Stadt: Paderborn

Beginn: 2024-10-16

Ende: 2025-01-29

URL: https://go.upb.de/komparatistik

Ringvorlesung an der Universität Paderborn, Wintersemester 2024 / 2025
(in Präsenz und virtuell)

Die geplante Ringvorlesung Kanon und Kultur: Gegenstände der Literaturwissenschaft geht von der schlichten Beobachtung aus, dass sich im Zuge der Erweiterung der Literaturwissenschaften durch die Kulturwissenschaften, die an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert begonnen hat und bis heute anhält, ein Paradigmenwechsel vollzogen hat, der grundlegend und zugleich unmerklich ist: Wurde über Jahrhunderte, um nicht zu sagen: Jahrtausende in den westeuropäischen Kulturen der Kanon als Garant der jeweiligen Kultur angesehen, so scheint es, dass die kulturwissenschaftlich ausgerichteten Literaturwissenschaften des 21. Jahrhunderts ebendieses Kanons nicht mehr bedürfen, wenn sie es sich nicht zur Aufgabe machen, diesen vollends, wenn auch stillschweigend, abzuschaffen.

Gleichwohl lohnt es, diese Umwandlung des Verhältnisses von Kanon und Kultur in den Blick zu nehmen, um die eigene literaturwissenschaftliche Praxis zu reflektieren. Die intensiven Debatten der 1990er Jahre über die Deutungshoheit kanonischer Autoren und über den Zusammenhang von Kanonforschung und Fachgeschichte wirken im Rückblick so, als ob sie letztmalig die Deutungshoheit des alten Kanon-Paradigmas vor Augen stellten, das von einem neuen, scheinbar kanonlosen und bis heute fortwirkenden Paradigma der kulturwissenschaftlich orientierten Literaturwissenschaften abgelöst wurde. Wenn dem so ist – was freilich eigens zu diskutieren ist –, so ergeben sich folgende Fragestellungen: Wie erfolgt die Wahl von Forschungsgegenständen und, damit verbunden, welches Ziel bzw. welche Positionierung im Feld der eigenen Disziplin wird hierbei verfolgt? Geht die Wahl eines bestimmten Gegenstandes mit der Präferenz bestimmter Forschungsmethoden einer? Ist eine Verabschiedung des Kanons mit Blick auf die universitäre Forschung und Lehre letztlich wirklich möglich und vor allem sinnvoll? Die Ringvorlesung versammelt Vertreter*innen der beteiligten Fächer (Latinistik, Mediävistik, Italianistik, Anglistik, Französistik, Hispanistik, Germanistik, Slavistik und Komparatistik), die in ihren Vorträgen die eigene Wahl von Gegenständen vor dem Hintergrund des Verhältnisses von Kanon und Kultur problematisieren und innerhalb der gegenwärtigen Praxis der jeweiligen Disziplin und / oder im Zusammenspiel mit anderen Disziplinen reflektieren.

Programm
16.10.2024 – Jörn Steigerwald (Komparatistik, Paderborn)
Kulturelle Paradigmenwechsel oder die (Selbst)Evidenz der Literatur am Beispiel von Pierre Corneilles Agésilas

23.10.2024 – Ingo Berensmeyer (Anglistik, LMU München)
Autorschaftsgeschichten (in) der Moderne: Selbsterschaffung, Werkpolitik, Kanonisierung

30.10.2024 – Hartmut Bleumer (Germanistik, Göttingen)
Kanon und Kreativität: Zur Ästhetisierung vormoderner Literatur

6.11.2024 – Hendrik Schlieper (Komparatistik, Paderborn)
Kanon und Kulturgeschichte: Zur Paradigmatik kanonischer Texte am Beispiel von Tirso de Molinas El Burlador de Sevilla

13.11.2024 – Claudia Gronemann (Romanistik, Mannheim)
Dezentrieren und überschreiben: Kanon und Kultur am Beispiel des spanischen Siglo de Oro

20.11.2024 – Andreas Mahler (Anglistik, FU Berlin)
Kanon und ,community‘: Über ,Kultur‘ und Selektion

27.11.2024 – Christoph Garstka (Slawistik, Bochum)
Dostojewskij und Tolstoj im Krieg: Die imperialen Dimensionen der klassischen russischen Literatur

4.12.2024 – Meike Rühl (Latinistik, Osnabrück)
Moribis antiquis res stat Romana virisque: Die Tradition, die Männer und die lateinische Literatur

11.12.2024 – Marc Föcking (Romanistik, Hamburg)
Ist das Literatur oder kann das weg? Literaturwissenschaft und Unterhaltungsliteratur

18.12.2024 – Eckart Goebel (Komparatistik, Tübingen)
Acheronta movebo – Kanonisierung aus der Tiefe: Oscar Wildes De Profundis und Sigmund Freuds Traumdeutung

8.1.2025 – Bernhard Huß (Romanistik, FU Berlin)
Kanonisierung durch Ausgrenzung: Petrarcas Briefe als Exklusionsinstrument

15.1.2025 – Kirsten Dickhaut (Romanistik, Stuttgart)
Der Stuttgarter Weg – Möglichkeiten und Grenzen generativer KI zur Analyse historischer Texte am Beispiel von Scudérys Promenade de Versailles

22.1.2025 – Ruth Florack (Germanistik, Göttingen)
Klassiker-Bearbeitungen für die Bühne

29.1.2025 – Kai Sina (Germanistik, Münster)
Kanon und Kanonkritik in Goethes Spätwerk

Die Ringvorlesung findet in Präsenz (Hörsaal C2) und virtuell statt; ein Zugang ist über Zoom möglich:
https://uni-paderborn-de.zoom-x.de/j/67022026453?pwd=xgIGiP7A42snN6tZwpYrYmZ7xzzx8s.1
Meeting-ID: 670 2202 6453
Kenncode: 316141

Alle Interessierten sind herzlich eingeladen!

Organisation:
Jörn Steigerwald und Hendrik Schlieper
Universität Paderborn, Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft

Beitrag von: Hendrik Schlieper

Redaktion: Ursula Winter