Summer School im Sept. 2025 an der Universität Halle zu "Wissenszirkulationen und Erinnerungspraxen zwischen Afrika und Europa"
Stadt: Halle (Saale)
Frist: 2025-04-30
Beginn: 2025-09-22
Ende: 2025-09-26
Call for Posters and Participants
Wissenszirkulationen und Erinnerungspraxen zwischen Afrika und Europa
Summer School, 22.-26.9.2025, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Organisation: Dr. Obikoli Assemboni (Universität Lomé/Togo), Dr. Elias Harakawa (Universität Kara/Togo), Dr. Steffen Hendel & Prof. Dr. Natascha Ueckmann (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)
Das erneuerte Interesse an Afrika – zwischen Instrumentalisierung und kritischer Bestandsaufnahme des kolonialen Erbes
In den letzten Jahren hat sich ein neues Interesse des sogenannten globalen Nordens am afrikanischen Kontinent bzw. an den zeitgenössischen politischen Subjekten und Akteuren Bahn gebrochen. Dieses war maßgeblich – Ressourcen und Biowasserstoff hier, Migrationshotspots und Neue Seidenstraße da – ökonomisch und sicherheitspolitisch motiviert. Diese neuerliche Hinwendung, von denen man nun sogar viel in der Tagespresse lesen und sehen konnte, geht indes mit Debatten und Kämpfen einher, die ebenso stattfinden und nicht etwa Auslöser des aktuellen Interesses waren. Vielmehr ist es umgekehrt: Die seit Jahrzehnten andauernde und durch eine Öffentlichkeit maßgeblich unbeachtet gebliebene Auseinandersetzung afrikanischer Intellektueller, Künstler*innen und Politiker*innen um die Zurkenntnisnahme, Anerkennung und Wiedergutmachung bzw. Entschädigung kolonialer Politik durch die historischen Erben wird Achtung geschenkt, weil ein solches Entgegenkommen auch den aktuellen wirtschaftspolitischen Interessen zuträglich erscheint. Viele der jetzigen Forderungen sind schon alt, mitunter bereits seit den 1960ern, dem sogenannten ‚afrikanischen Jahrzehnt‘, immer wieder formuliert – Bénédicte Savoy hat dies eindrücklich und umfangreich in Afrikas Kampf um seine Kunst: Geschichte einer postkolonialen Niederlage (2021) geschildert –, aber erst jetzt wird ihnen in ausgesuchten Punkten entsprochen. Die Diskussion um die Benin-Bronzen und deren partieller Rückübereignung, die Frage nach Eingeständnis deutscher Verantwortung für mehrere Völkermorde, der politische Auftrag zur flächendeckenden und vollumfänglichen Inventarisierung von Raubkunst inkl. der Human Remains in deutschen Museen und Sammlungen, die eingestandene Rolle von Menschenversuchen an Bewohner*innen Afrikas bei den Fortschritten deutscher Medizin im 19. und frühen 20. Jahrhundert, last not least die beginnende Aufarbeitung eines ‚afrikanischen‘ bzw. kolonialen Erbes, das sich bis heute in den deutschen Alltag und seinen städtischen Örtlichkeiten fortschreibt – dies alles fand erst praktischen Niederschlag in den letzten Jahren. Es ist ferner zu vermuten, dass die Teil-/Erfolge zivilgesellschaftlicher Initiativen etwa beim Schleifen kolonialer Denkmäler und der Umbenennung von Straßen nicht nur den Prozessen einer Gesellschaft, die sich mit ihrem Status als Migrationsgesellschaft konfrontiert, zu verdanken sind, sondern der nüchternen ‚Erkenntnis‘, dass im Lichte politisch-ökonomischer Interessen ‚Afrika näher rückt‘.
In diesem Kontext haben die Universitäten und Hochschulen für ihre Beschäftigung mit dem afrikanischen Kontinent – nachdem Post- und Dekoloniale Studien in westdeutschen Universitäten erst spät Fuß fassten und randständig blieben und nachdem 1990 die sich antikolonial definierenden und explizit interdisziplinär arbeitenden Afrikawissenschaften der DDR abgeschafft bzw. stark gekürzt wurden – neue Legitimation, neue Impulse bzw. für bereits lang gehegte Themen Ressourcen, Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit erhalten. Damit werden den Forschungen zum Verhältnis von Europa zum afrikanischen Kontinent und umgekehrt neue Möglichkeiten geboten, die dankbar ergriffen werden – wiewohl auch der Status dieser Forschungen, wie man an den massiven Kürzungen und geplanten Schließung der „Forschungsstelle Hamburg (post-)koloniales Erbe“ sieht, prekär bleibt. Indes müssen diese sich nun bietenden Möglichkeiten auch den bestehenden Rahmen reflektieren, um in Auseinandersetzung mit ihren Gegenständen nicht auf abstrakt-begrifflicher wie epistemischer Ebene die historischen wie gegenwärtigen Interessen, Erwartungen, Bilder und auch die darin enthaltenen Asymmetrien fortzuschreiben. Das Wissen der Kontinente voneinander möchte einerseits zwar auf die historischen wie gegenwärtigen Gegenstände untersucht werden, aber andererseits müssen diese Untersuchungen zugleich die ihnen eingeschriebenen begrifflichen wie sinn bzw. erkenntnisleitenden Implikationen mit thematisieren. Auch das gehört zum kolonialen Erbe.
