hat dies für die soziale und ethische Bewertung von Mensch-Tier-Beziehungen?
Romanistische Literatur-, Kultur-, Medien- und Landeswissenschaft:
- Wie entwickeln sich narrative Strategien und Erzählperspektiven in der Darstellung von Tieren in der zeitgenössischen romanischen Literatur, und inwiefern werden dabei traditionelle anthropozentrische Erzählmuster und Gattungsgrenzen aufgebrochen?
- Welche Funktionen übernehmen Tiere als literarische Figuren in verschiedenen Epochen der romanischen Literatur, und wie spiegeln sich in ihrer symbolischen und motivischen Gestaltung gesellschaftliche Diskurse und ethische Fragen des Mensch-Tier-Verhältnisses wider?
- Wie unterscheidet sich die Darstellung von Tieren in verschiedenen literarischen Gattungen der Romania (Lyrik, Prosa, Drama)?
- Welche Rolle spielen Tiere in spezifischen Subgenres wie Fabel, Märchen oder phantastischer Literatur?
- Inwiefern werden traditionelle anthropozentrische Erzählmuster durch tierliche Erzählperspektiven herausgefordert?
- Wie wandelt sich die literarische Darstellung von Tieren in verschiedenen Epochen der romanischen Literaturen?
- Wie werden Mensch-Tier-Beziehungen figurell konstruiert? Wie werden Grenzen zwischen menschlichen und tierlichen Figuren literarisch verhandelt?
- Welche Rolle spielen (post-)koloniale Perspektiven in der literarischen und/oder filmischen Darstellung von Mensch-Tier-Beziehungen?
- Wie werden Tiere in Text-Bild-Beziehungen dargestellt (z.B. in illustrierten Werken, Comics)?
- Welche Rolle spielen Tiere in transmedialen Adaptionen literarischer Werke?
- Wie werden neue Medienformate zur Darstellung von Mensch-Tier-Beziehungen genutzt?
- Wie gestaltet sich die Darstellung und Inszenierung von Tieren in verschiedenen medialen Formaten der Romania (Film, Chanson/Musik, soziale Medien, Werbung, Plakate, Kampagnen), und welche ästhetischen sowie narrativen Strategien werden dabei zur Konstruktion spezifischer Tier-Bilder eingesetzt?
- Inwiefern spiegeln und beeinflussen mediale Repräsentationen von Tieren in romanischsprachigen Ländern das gesellschaftliche Verständnis der Mensch-Tier-Beziehung, und wie manifestieren sich dabei kulturspezifische Unterschiede in der Darstellung und Rezeption?
- Welche Narrative und Werte stehen hinter der Akzeptanz oder Ablehnung großer landwirtschaftlicher Betriebe in romanistischen Kontexten?
- Wie werden Fragen des Tierwohls in der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion in romanistischen Kontexten verhandelt?
- Welche kulturellen und gesellschaftlichen Vorstellungen prägen die Debatte um die „zumutbare“ Größe landwirtschaftlicher Betriebe?
- Welche Parallelen lassen sich zwischen heutigen Diskussionen um Tierwohl und historischen Tierschutzbewegungen ziehen?
- Welche kulturellen und symbolischen Bedeutungen wurden landwirtschaftlichen Tieren in unterschiedlichen historischen Kontexten zugeschrieben?
- Wie spiegeln literarische, künstlerische oder politische Darstellungen von Nutztieren historische Veränderungen in der Landwirtschaft wider?
Wir laden alle Forschenden ein, die sich mit der Thematik der Mensch-Tier-Beziehungen in der Romania beschäftigen, Vorschläge für Beiträge einzureichen. Abstracts nehmen wir bis zum 28. Februar 2025 an. Das Abstract sollte Ihre(n) Namen und Ihre Affiliation(en) sowie den Titel Ihres Beitrags enthalten und kann maximal 500 Wörter einschließlich bibliographischer Angaben umfassen. Bitte fügen Sie eine kurze biographische Notiz sowie 5 Keywords hinzu und senden Sie Ihr Abstract im pdf-Format per E-Mail an Stéphane Hardy (hardy@romanistik.uni-siegen.de) und Sandra Herling (herling@romanistik.uni-siegen.de). Publikationssprachen sind Deutsch, alle romanischen Sprachen und Englisch.
Einreichungs- und Veröffentlichungsprozess
Die Beitragseinreichungen werden einem Peer-Review-Verfahren unterzogen. Die Veröffentlichung des Dossiers ist für Juni 2026 geplant.
