Das Theater der Zärtlichkeit: Affektkultur und Inszenierungsstrategien in Komödie, Tragödie und Oper des vorbürgerlichen Zeitalters (1630-1760)
Stadt: Paderborn
Beginn: 2015-09-23
Ende: 2015-09-25
Das Theater des 17. Jh. wird traditionell als ein Hof- und Staatstheater verstanden, das die Affektkultur der höfischen Gesellschaft auf die Bühne bringt und eine Regulierung der Affekte als Idealprinzip vorführt. Erst im 18. Jh. wird diesem Verständnis nach das Theater zu einer moralischen Institution, das Gefühle des Einzelnen thematisiert und dergestalt zur Genese einer ‘empfindsamen’ und dezidiert ‘bürgerlichen’ Gefühlskultur beiträgt.
Die Tagung wird dagegen die These diskutieren, dass sich bereits im 17. Jh. ein Paradigma der ‘Zärtlichkeit’ ausbildet, das ein neues Verständnis von Liebe, Familie und Geschlechterbeziehungen hervorbringt, das dann zur Herausbildung jener empfindsamen Gefühlskultur des 18. Jh. führt. Hierzu werden erstmals in einem systematischen und übergreifenden Ansatz Forschungsansätze zur Rolle der ‘Zärtlichkeit’ in unterschiedlichen sozialen Kontexten (etwa mit Blick auf die galante tendresse der höfischen Gesellschaft Frankreichs oder die tenderness der englischen Restauration) und in den verschiedenen Ausprägungen des Theaters (Tragödie, Komödie, Oper) zusammengeführt. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, die bisherigen nationalen und disziplinären Perspektiven neu zu reflektieren und einschlägige Autoren und Werke (so etwa Molière, Marivaux, Steele, Gellert, Lessing, Goldoni) in jenem interkulturellen Kontext zu verorten, in dem sich die dynamische Transformation von ‘Zärtlichkeit’ zu ‘Empfindsamkeit’ vollzieht. Dies wird dadurch geleistet, dass einerseits die Konzeption des Theaters der Zärtlichkeit um 1630 herausgearbeitet wird, um dann andererseits dessen Transformation bis 1760 in fünf Sektionen paradigmatisch zu behandeln.
Die Tagung wird freundlicherweise von der DFG gefördert.
h3.PROGRAMM
MITTWOCH, 23. SEPTEMBER 2015
SEKTION 1: DER TRAGISCHE URSPRUNG DER ZÄRTLICHKEIT 1630-1670
9.15 – 9.30 Uhr Begrüßung durch die Veranstalter
9.30 – 10.30 Uhr
Jörn Steigerwald (Paderborn):
„Les tendresses de l’amour humain“: Corneilles Polyeucte
10.30 – 11.30 Uhr
Carine Barbafieri (Valenciennes):
La tendresse de Quinault: tentative de définition d’une notion difficile
11.30 – 12.00 Uhr Kaffeepause
12.00 – 13.00 Uhr
Hendrik Schlieper (Paderborn):
Pleurs éternels: Trauer als tendresse in der klassischen Tragödie (Corneille, Horace – Racine, Andromaque)
13.00 – 14.00 Uhr Mittagspause
14.00 – 15.00 Uhr
Kirsten Dickhaut (Graz):
Berenice oder le tendre Racine
15.00 – 16.00 Uhr
Lothar van Laak (Paderborn):
Lohensteins Problematisierung der Zärtlichkeit in der Sophonisbe
16.00 – 16.30 Uhr Kaffeepause
SEKTION 2: PROBLEMATISIERUNG DER ZÄRTLICHKEIT IN DER KOMÖDIE 1630-1700
16.30 – 17.30 Uhr
Agnieszka Komorowska (Mannheim):
Freundschaft und Zärtlichkeit im Theater des Siglo de Oro: Zu María de Zayas’ La traición en la amistad
DONNERSTAG, 24. SEPTEMBER 2015
SEKTION 2: PROBLEMATISIERUNG DER ZÄRTLICHKEIT IN DER KOMÖDIE 1630-1700 (FORTS.)
9.00 – 10.00
Marine Roussillon (Paris):
La tendresse des chevaliers: La princesse d’Elide de Molière
SEKTION 3: TRANSFORMATION DER ZÄRTLICHKEIT INS PRIVATE: DIE KOMÖDIE UM 1700
10.00 – 11.00 Uhr
James Steintrager (Irvine, CA):
Tender Horror: The Sentimentalization of Negative Affect and the Fate of the House of Pelops in France around 1700
11.00 – 11.30 Uhr Kaffeepause
11.30 – 12.30 Uhr
Anette Pankratz (Bochum):
Sex und Sensibility in Restaurationskomödien: The Man of Mode von George Etherege
12.30 – 13.30 Uhr Mittagspause
13.30 – 14.30 Uhr
Patricia Oster-Stierle (Saarbrücken):
„C’est que cela m’est échappé“: les ruses de la tendresse im Theater Marivaux’
SEKTION 4: MUSIKTHEATER ALS PARADIGMA DER ZÄRTLICHKEIT
14.30 – 15.30 Uhr
Wolfgang Hirschmann (Halle/Saale):
„Tendres amours“ – der Zärtlichkeitsdiskurs und seine Brechungen in Georg Philipp Telemanns Pastorelle en musique (Frankfurt um 1714)
15.30 – 16.00 Uhr Kaffeepause
16.00 – 17.00 Uhr
Stephan Kraft (Würzburg):
Karl der Große – gütiger Vater statt strenger Herrscher. Zur Konjunktur des Emma- und Eginhard-Stoffs um 1700
FREITAG, 25. SEPTEMBER 2015
SEKTION 5: DIE VERBÜRGERLICHUNG ARISTOKRATISCHER ‚TENDRESSE’? ZUM EMPFINDSAMEN THEATER DES 18. JAHRHUNDERTS
8.00 – 9.00 Uhr
Rudolf Behrens (Bochum):
Venezianische Zärtlichkeit? Schwache Emotionen in Goldonis späten melancholischen Komödien
9.00 – 10.00 Uhr
Claudia Gronemann (Mannheim):
Physische Stärke und Emotionalität in Jovellanos’ El delincuente honrado
10.00 – 10.30 Uhr Kaffeepause
10.30 – 11.30 Uhr
Tom Kindt (Fribourg):
„Gesetztere Freude“. Zärtlichkeit, Komik, Komödie und Tugend bei Gellert, Schlegel und Lessing
11.30 – 12.30 Uhr
Burkhard Meyer-Sickendiek (Berlin):
Miss Sara Sampson, oder: Warum Lessing ein später, aber innovativer Dramatiker der Zärtlichkeit ist
12.30 – 13.00 Uhr Abschlussdiskussion
Beitrag von: Hendrik Schlieper
Redaktion: Christof Schöch