Stadt: Paris, Frankreich

Frist: 2014-04-30

Beginn: 2014-10-17

Ende: 2014-10-18

URL: http://www.ciera.fr/ciera/jusqu-ou-va-la-litterature

JUNIORKOLLOQUIUM DES CIERA

Die Tagung findet am 17. – 18. Oktober 2014 an der Maison de la Recherche, Raum 40, in Paris statt. (28 rue Serpente, 75006 Paris) Organisatorinnen : Cécile Lambert (Doktorandin in Literaturwissenschaften an der Université Paris-Sorbonne und an der Humboldt-Universität zu Berlin) und Marie Puren (Doktorandin in Geschichte an der Ecole nationale des chartes).
Die Tagung wird mit der Unterstützung des CIERA im Rahmen des Programms « colloque junior », unter Mitarbeit der ED III und des CELLF 16e-21e der Université Paris IV-Sorbonne und des Centre Jean Mabillon der Ecole nationale des chartes organisiert.

Die Tagung richtet sich an junge Forscher (Doktoranden, Post-Doktoranden, Masterstudenten) in den Geistes- und Sozialwissenschaften, besonders in den Disziplinen Literaturwissenschaft, Romanistik, Germanistik, Geschichte, Philosophie, Kunstgeschichte oder Soziologie. Tagungssprachen sind Deutsch und Französisch. Alle Teilnehmer sollten also zumindest passive Kenntnisse in Französisch und Deutsch haben.

Im 18. Jahrhundert setzte sich die Literatur allmählich als ein eigenständiges intellektuelles, institutionelles und disziplinäres Feld durch (Alain Viala, Naissance de l’écrivain : sociologie de la littérature à l’âge classique ? Paris : Ed. de Minuit, 1992). Heute sorgen eine Reihe von ideologischen und technologischen Umbrüchen für neue und dringende Anforderungen an diese (Matthew K. Gold, Debates in the Digital Humanities, Minneapolis: University of Minnesota Press, 2012). Während dieses gesamten Zeitraums hat sich die Literatur stets selbst hinterfragt. Aber auch andere Wissensgebiete hinterfragten deren Lage und ihre Spezifität als geistiges Produkt.

Solche Fragen betreffen den deutsch-französischen Raum ganz besonders. In diesem Raum verdoppelte und überlagerte sich nämlich das Problem der Grenzen der Literatur und das Problem der staatlichen Grenzen. An den beiden Rheinufern verursacht diese doppelte Überlegung über Grenzen ein beständiges und lebhaftes Gespräch, das den intellektuellen Austausch und die Debatte zwischen den beiden Nationen tief strukturiert. Entweder durch äußeren Impuls oder durch innere Infragestellung wurde die Literatur in den beiden Ländern kontinuierlich transformiert. Man denkt hier an die deutschen gelehrten Reaktionen gegenüber Frankreich nach der Veröffentlichung des Werkes Friedrich des Großen De la littérature allemande (1780); oder an die ideologischen Anstöße der romantischen, surrealistischen und existentialistischen Bewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts; oder auch an das tiefgründige Gespräch zwischen Philosophie und Literatur nach den Werken Hegels, Nietzsches oder Sartres. Dies sind aber nur einige sichtbare Etappen in einem viel größeren und weiteren Überlegungsprozess über Literatur.

Die Definition der Literatur und der Literarität bildet zwar eine wesentliche Frage der aktuellen Forschung im Bereich der Literaturtheorie (A. Gefen et R. Audet, Frontières de la fiction, Québec (Canada): Éd. Nota Bene ; Bordeaux : Presses universitaires de Bordeaux, 2002). Indem wir nicht vom Zentrum, sondern von den Grenzen der Literatur ausgehen, möchten wir eine solche Frage jedoch anders erforschen. Literatur ist ein vielgestaltiger und hybrider Gegenstand, der ständig nach historischen, kritischen und gesellschaftlichen Kriterien transformiert wird. Dank einer dezentrierten und interdisziplinären Überlegung über Literatur möchten wir zeigen, wie Randformen oft zu einer genaueren Definition des Zentrums verhelfen können.

Seit einigen Jahrzehnten tauchen solche Ansätze in der jetzigen Forschung auf. Das Thema Grenzen der Literatur war schon Anlass mancher Studien (Monika Unzeitig, Grenzen Überschreiten – Transitorische Identitäten: Beiträge Zu Phänomenen Räumlicher, Kultureller Und Ästhetischer Grenzüberschreitung in Texten Vom Mittelalter Bis Zur Moderne ; Internationale Tagung Des MOVENS-Netzwerkes Greifswald, 13. – 16. Mai 2010, Bremen : Ed. Lumière, 2011). Neuere Forschungsräume wurden auch in folgende Richtungen entwickelt: Interaktionen zwischen Literatur und Soziologie (« Sociologie et littérature : une relation incestueuse ? », colloque de l’Université d’Agadir qui s’est tenu en avril 2011) oder zwischen Literatur und Philosophie (Pierre Macherey, Philosopher avec la littérature. Exercices de philosophie littéraire, Paris : Hermann, coll. « Fictions pensantes », 2013 ; Philippe Sabot, Philosophie et littérature. Approches et enjeux d’une question, Presses Universitaires de France, collection « Philosophies », 2002). Auch die Historiker tragen dazu bei: Geschichte und Literatur pflegen enge Beziehungen und die Literatur, sowohl Quelle als auch Gegenstand der Geschichte, wird sogar manchmal mit ihr verwechselt. (Comment on écrit l’histoire, Paul Veyne, 1971, rééd. Seuil, coll. « Points », 1997 ; Christian Jouhaud, Les Pouvoirs de la littérature. Histoire d’un paradoxe, Gallimard, 2000).