- bis 28. Februar 2025: Einreichung eines Abstracts (max. 500 Wörter inkl. Literatur) an hardy@romanistik.uni-siegen.de und herling@romanistik.uni-siegen.de
- bis 15. März 2025: Rückmeldung über Annahme/Ablehnung der Vorschläge an die BeiträgerInnen
- bis 15. September 2025: Einreichung der Beiträge bei apropos (Hochladen auf der Webseite)
- bis 15. Dezember 2025: Begutachtung der Beiträge und Rückmeldung an die BeiträgerInnen
- bis 28. Februar 2026: Überarbeitung der Artikel durch die BeiträgerInnen
- Juni 2026: Erscheinen des Dossiers (Ausgabe 16)
Literatur (romanistisch) (Auswahl)
COULMONT, Baptiste (2016): „Des prénoms qui ont du chien : le partage des prénoms entre hommes et chiens“, in: Annales de démographie historique, n°1, 151-170.
DEMELLO, Margo (2012): Animals and Society. An Introduction to Human-Animal Studies, New York: Columbia Press.
EIBL, Doris G. / VATTER, Christoph (2020): Mensch-Tier-Beziehungen in den frankophonen Kulturen, Literaturen und Medien. Les relations entre homme et animal dans les cultures, littératures et médias francophones_, Würzburg: Königshausen & Neumann.
HARDY, STÉPHANE (in Druck): „_Triple buse, cervelle de moineau et poule mouillée – Les noms d’oiseaux comme termes d’injures en français familier et argotique“, in: Woch, Agnieszka (Hg.): Mauvaises paroles / bonnes paroles: comment dit-on du mal / du bien de personnes, de choses ou de phénomènes en utilisant les différents registres de langues, Lodz: Acta Universitatis Lodziensis “Folia Litteraria Romanica”.
HARDY, STÉPHANE (2024): „Métaphores zoosémiques en argot français“, in: GOUDAILLIER, Jean-Pierre / KACPRZAK, Alicja / MUDROCHOVÁ, Radka (Hg.): Utilisation des métaphores dans les langues (niveaux standard/non-standard, registre argotique), Berlin [et al.]: Peter Lang, 21-38.
HERLING, Sandra (2023a): „Hundespitznamen im Sprachvergleich Deutsch-Französisch“, in: Österreichische Namenforschung 50, Themenheft Namen pragmatisch, Namen innovativ – herausgegeben von Marietta Calderón und Sandra Herling, 65-88.
HIERGEIST, Teresa (2019): Tiere der Arena – Arena der Tiere. Neuverhandlungen der Interspezies-Relationen in den aristokratischen Kampfspielen des siglo de oro, Würzburg: Königshausen & Neumann.
JARRIGE, François (2023): La ronde des bêtes. Le moteur animal et la fabrique de la modernité, Paris: La Découverte.
MUSSNER, Marlene (2012): „Katze Mila und Konsorten. Samtpfoten in deutschen, französischen und italienischen Phrasemen im Vergleich“, in: ANREITER, Peter / HAJNAL, Ivo / KIENPOINTNER, Manfred (Hg.): IN SIMPLICITATE COMPLEXITAS. Festgabe für Barbara Stefan zum 70. Geburtstag, Wien: Praesens, 239-256.
MUSSNER, Marlene (2015): „Tierbezeichnungen als abwertende Personenbezeichnungen. Ein Vergleich zwischen den Sprachen Deutsch, Französisch und Italienisch“, in: SPANNRING, Reingard / HEUBERGER, Reinhard / KOMPATSCHER, Gabriela / OBERPRANTACHER, Andreas / SCHACHINGER, Karin / BOUCABEILLE, Alejandro (Hg.): Tiere – Texte – Transformationen. Kritische Perspektiven der Human-Animal Studies, Bielefeld: transcript, 157-178.
SCHOLZ, Janek (2023): „Polymorphic bodies between animal and human in Las Malas by Camila Sosa Villada“, in: CALLSEN, Berit / SEIDEL, Philipp (Hg.): Cuerpos diversos: Estéticas de diversidad corporal en España y América Latina en los siglos XX y XXI, Tranvía, 249-269.
TERMITE Marinella (2020) (dir.): Mots de faune, Quodlibet Studio.
