Tagung "Präsenz gestalten. Interdisziplinäre Positionen", 11.-13. Februar 2025 (Universität Stuttgart/IWM Tübingen)
Stadt: Stuttgart
Beginn: 2025-02-11
Ende: 2025-02-13
[Abstract siehe unten]
Programm „Präsenz gestalten. Interdisziplinäre Positionen“
11.-13. Februar 2025, RAUM 17.12 (Keplerstraße 17, Universität Stuttgart)
organisiert von Prof. Dr. Kirsten Dickhaut (Universität Stuttgart), Prof. Dr. Sonja Utz (IWM Tübingen), Dr. Sofina Dembruk (Universität Stuttgart), Carolin Lehmann (IWM Tübingen)
Mittwoch, 12. Februar 2025
10.00-10.15 Begrüßung und Einleitung
Präsenz I – Dispositive der Immersion (VR, AR)
Moderation: Sonja Utz
10.15-11.00
Tilo Hartmann (Kommunikationswissenschaft, Amsterdam):
Die Doppelbödigkeit von Extended Reality: Immersive Nutzererfahrungen verbinden räumliche und soziale Präsenz mit dem Glauben, sich in einer Simulation zu befinden
11.00-11.45
Priska Breves (Kommunikationswissenschaft, Amsterdam): Präsenzerleben in Augmented Reality Applications
11.45-12.30
Kirsten Dickhaut (Romanistik, Stuttgart), Dieter Schmalstieg (Visual Computing, Stuttgart) & Jens Grubert (Hochschule Coburg): Präsenzgestaltung im Roman und in VR: das Beispiel des Versailler Gartens 1669
Mittagssnack
Präsenz II – Soziale Präsenz und KI
Moderation: Sofina Dembruk
13.30-14.15
Joshua Weidlich (Bildungswissenschaften, Frankfurt a.M.): Digital verbunden: Erkenntnisse und Perspektiven zu Social Presence in Online-Lernumgebungen
14.15-15.00
Sonja Utz (Alltagsmedien, Tübingen): Ein Konzept im Wandel: Von sozialer Präsenz anderer Personen zu sozialer Präsenz von kommunikativer KI
15.00-15.45
Carolin Lehmann (Alltagsmedien, Tübingen): Präsent im Leben der anderen: Freundschaft auf Distanz
Kaffeepause
Präsenz III – Historische Perspektiven (Frühe Neuzeit)
Moderation: Carolin Lehmann
16.00-16.45
Jenny Augustin (Literaturwissenschaft, Düsseldorf)/Johanna Abel (Kultuwissenschaft, Berlin): Perspektiven auf die Präsenz in der romanistischen Frühe-Neuzeit-Forschung
16.45-17.30
Vanessa Oberliessen (Literaturwisenschaft, Cellf, Sorbonne): Geisterwelt, Zwischenwelt : die Bühnenpräsenz des Übernatürlichen im frz. Theater (16.-18.)
17.30-18.15
Alisa Winkens (Literaturwissenschaft, Stuttgart): Präsenz bei Rekonstruktionen. Virtuelle Modellierungen historischer Theater im 17. Jahrhundert
Abendessen
Donnerstag, 13. Februar 2025
Präsenz IV – Kirche, Bildnis, Bühne
Moderation: Kirsten Dickhaut
09.00-09.45
Ursula Roth (Theologie, Erlangen): Anamnesis, Mimesis, Repräsentation, Präsenz. Gottesdiensttheoretische Ein- und Zuordnungen
09.45-10.30
Yasuhiro Sakamoto (Kunstgeschichte, Tokio): Präsenz und Negation der Präsenz von Bildern
10.30-11.15
Sofina Dembruk (Literaturwissenschaft, Stuttgart):
Unheimliche Präsenz: Wirkungsästhetische Überlegungen zum Theater der historischen Avantgarden
11.30-12.00 Mittagssnack
12.00-12.30 Abschlussdiskussion
Kontakt: sofina.dembruk@ilw.uni-stuttgart.de
Abstract:
