Einsatzpunkt des komparatistisch angelegten Workshops ist die alte und vermeintlich einfache Frage, was Texte in Versen überhaupt auszeichnet. Wir möchten diese Frage aus einer praxeologischen Dimension neu stellen, und zwar, indem wir sie als ein Problem der Übersetzung behandeln. Der Umstand, dass die Geschichte der Versifikation über weite Strecken auch als eine Geschichte der Übersetzung(en) zu betrachten ist, kann zwar grundsätzlich als bekannt vorausgesetzt werden (vgl. Gasparov 1996), ist in seiner historischen wie theoretischen Breite bislang allerdings kaum ergründet worden. Der Alexandriner, der Blankvers/verso sciolto oder die antiken Odenstrophen sind nur drei Beispiele von Versformen als Übersetzungsformen.
Für unseren Workshop möchten wir uns indes spezifisch der Versifizierung widmen, verstanden als Übertragung von Prosa in Verse – und im weiteren Sinne als metrisch gestaltete Darbietung von sonst in Prosa gehaltenen Sachverhalten. Versifizierung als Übersetzung zu denken, bietet sich nicht zuletzt insofern an, als damit ein struktureller Rahmen geschaffen ist, von dem aus sich Ähnlichkeit und Differenz sowie auch Ähnlichkeit in der Differenz bestimmen lassen. Die Versifizierung wird solcherart ebenso zum Austragungsort von Klärungen wie Streitigkeiten über den Stellenwert von Eigenem und Fremdem, von Original und Kopie, von Ausgangs- und Zielsprache, von Grenze und Transfer, von Territorium und Sprachgemeinschaft. Als Übersetzung begriffen, verlangt die Versifizierung nach einem angemessenen „kulturgeschichtlichen Mapping“ (Dusini/Michler 2012). Der Workshop soll dazu beitragen, eine Karte poetischer, kultureller, sozialer und politischer Wechselverhältnisse der Versifizierung zu zeichnen, auf der sprachliche und mediale, textuelle, formale und generische, aber auch institutionelle Austauschbeziehungen sichtbar werden. Die Beitragenden befassen sich in systematischer Perspektive und anhand konkreter historischer Konstellationen mit der Versifizierung als Übersetzung beziehungsweise mit der Versifizierung im Kontext von Übersetzung(en).

Der Workshop findet mit Unterstützung der NOMIS-Forschungsgruppe Traveling Forms statt.

09:00–09:30
Introduction: Philipp Lammers und Thomas Traupmann

09:30–10:30
Robert Stagg: “But prose”? Blank verse, prose, versification, prosification

Pause

11:00–12:00
Elena Polledri: Über „das Versifizieren der Novelle“: „eine leere und verkehrte Tendenz“?

12:00–13:00
Shared Readings (D. Coste: Versification and Prosification as Translation; Y. Prins: Metrical Translation: Nineteenth-Century Homers and the Hexameter Mania)

13:00–14:00
Pause

14:00–15:00
Karl Ellerbrock: Florentiner Stadtgeschichte zwischen Vers und Prosa

15:00–16:00
Werner Michler: „Poetische Übungen“. Schule und Versemachen im 19. Jahrhundert

Pause

16:30–17:30
Arno Dusini: „[…] harte fügung dagegen […]“: Peter Waterhouse übersetzt Paul Celan

17:30–18:30
Maria Kuberg: Der Vers im Epos

Beitrag von: Philipp Lammers

Redaktion: Ursula Winter