Weitere Literatur (germanistisch, anglistisch, komparatistisch) (Auswahl)
HEUBERGER, Reinhard (2021): „Die Rolle der Sprache im Mensch-Tier Verhältnis unter besonderer Berücksichtigung des Bildungsbereichs: Eine linguistische Perspektive“, in: HORSTMANN, Simone (Hg.): Interspezies Lernen: Grundlinien interdisziplinärer Tierschutz- und Tierrechtsbildung_, Bielefeld: transcript, 233-246.
HERLING, Sandra / HARDY, Stéphane (2022): „„_Ich nenne die Kohlmeise Karl“ – Eine strukturelle und benennungsmotivische Analyse zur Namengebung bei Wildtieren“, in: LIND, Miriam (Hg.): Mensch – Tier – Maschine. Sprachliche Praktiken an und jenseits der Außengrenze des Humanen, Bielefeld: transcript, 163-194.
HERLING, Sandra (2023b): „Hundefutternamen auf dem deutschen Markt – ein onomastischer Beitrag zu den Human-Animal Studies", in: Österreichische Namenforschung 50, Themenheft Namen pragmatisch, Namen innovativ – herausgegeben von Marietta Calderón und Sandra Herling, 159-197.
Kompatscher, Gabriela (2024): „Human-Animal Studies – Bridging the lacuna between academia and society“, in: ANKER, Suzanne / FLACH, Sabine (Hg.): The Cultures of Entanglement: On Nonhuman Life Forms in Contemporary Art, Bielefeld: transcript Verlag, 137-148.
KOMPATSCHER, Gabriela / SPANNRING, Reingard / SCHACHINGER, Karin (2021): Human-Animal-Studies. Eine Einführung für Studierende und Lehrende. Mit Beiträgen von Reinhard Heuberger und Reinhard Margreiter, zweite Auflage, Münster / New York: Waxmann.
NÜBLING, Damaris (2015): „Tiernamen als Spiegel der Mensch-Tier-Beziehung. Ein erster Einblick in die Zoonomastik“, in: Sprachreport 31/2, 1-7.
NÜBLING, Damaris (2022): „Linguistische Zugänge zur Tier / Mensch-Grenze“, in: LIND, Miriam (Hg.): Mensch – Tier – Maschine. Sprachliche Praktiken an und jenseits der Außengrenze des Humanen, Bielefeld: transcript, 27-76.
SPANNRING, Reingard / SCHACHINGER, Karin / KOMPATSCHER, Gabriela / BOUCABEILLE, Alejandro (2015): „Einleitung: Disziplinierte Tiere?“, in: SPANNRING, Reingard / SCHACHINGER, Karin / KOMPATSCHER, Gabriela / BOUCABEILLE, Alejandro (Hg.): Disziplinierte Tiere? Perspektiven der Human-Animal Studies für die wissenschaftlichen Disziplinen, Bielefeld: transcript, 13-28.
SCHLUCHTER, Jan-René / HOIß, Christian (2023): „Tier – Medien – Bildung. Perspektiven der Animal Studies für Medienbildung und Politische Bildung“, in: JUCHLER, Ingo (Hg.): Beziehungsweisen von Mensch, Tier und Umwelt. Perspektiven für die politische Bildung, Wiesbaden: Springer VS, 177-196.
STEEN, Pamela (2022): Menschen – Tiere – Kommunikation. Praxeologische Studien zur Tierlinguistik, Berlin: J.B. Metzler / Springer Nature.
STEEN, Pamela / SCHMID, Ulrike (2021): „Diskursive Schemata der Wolfskonstruktion. Auf medialer Spurensuche nach materiell-semiotischen Knoten“, in: MATTFELDT, Anna / SCHWEGLER, Carolin / WANNING, Berbeli (Hg.): Natur, Umwelt, Nachhaltigkeit. Perspektiven auf Sprache, Diskurse und Kultur, Berlin / Boston: de Gruyter, 123-164.
TRAMPE, Wilhelm (2015): „Die ökologische Relevanz von Sprache im Umgang mit Tieren“, in: SPANNRING, Reingard / HEUBERGER, Reinhard / KOMPATSCHER, Gabriela / OBERPRANTACHER, Andreas / SCHACHINGER, Karin / BOUCABEILLE, Alejandro: Tiere, Texte, Transformationen, Bielefeld: transcript, 193-212.
Beitrag von: Stéphane Hardy
Redaktion: Robert Hesselbach