Der Begriff Präsenz hat unterschiedliche Bedeutungen und Präsenz spielt in vielen Kontexten eine Rolle. Während der Corona-Epidemie gab es z.B. eine intensive Debatte über Präsenzunterricht im Vergleich zur Online-Lehre. Präsenzunterricht wurde meist als überlegen betrachtet; offensichtlich reichte die Bildschirmpräsenz nicht aus, um die physische Raumpräsenz zu kompensieren. Dies ist insofern bemerkenswert, weil gerade VR- und AR-Anwendungen oft Präsenz suggerieren sollen und dies oft auch können. In der Kommunikationswissenschaft spricht man von räumlicher Präsenz (spatial presence) als einer Rezeptionsmodalität, bei der sich Menschen als anwesend in der virtuellen Welt fühlen. Daneben wurde schon in der frühen Forschung zu textbasierter computervermittelter Kommunikation das Konzept der sozialen Präsenz diskutiert – dem Gefühl, dass man tatsächlich mit anderen Menschen und nicht programmierten Computerspielfiguren interagiert. Das Konzept der sozialen Präsenz wird mittlerweile auch auf Interaktionen mit nicht-menschlichen Agenten wie KI-getriebenen Chatbots oder Sprachassistenten diskutiert. An diesen Beispielen sieht man, wie relevant die doch so alltägliche und zunächst banal scheinende Präsenz ist. In der Rezeption von Medien, Kunstwerken und Theaterstücken gewinnt sie für die Ästhetik nochmal eine weitreichendere Dimension, die in den letzten Jahren auch intensiv diskutiert wurde. Für die Literaturwissenschaften lässt sich anhand des Konzepts der Präsenz genauer verstehen, wie eigentlich Fiktionen wirken. Und schließlich gibt es ein Konzept, das die Metaphysik integriert und über das die Theologie besonders nachdenkt.
Die Frage, die im interdisziplinären Vergleich im Rahmen des Workshops diskutiert und beantwortet werden soll, lautet, inwiefern sind die medialen Bedingungen für das Erleben von Präsenz vergleichbar und welche Konzepte bieten die verschiedenen Fächer für den Dialog an? Ausgehend vom zweistufigen Modell Tilo Hartmann/Werner Wirths soll diskutiert werden, inwieweit dieses Modell für die beteiligten Disziplinen anschlussfähig ist und inwieweit es für die jeweiligen Medien und Räume zu präzisieren oder zu adaptieren ist. Erst ein Vergleich lässt verstehen, welche Relevanz der räumliche Kontext und andere Charakteristika der Medienumgebung für das jeweilige Präsenzkonzept hat und welches Medienkonzept impliziert ist.
Referenzbibliographie
Baxandall, Michael: Die Wirklichkeit der Bilder. Malerei und Erfahrung im Italien der Renaissance. Berlin 1972.
Chiaia, Mattei: Der Golem-Effekt: Orientierung und phantastische Immersion im Zeitalter des Kinos. Bielefeld 2011.
Dippel, Anne; Warnke, Martin: Tiefen der Täuschung. Computersimulationen und Wirklichkeitserzeugung. Berlin 2022.
Gumbrecht, Hans Ulrich: Diesseits der Hermeneutik. Die Produktion von Präsenz. Frankfurt/M 2004.
Günzel, Stephan: Von der Illusion zur Involvierung. Geschichte und Systematik der Begriffe Präsenz und Immersion. Marburg: Schüren 2015 (Jahrbuch immersiver Medien 7), S. 63–74. DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/18166.
Hartmann, Tilo, and Matthias Hofer. I know it is not real (and that matters) media awareness vs. Presence in a parallel processing account of the VR experience. Frontiers in Virtual Reality 3 (2022): 694048.
Hartmann, Tilo, et al. Räumliche Präsenz als Rezeptionsmodalität: Ein theoretisches Modell zur Entstehung von Präsenzerleben. Reihe Rezeptionsforschung 7 (2005): 21-37. https://ispr.info/
Kasprowicz, David: Der Körper auf Tauchstation. Zu einer Wissensgeschichte der Immersion. Lüneburg 2018.
Roth, Ursula: Die Theatralität des Gottesdienstes. Gütersloh 2006.
Wiesing, Lambert: Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes, Frankfurt/M 2005.
Beitrag von: Sofina Dembruk
Redaktion: Robert Hesselbach