Junge Forscher laden wir dazu ein, solche Überlegungsprozesse zu verfassen und zu erforschen sowie die Art und Weise zu analysieren, wie die Literatur in verschiedenen Epochen von verschiedenen Akteuren eingegrenzt wurde bzw. wie sich die Literatur in Verbindung mit nahestehenden Wissensgebieten und im Gegenteil in Abgrenzung zu ihnen selbst definiert hat. Das Ziel der Tagung ist, eine gemeinsame Überlegung von jungen Forschern, Doktoranden und Post-Doktoranden zu ermöglichen, die alle im Rahmen ihrer Forschung mit der schwierigen Frage der Definition der Literatur und der Literarität im deutsch-französischen Raum konfrontiert werden. Indem wir sowohl diachronisch als auch synchronisch arbeiten, indem wir über einen längeren Zeitraum überlegen und verschiedenartige und relevante Fallstudien darstellen, hoffen wir schließlich, einige Besonderheiten der Literatur anders begreifen zu können. Oft bleiben solche Besonderheiten für die Fachleute, sowohl Praktiker als auch Theoretiker der Literatur, unbewusst oder unformuliert.

Deswegen wird sich diese Tagung auf Grenzen und Ränder der Literatur konzentrieren. Wir verstehen sie als besonders hilfreiche Ausgangspunkte, um fruchtbare Fragestellungen, Forschungsmethoden und Erprobungen über Literatur zu begründen: Gattungen, die an der Grenze entstehen; hybride Textsorten; radikale, überraschende und dezeptive Autorfiguren; Korpus, das auf eine starke Interaktion mit anderen Disziplinen oder Künsten beruht. Um eine fruchtbare Überlegung zu ermöglichen, werden wir auch versuchen, Gräben zu überwinden, die sonst – zumindest unserer Meinung nach – die Literatur in einem fruchtlosen Streit mit den anderen Disziplinen einsperren. Indem wir die Grenzen zwischen Literatur und anderen Kunst- und Geisteswissenschaften überbrücken, möchten wir die disziplinären Gegensätze überwinden und zeigen, dass die Literatur ein freibeweglicher, transgressiver und vielgestaltiger Begriff ist. Wir bieten an, folgende Themen durch Studien zu erforschen:

1. Interaktionen mit anderen Nachbarfeldern, die in einem literarischen Werk entstehen, besonders mit Philosophie, Geschichte, Künste: Emanzipierung, Interdependenz, Differenzierung, Annäherung.
2. Autoren, die die Grenzen der Literatur wählen, um sich als Autorfiguren vorzustellen: Diese Grenzen können akademisch, disziplinär, ethisch, politisch oder national sein.
3. Gattungen, die an der Grenze entstehen: hybride Textsorten wie Pamphlet, Sachbuch, polemischer Text; Beziehungen zwischen literarischem und nicht-literarischem Diskurs; Probleme der Hybridität.
4. Abgrenzung, Fixierung, Diskussion, Bestreitung der Grenzen der Literatur: theoretische und methodologische Ansätze der Literatur, die von anderen Disziplinen angeboten werden; komparative Ansätze und Blick der Deutschen und Franzosen auf die Literatur in verschiedenen Epochen; Entwicklung des literarischen Kanons und des Literaturunterrichts, Institutionalisierung- oder Nationalisierungsprozesse der Literatur in beiden Ländern.

Eine Zusammenfassung des geplanten Vortrags (300 Wörter maximum) sowie ein kurzer bio-bibliographischer Hinweis (Akademische Einrichtung oder Status, Universität und Disziplin, Thema und Betreuer der Dissertation oder Masterarbeit, gegebenenfalls Publikationsliste) ist spätestens am 30. APRIL 2014 an die folgende Email-Adresse zu schicken:
frontiereslitt2014@gmail.com

Jeder Kandidat wird spätestens am 20. Mai 2014 eine persönliche Antwort bekommen.
Eine Pauschalerstattung für Reise- und Unterkunftskosten ist vorgesehen.
Eine Veröffentlichung der Vorträge ist geplant.

Beitrag von: Cécile Lambert

Redaktion: Reto Zöllner