Die Summer School der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg findet in Zusammenarbeit mit den Germanistik-Instituten der Universitäten Lomé und Kara (Togo) vom 22. bis 26.9.2025 statt. Ihr Thema sind die „Wissenszirkulationen und Erinnerungspraxen zwischen Afrika und Europa“. Sie möchte in geleiteten wie offenen Formaten den Fragen des gegenseitigen Lernens bzw. gegenseitiger Beeinflussung auf epistemischer Ebene nachgehen. Das möchte sie in Kenntnis der gegebenen Rahmenbedingungen tun, also in kritischer, gegebenenfalls sogar produktiver Reflektion der auf beiden Seiten existierenden Befindlichkeiten, Interessen und Ansprüchen.
Fragen, denen wir untersuchen möchten: Wie reflektiert, erinnert und vergegenwärtigt die jeweils andere Seite das Gegenüber, wie hat dies Einfluss auf das historische, aktuelle oder ideelle Selbstbild? Von welchem Wissen und welchen Erfahrungen reden wir also, gibt es tatsächlich etwas Gemeinsames, ist es womöglich asymmetrisch, gegebenenfalls sogar gegensätzlich beurteilt und tradiert? Wie stellt sich die Verständigung über Human Remains, Kultur-, Kunst- bzw. sogenannter Fetischobjekte dar, was lässt sich auf dieser Grundlage zum praktischen Umgang in diversen Kontexten dazu sagen? Wie stellt sich Selbiges in Bezug auf Erinnerungen, generationell bzw. kulturell vermittelte immaterielle Wissens- und Erfahrungsbestände dar? Inwiefern lassen sich diese in der jeweils anderen Kultur, in der jeweils anderen historischen Erfahrungswelt einordnen, hierarchisieren, präsentieren? Welches Wissen zirkuliert(e) bereits, was sind bewährte Formen und Medien, was ist wieso gescheitert und weswegen? Der Summer School geht es dabei zum einen um die Rekonstruktion und Annäherung historischer Konstellationen. Zum anderen fragt sie nach Formen, Medien und Verfahren des aktuellen bzw. zeitgemäßen Umgangs. Sie will (Nachwuchs-) Wissenschaftler*innen, Kulturschaffende wie Bedienstete aus Institutionen einladen, um ihr Wissen und ihre Fragen zu teilen, Projekte vorzustellen und darüber kritisch zu reflektieren.
Call for Posters
Die Summer School möchte Post-/Doktorand_innen die Möglichkeit geben, ihre Forschungsvorhaben, die in dem Bereich transkontinentaler Wissenszirkulationen und Erinnerungspraxen angesiedelt sind, vorzustellen. Bitte schicken Sie Ihr Abstract von maximal 300 Wörtern (bei Vorhandensein auch mit Gliederung Ihrer Arbeit) per E-Mail. Tagungssprache ist deutsch. Stichtag ist der 30.4.2025.
Im Plenum am Di, 23.9.25, bekommen Sie die Gelegenheit, Ihr Projekt in Form einer Poster-Präsentation vorzustellen und mit anderen Post-/Doktorand*innen sowie mit den anwesenden Kolleg*innen aus Wissenschaft, Journalistik, Kultur und verschiedenen Institutionen zu diskutieren. Sie erhalten zudem die Möglichkeit, an der gesamten Summer School teilzunehmen. Dank einer Erasmus+ Kooperation mit den Universitäten Lomé und Kara ist es uns möglich, zahlreiche Wissenschaftler*innen aus Togo einzuladen. Ferner haben verschiedenste Kolleg*innen der MLU aus der Romanistik, Germanistik, Amerikanistik, Slavistik und der Ethnologie ihre Mitwirkung zugesagt.
Leider ist es uns nicht möglich für Nachwuchswissenschaftler*innen Reise-, Übernachtungs- oder Verpflegungskosten zu übernehmen. Wir stehen aber selbstverständlich unterstützend zur Seite, um miteinander kostensparende Möglichkeiten zu finden.
Vorläufiger Zeitplan
Mo, 22.9.25 – Anreise, Stadtrundgang; ab 14 Uhr: Begrüßung von Steffen Hendel & Natascha Ueckmann (Halle/S.), Grußwort von Olaf Zenker (Halle/S.), Eröffnungsvortrag von Obikoli Assemboni & Gilbert Yigbe (Lomé/Togo), Festvortrag von Charlotte Wiedemann (Berlin).
Di, 23.9.25 – Vormittag: Poster-Plenum mit Post-/Doktorand*innen; Nachmittag: Workshops zu Anti-Faschismus und Anti-Kolonialismus in der DDR (Steffen Hendel, Halle/S.), zu 70 Jahre Bandung (Charlotte Wiedemann, Berlin) und zu Afrikaner:innen in deutschen Konzentrationslagern des NS (Elias Harakawa, Kara/Togo);
Mi, 24.9.25 – Vor- und Nachmittag: Workshop zum Bildgedächtnis, konkret zur Hans Schomburgkschen Togo-Footage mit dem Regisseur Jürgen Ellinghaus (Paris); Abend, Vortrag: Das fotografierte Gedächtnis (Kokou Azamede, Lomé/Togo)
Do, 25.9.25 – Vormittag: Provenienzforschung und Restitution (Martin Edjabou, Kara/Togo); Nachmittag: Workshop zum transnationalen Erinnern (Daniel Weidner, Halle/S.) und zum Textgedächtnis: Koloniale Literatur digital analysiert (Jana-Katharina Mende, Halle/S. & Patrice Abotsi, Lomé/Togo);
Fr, 26.9.25 – Vormittag: Gemeinsame Abschlussdiskussion, Vorschau auf geplante Projekte.
Kontakt:
steffen.hendel@germanistik.uni-halle.de
natascha.ueckmann@romanistik.uni-halle.de
Beitrag von: Natascha Ueckmann
Redaktion: Robert Hesselbach